
Fast zwei Jahre investierten fünf Würzburger Studierende in ihrer Freizeit eine Menge Hirnschmalz, um ein System zur Lagekontrollregelung von Raketen zu entwickeln. Am heutigen Montag, 6. März, machen sie sich auf den Weg in den hohen Norden Schwedens, wo ihre Entwicklung in den kommenden Tagen zeigen soll, ob sie funktioniert. Was sie entwickelten, haben sie gleich zweimal ins Gepäck, sagt Student Florian Wolz: „So können wir reagieren, falls vor Ort irgendeine Komponente versagt.“
„Rate Control System“ (RaCoS) nennt sich das anspruchsvolle Raumfahrtprojekt innerhalb der europaweiten Forschungsraketen-Kampagne REXUS (Raketen-Experimente für Universitäts-Studenten). Das von Würzburgs Studierenden entwickelte System soll es mit Hilfe von Stickstoff schaffen, dass sich die Rakete, sowie sie das All erreicht hat, nicht mehr um die eigene Achse dreht. Denn diese Drehung erschwert laut Florian Wolz andere, sensible Experimente an Bord oder auch Kameraaufnahmen.
Möglichst kostengünstige Komponenten
Besonders herausfordernd wurde das Projekt durch die Maßgabe, dass die für die Lageregelung notwendigen Komponenten möglichst kostengünstig sein sollen, so der Luft- und Raumfahrtinformatik-Masterstudent. Auch dies schafften die Studenten. So dient ihnen ein handelsüblicher Paintballtank als Druckbehälter für den Stickstoff.
Wann genau die Rakete vom European Space and Sounding Rocket Range (Esrange) in der Nähe von Schwedens nördlichster Stadt Kiruna startet, wird vom Wetter abhängen, erklärt Wolz: „Es sollte kein starker Wind gehen und es sollte nicht schneien.“
Die Startkampagne am Nordpolarkreis dauert zwei Wochen. Spätestens am 18. März muss sich die sechs Meter lange Höhenforschungsrakete „REXUS 22“ hinauf ins All geschwungen haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass das diffizile System aus Würzburg an Bord funktioniert, ist groß, denn mehrfach schon wurde die innovative Entwicklung auf Herz und Nieren getestet.
Erste Tests liefen vielversprechend
So war das studentische Team Mitte Dezember zu Untersuchungen in Bremen. Experten der Europäischen Weltraumorganisation ESA, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) nahmen die Entwicklung unter die Lupe. „Sie haben überhaupt nichts zu beanstanden gefunden“, sagt Wolz, der für die Elektronik und die Mechanik des Systems verantwortlich war und außerdem als Teammanager fungiert.
In der 120 Meter langen Fallröhre des ZARM hatten die Studenten Gelegenheit, Vakuumtests mit Dummy-Gewichten durchzuführen. Auch hier stellte sich heraus, dass das System imstande ist, die Drehrate sehr stark zu reduzieren. „Dennoch kann man nie wissen, was unter realen Bedingungen passiert“, sagt Tobias Wahl, der mit seinem Kommilitonen Tobias Zaenker für die Softwareprogrammierung zuständig war. Immer kann etwas Unvorhergesehenes geschehen, stets besteht die Gefahr, dass das System versagt. Doch das macht die Studierenden nicht bange, sie sind einfach neugierig, was sie in Schweden erleben werden.
Namhafte Firmen haben mitfinanziert
Neben ihrem Studium investierten die vier jungen Männer und ihre Kommilitonin Marion Engert als einzige Frau im Bunde eine Menge Zeit in das Projekt. Sie mussten nicht nur schwierige technische Aufgaben lösen, sondern es galt zum Beispiel auch, Geld einzuwerben. Wenngleich die Entwicklung selbst kostengünstig ist und aufgrund der Unterstützung durch die Universität keine Raummiete anfiel, war teures Werkzeug nötig, um das 4,9 Kilogramm schwere System zusammenzubauen. Beim Fundraising waren die Studierenden ähnlich erfolgreich wie bei der technischen Tüftelei: Mehrere namhafte Firmen waren bereit, RaCoS zu unterstützen.
Projekt wird bei einem Symposium vorgestellt
Nach Schweden wird das Projekt noch immer nicht abgeschlossen sein. Denn das, was die Studenten gelernt, herausgefunden und entwickelt haben, soll nicht der Vergessenheit anheimfallen. Bei einem Symposium im Juni im schwedischen Visby wird Florian Wolz die Ergebnisse mit seiner Kommilitonin Marion Engert präsentieren.
Das Vortragspapier, das nach dem Symposium in einem ESA-Magazin veröffentlich werden soll, auf Englisch zu erstellen, wird noch einmal mehrere Stunden verschlingen, kalkuliert er. Was ihr Studium anbelangt, profitieren die fünf jungen Leute nicht von RaCoS: Es gibt keinen einzigen Credit Point für all die Mühe. Im Gegenteil. „Ich musste im letzten Semester, was das Studium anbelangt, Abstriche machen“, sagt Wolz. Auch Tobias Wahl belegte ein paar Module weniger, um das Projekt und sein Studium unter einen Hut zu bringen.
Zeit und Geld sind nach Ansicht des Forscher-Quintetts jedoch gut investiert. Durch RaCoS kamen die Studenten mit der prallen Realität der Luft- und Raumfahrtforschung in Kontakt und lernten spannende Menschen kennen. Auch in ihren Lebensläufen, sind sie sich die fünf sicher, werde es gut ankommen, dass sie sich in einer derart anspruchsvollen Initiative engagiert haben.