
Aber nicht nur in Röttingen fühlt sich der Biber wohl. Die großen Nager sind auch in Bieberehren, Baldersheim und Schäftersheim im Main-Tauber-Kreis aktenkundig. Und Johann Schurz hat erst am Sonntag einen Biber zwischen Randersacker und Eibelstadt entdeckt und es geistesgegenwärtig geschafft, ihn zu fotografieren.
Es war Erhard Heinles Bereich, in dem vor rund zehn Jahren der allererste lokale Biber, sozusagen die Mutter aller Landkreis-Biber, auftauchte: in Allersheim. Seither ist es mit der Biber-Population nur noch aufwärts gegangen. Das Bibervorkommen in Röttingen ist für Heinle ein Vorzeigerevier.
Die an die Tauber angrenzenden Flächen gehören größtenteils dem Freistaat Bayern. Und der legt Wert darauf, hier einen möglichst naturnahen Lebensraum zu erhalten. Seit rund drei Jahren wird das Revier an der Tauber von Bibern bewohnt.
Wie viele der Nager das rund einen Kilometer lange Revier bei Röttingen bewohnen, ist nicht bekannt. Die nacht- und dämmerungsaktiven Tiere werden nur selten bei der Arbeit beobachtet. Dafür sind ihre Werke bei Tageslicht zu bestaunen.
Erhard Heinle demonstriert eine so genannte Biberrutsche. Über solche Rinnen gleitet der Biber vom höher gelegenen Gelände zum Fluss hinab. Abgenagte Äste und gefällte Bäume vervollständigen das Bild vom trauten Biber-Heim.
Als Heinle das Revier abschreitet, macht er eine Entdeckung: Ein großer Baum liegt quer im Fluss. So etwas, sagt der Referent, habe er bisher auch noch nicht gesehen. Den Baum hat der Biber gefällt, und zwar so, dass er ins Wasser fiel.
Im Wasser fühlt sich der Pflanzenfresser deutlich wohler als an Land, dort kann er auch das Holz besser bearbeiten. Es ist gut möglich, dass der Baum einfach in der Tauber liegen bleiben kann.
Das Wasser kann nämlich auch unter ihm hindurch oder darüber hinweg fließen, sagt Heinle. Wo genau die Biberfamilie ihren Bau hat, weiß niemand. Irgendwo in der Uferböschung muss er sein. Dort hinein gräbt der Biber seine Wohnhöhle, deren Eingang stets unter der Wasseroberfläche liegt.
Weil das Höhlensystem ein Stück in die Erde hinein reicht, kommt es stellenweise zu Konflikten mit Landwirten, die dort Feldfrüchte anbauen. In Röttingen gibt es dieses Problem nicht. Die Äcker, so überhaupt welche an die Tauber heranreichen, hören einige Meter vor der Uferböschung auf. Und Obstbäume sind hier nicht zu finden. Denn auch die bearbeitet der Biber gern mit seinen scharfen Zähnen.
Er macht keinen Unterschied zwischen wilden Bäumen und solchen, die der Mensch wirtschaftlich nutzt. Eine „Drahthose“ unten am Stamm kann allerdings dem Nager die Freude an seinem Festmahl verderben.
Der Allersheimer Ur-Biber, mit dem im Landkreis Würzburg alles begann, muss wohl aus dem Bereich Rothenburg ob der Tauber eingewandert sein, mutmaßt Erhard Heinle. Ob er noch lebt? Mit etwas Glück schon, denn zehn Jahre ist in etwa das Alter, das frei lebende Biber erreichen können.
Erhard Heinle ist nicht sicher, ob der Bieberehrener Biber nur ein Durchreisender ist oder ob er bereits ein Revier besetzt hat. Der in Baldersheim scheint dort in jedem Fall eine Zukunft zu sehen.
Dass Biber auf Wanderschaft gehen, gehört zu ihrer Lebensweise. Sind die Jungen groß genug, werden sie von den Eltern vor die Tür gesetzt und müssen sich ein eigenes Revier suchen. Aus diesem Grund, erläutert Heinle, ist auch eine Überpopulation an Bibern unwahrscheinlich: „Das reguliert sich von selbst.“ Wo kein Lebensraum, da kein Biber. Der Lebensraum in Röttingen, freut sich Heinle, ist ideal.
Dass der Biber ein anspruchsloses Tier ist und sich nicht nur in „idealer“ Umgebung niederlässt, zeigt sich am Main zwischen Randersacker und Eibelstadt. Dort hat Main-Post-Leser Johann Schurz bei einem Spaziergang erst am Sonntag einen Biber bei der Arbeit erwischt.
„Ich hörte etwas knabbern, und da stand er auf dem Eis“, erzählt Schurz. Er lichtete den emsigen Nager ab und machte so eines der seltenen Fotos, auf denen der Biber höchstselbst zu sehen ist.