Die Möglichkeiten der konventionellen Medizin und der Naturheilkunde in einem ganzheitlichen Ansatz bestmöglich nutzen: Das wünschen sich viele Patientinnen und Patienten, das ist der Anspruch der Integrativen Medizin: das „Beste aus zwei Welten“ zu vereinen. Darüber hinaus will die Integrative Medizin einen gesunden Lebensstil fördern und damit chronische Krankheiten verhindern, die durch Bewegungsmangel, Fehlernährung und Stress entstehen.
360 000 Euro Förderung vom Freistaat
Für diesen komplexen Ansatz fehlen aber oft gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse. Darum fördert das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege seit Anfang des Jahres das Projekt "IMBAY-2020 – Integrative Medizin in Bayern 2020". Es stellt den beteiligten Partnern für 18 Monate insgesamt 360 000 Euro zur Verfügung. Das teilte die Universität Würzburg mit.
„Oberstes Ziel ist es, Patientinnen und Patienten die bestmögliche wirksame Therapie zukommen zu lassen. Daher stellt die Evaluation der Studie einen wichtigen Bestandteil der Qualitätssicherung von IMBAY-2020 dar“, so Staatsministerin Melanie Huml.
Das Institut für Epidemiologie und Biometrie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), das Universitätsklinikum Würzburg (Institut für Allgemeinmedizin, Arbeitsgruppe Komplementäre Onkologie Integrativ Medizinische Klinik II/Comprehensive Cancer Center Mainfranken) und die neue Klinik für Integrative Medizin am Klinikum Bamberg führen das Projekt in enger Kooperation gemeinsam durch.
Das Reizdarmsyndrom im Blick
IMBAY-2020 besteht aus drei Teilprojekten. Eins davon beschäftigt sich mit dem „Reizdarmsyndrom“, das circa zehn Prozent der Bevölkerung betrifft. Es besteht aus Symptomen wie diffusen Bauchschmerzen oder Unregelmäßigkeiten bei der Verdauung, für die sich keine organische Ursache finden lässt.
„Für diese Beschwerden gibt es sehr unterschiedliche therapeutische Ansätze. Was bisher fehlt, ist eine systematische Zusammenfassung und kritische Bewertung der naturheilkundlichen Studien sowie Empfehlungen zu Veränderungen des Lebensstils“, erklärt Projektleiter Thomas Keil, Professor für Prävention und Gesundheitsförderung an der JMU. In enger Kooperation wollen die Projektpartner diesen Mangel nun beheben.
Programm für Morbus-Crohn-Betroffene
Das zweite Teilprojekt ist eine Interventionsstudie, die am Klinikum Bamberg unter der Leitung von Professor Jost Langhorst durchgeführt wird. Ihr Ziel ist es, ein multimodales Programm zur Stressreduktion und Verbesserung des Lebensstils bei der schweren entzündlichen Darmkrankheit Morbus Crohn zu untersuchen. Das 60-stündige Tagesklinikprogramm beinhaltet Seminare und praktische Übungen zu Stressbewältigung, Achtsamkeit, Ernährung und Bewegung. Ein Schwerpunkt liegt auf naturheilkundlichen Anwendungen und Selbsthilfestrategien.
Langhorst ist Leiter der neuen Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde, die vor einem Jahr mit der gleichnamigen Forschungsabteilung am Klinikum Bamberg gegründet wurde. „Bei uns werden ambulante und stationäre Patientinnen und Patienten nach einem individuell auf sie abgestimmten Therapiekonzept behandelt. Dabei werden moderne schulmedizinische Verfahren, wissenschaftlich belegte Naturheilkunde und achtsamkeitsbasierte Modifikationen des Lebensstils miteinander verbunden und in Studien wissenschaftlich weiter erforscht.“ So erläutert Langhorst das Konzept der Klinik.
Langhorst ist außerdem Inhaber des Stiftungslehrstuhls „Integrative Medizin“ der Universität Duisburg/Essen, der im Januar am Bamberger Klinikum offiziell eröffnet wurde. Das Lehrstuhlteam entwickelt neue Behandlungsansätze und evaluiert und etabliert vorhandene Verfahren. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf chronischen Darmerkrankungen, chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates, Fibromyalgie, Gynäkologie und Geburtshilfe.
Umfrage zum Status der Integrativen Medizin
Im dritten Teilprojekt wird unter gemeinsamer Federführung der Universität und des Universitätsklinikums Würzburg (Dr. Claudia Löffler, Medizinische Klinik II/CCC) eine bayernweite Umfrage unter Unikliniken und anderen Krankenhäusern zum Status der Integrativen Medizin durchgeführt. Ziel ist es, einen Überblick über das Spektrum und die Akzeptanz naturheilkundlicher Verfahren und Lebensstil-Interventionen in unterschiedlichen Fachgebieten zu gewinnen.