
Die Fassade der Gaststätte "Zum Goldenen Ochsen" in Sommerhausen wird bald ein neues Schild schmücken: "Musikantenfreundliches Wirtshaus" steht auf der blau-weiß-gelben Plakette, die das Inhaberpaar Heike und Volker Decker Ende November vom bayerischen Finanz- und Heimatminister Albert Füracker überreicht bekamen. Bei der Verleihung im oberbayerischen Wolnzach wurden insgesamt 25 Wirtshäuser aus ganz Bayern für ihre Verdienste rund um heimische Musiktraditionen ausgezeichnet.
Der Goldene Ochse mitten im Sommerhäuser Altort ist seit 1966 in den Händen von Familie Oehler und wird mittlerweile in der dritten Generation betrieben. "Mein Mann und ich haben den Gasthof 2024 von meinen Eltern Ruth und Hans-Martin Oehler übernommen", erklärt Heike Decker. Der Gasthof, zu dem auch Ferienwohnungen, ein Hotel und eigener Weinbau gehören, ist seit jeher Anlaufstelle für viele Menschen aus dem Ort: Die Sommerhäuser Liedertafel, ein gemischter Chor, traf sich bis zu ihrer Auflösung 2020 einmal wöchentlich im Goldenen Ochsen; dieser ist außerdem Vereinslokal des historischen Burschenvereins Sommerhausen.

Zum Wirtshaussingen kommen Gäste aus ganz Bayern nach Sommerhausen
Als die Deckers zufällig per Mail vom Projekt "Musikantenfreundliches Wirtshaus" erfuhren, bewarben sie sich – mit Erfolg. Musik spielt im Goldenen Ochsen schon lange eine Rolle: Seit 11 Jahren findet dort zweimal jährlich ein Wirtshaussingen statt. Auch der Wirt selbst ist Musiker: Volker Decker spielt Trompete – in der Trachtenkapelle Kleinochsenfurt und bei den Sommerhäuser Musikanten, die zwei- bis dreimal im Jahr ein "Ständerle" im Goldenen Ochsen spielen.
Dass der Sommerhäuser Gasthof in diesem Jahr als einziges "Musikantenfreundliches Wirtshaus" in Unterfranken ausgezeichnet wurde, führt Volker Decker auf das Wirtshaussterben in den Dörfern zurück. "Jede Initiative ist zu begrüßen, die etwas für das Bestehen von Wirtshäusern tut", sagt Bezirksheimatpflegerin Birgit Speckle, die die Deckers zur Verleihung in Wolnzach begleitete. "Wirtshäuser wie der 'Goldene Ochse' mit seinen engagierten Wirtsleuten sind deswegen nicht hoch genug zu schätzen!"
Bis nach Mitternacht wird im Goldenen Ochsen zusammen gesungen
Sie vermutet, dass der Grund für die insgesamt geringe Zahl der Ausgezeichneten aus Unterfranken – neben dem "Goldenen Ochsen" haben nur fünf weitere Gasthöfe die Plakette –, vor allem darin liegt, dass die Initiative "Musikantenfreundliches Wirtshaus" ihren Ursprung in der Oberpfalz und in Niederbayern hat. "Das Musizieren in unterfränkischen Wirtshäusern hat einen hohen Stellenwert", betont Speckle, "man denke nur an die vielen Wirtshaussingen".
Zum Wirtshaussingen in Sommerhausen kam es über den dortigen Bürgerverein und Petra Kowalczyk. Diese hatte für zwei Musikerinnen mit Akkordeon eine Räumlichkeit gesucht, um ein Wirtshaussingen zu organisieren. Im Goldenen Ochsen fand die Idee Anklang. "Schon das erste Mal war ein voller Erfolg" erinnern sich die Deckers. Mittlerweile wollten so viele das Wirtshaussingen miterleben, dass mit über 100 Gästen sowohl der Haupt-, als auch der Nebenraum der Gaststätte brechend voll seien. Die Gäste würden zum Teil aus ganz Bayern anreisen, so Volker Decker.
Wie zwei langjährige Musikerinnen das Wirtshaussingen in Sommerhausen erleben
Die zwei Musikerinnen von damals, Claudia Brenner und Sandra Dengel, sind dem Goldenen Ochsen treu geblieben. Wenn sie mit ihren Akkordeons zum Wirtshaussingen kommen, haben sie Liederhefte mit über 100 Songs dabei, die sie im Publikum verteilen. "Als Erstes wird immer das Frankenlied gesungen", sagt Heike Decker, "dann ist das Eis schon gebrochen". Was danach folgt, ist ein Wunschkonzert: Vom "Capri-Fischer", "Marmor, Stein und Eisen bricht", "Sierra Madre", dem Rennsteiglied bis hin zu Songs von DJ Ötzi wählen die Gäste selbst die Lieder, die sie singen möchten.
"Auch unsere ganze Familie freut sich auf diese Abende", sagt Heike Decker. "Jeder singt mit – auch die, die hinter der Theke stehen." Beim Wirtshaussingen kämen Jung und Alt zusammen, "vom 30-Jährigen bis zur Seniorin ist alles vertreten". Auch der Sohn und die Nichte der Deckers sind eingebunden: "Sie schreiben die Liednummern auf eine Tafel und tragen sie im Publikum herum", so Decker. Von 19 Uhr bis nach Mitternacht würden die Gäste zusammen singen, essen und trinken.
Für die Musiker gibt es im Sommerhäuser Goldenen Ochsen eine Brotzeit und Getränke
Das Wirtshaussingen ist ein Bestandteil des "Musikantenfreundlichen Wirtshauses"; die Auszeichnung steht aber für noch mehr: Das Metallschild soll Außenstehenden signalisieren, dass die Betreiber des Wirtshauses offen für Singen und Musik sind. "Es geht um spontanes Musizieren auf Absprache – das Ganze soll die Wirtshauskultur fördern", erklärt Heike Decker. Eine Bezahlung für die Musiker gibt es nicht, dafür eine Brotzeit und Getränke.
"Wer das Schild sieht, weiß: Hier kann ich fragen, ob ich für zwei, drei Stunden spielen kann", erklärt Heike Decker. So habe im Goldenen Ochsen zum Beispiel bereits eine Band aus Polen gespielt, die am nächsten Tag einen Auftritt in Würzburg hatte. Und auch mancher Übernachtungsgast, der ein Instrument spielt, würde die Möglichkeit zum spontanen Musizieren nutzen. "Auf die Frage eines Gastes 'habt Ihr eine Quetsche da?', haben wir das Akkordeon meines Vaters geholt, und der Gast hat für die anderen gespielt", so Decker.
Ob ein Auftritt gut ankommt, bleibt immer ein Risiko. "Die Gäste sagen schon, wenn's nicht passt", sagt Volker Decker und lacht. Um "lebendige musikalische Spontanität" gehe es beim "Musikantenfreundlichen Wirtshaus" – und nicht um perfektes Singen und Musizieren, heißt es auf der Webseite der Initiative. Davon hätten alle Seiten etwas: die Wirte eine gute Atmosphäre und einen guten Ruf, die Musikanten neue Spielmöglichkeiten und die Gäste lebendige musikalische Unterhaltung.
Das nächste Wirtshaussingen im Goldenen Ochsen soll Anfang April 2025 stattfinden.