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WÜRZBURG
Ins Ausland trotz Handicap: Mit Lupen im Gepäck nach Cádiz
Susanne Stedtfeld studiert an der Uni Würzburg und ist fast blind. Trotzdem will sie ein Semester in Spanien studieren. Den Mut haben noch nicht viele.
Ins Ausland trotz Handicap: Mit Lupen im Gepäck nach Cádiz       -  Florian Evenbye vom International Office erklärt Susanne Stedtfeld, wie sie als fast blinde Erasmus-Studentin gefördert werden kann.
Foto: Pat Christ | Florian Evenbye vom International Office erklärt Susanne Stedtfeld, wie sie als fast blinde Erasmus-Studentin gefördert werden kann.
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:42 Uhr

Susanne Stedtfeld studiert an der Uni Würzburg im fünften Semester Sonderpädagogik. Das ist insofern ungewöhnlich, als dass die 21-Jährige fast blind ist. Ihre Beeinträchtigung hielt sie jedoch weder vom Abi noch vom Studium ab – und auch ein Semester in Spanien will sie sich nicht nehmen lassen.

Noch allerdings lassen sich die wenigsten Studierenden mit Handicap auf ein Semester im Ausland ein. „Heuer fördern wir vier Studierende“, sagt Verena Leidl von International Office der Uni Würzburg.

Auf Hilfe vor Ort angewiesen

Läuft Susanne Stedtfeld über den Campus, sieht man ihr ihr Handicap nicht an. Bewusst verzichtet sie auf den Blindenstock. Lediglich am Jackenärmel ist die Blindenbinde zu sehen. Stedtfeld läuft zielstrebig, obwohl sie nur wenig wahrnimmt. „Auf dem rechten Auge bin ich blind, links sehe ich sechs Prozent“, sagt sie. Mit Kontaktlinsen kann sie ihr Sehvermögen links auf 20 Prozent steigern. Peters-Anomalie heißt die Krankheit, mit der sie auf die Welt kam.

Im Unialltag kommt Susanne Stedtfeld dank eines speziellen Laptops klar. „Damit kann ich das Tafelbild auf meinen Bildschirm heranzoomen und in Büchern lesen“, erklärt sie. Den Laptop sowie verschiedene Lupen nimmt die junge Frau auch mit ins andalusische Cádiz, wo sie ab Februar für ein Semester studieren wird. Verzichten muss sie allerdings auf ihre Studienassistentin, die sie in Würzburg zu Vorlesungen begleitet und Aufgaben wie etwa Literaturrecherche übernimmt.

In Spanien wird sich die angehende Förderschullehrerin wahrscheinlich einzelne Assistenzleistungen einkaufen müssen. Dafür erhält sie, vermittelt durch das International Office, ein Budget. Durchschnittlich bekommt ein Erasmus-Student rund 225 Euro pro Monat. „Menschen mit Behinderung erhalten etwa das Doppelte“, erklärt Florian Evenbye vom International Office. Susanne Stedtfeld wird so wahrscheinlich 450 Euro pro Monat bekommen.

Die „Sondermittelförderung“, wie die Unterstützung heißt, muss nicht direkt fürs Studium verwendet werden. Susanne Stedtfeld benötigt manchmal auch Assistenz im privaten Umfeld. In Würzburg ist das organisiert. In Spanien muss sie vor Ort schauen, ob es dort, wo sie wohnen wird, nette Menschen gibt, die ihr den einen oder anderen Handgriff abnehmen.

Susanne Stedtfeld gehört zu den besonders mutigen Studierenden mit Handicap. Normalerweise entscheiden sich laut Verena Leidl pro Jahr meist nur zwei behinderte Studenten für einen Auslandsaufenthalt. Zum Vergleich: Insgesamt gehen jährlich 550 Würzburger Studierende ins Ausland. Der Anteil der Studierenden mit Handicap beträgt also gerade mal ein halbes Prozent. „Deutschlandweit entscheiden sich jedes Jahr nur 70 Studierende mit Beeinträchtigung für einen Auslandsaufenthalt“, ergänzt Evenbye.

Florian Evenbye und Verena Leidl werben gerade auch unter beeinträchtigten Studenten dafür, die Chance wahrzunehmen, ein Semester im Ausland zu verbringen. „Viele denken, dass dies nicht möglich wäre“, sagt Evenbye. Lassen sie sich auf das Abenteuer ein, sind sie überrascht, dass es im Ausland teilweise einfacher als in Deutschland ist, mit Handicap zu studieren: „Das gilt vor allem für Spanien und die skandinavischen Länder.“

Was Spanien anbelangt, kann Susanne Stedtfeld nur bestätigen, dass dort ganz anders mit behinderten Menschen umgegangen wird als hierzulande. Nach ihrem Abitur 2013 war die junge Frau ein ganzes Jahr in Südspanien. Sie arbeitete auf einem Gestüt, was problemlos möglich war. Entsprechend optimistisch schaut sie ihrem Auslandsstudium entgegen. Wobei es besonders interessant für sie wäre, einmal in eine spanische Schule hineinzuschnuppern. In deutschen Schulen machte sie als Praktikantin nicht immer gute Erfahrungen. Zwar gab es bisher weder in Förder- noch in Hauptschulen Probleme mit den Kindern: „Doch einige Lehrer rieten mir aufgrund meiner starken Sehbehinderung vom Lehrberuf ab.

“ Stedtfeld versucht, solche Kommentare zu ignorieren. Gerade weil sie weiß, wie es ist, mit einem Handicap zu leben, möchte sie später einmal Kinder mit Beeinträchtigung unterrichten.

 
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