An Bayerns Universitäten wird längst nicht mehr nur mit Buch, Block und Stift gelernt. Alle Unis haben auch eigene eLearning-Angebote. Darüber hinaus können Studierende Kurse an der Virtuellen Hochschule Bayern (vhb) belegen. Diese ging vor 15 Jahren an den Start – und wurde stetig größer, inzwischen belegen fast 33 000 Studenten Kurse. An der Uni Würzburg nutzten im vergangenen Studienjahr 7000 Studierende das Angebot der vhb.
Gab es im Jahr 2005 gerade mal 170 Angebote, können Bayerns Studierende nun aus 747 Kursen wählen. Insgesamt 30 bayerische Hochschulen, die die vhb tragen, bestücken den Kurspool. 148 Kurse werden von der Uni Würzburg durchgeführt. Jedes Semester kommen neue Angebote dazu. Die Unis Nürnberg und Würzburg kreierten zum Beispiel gemeinsam einen Kurs „Medien im Chemieunterricht“ für Lehramtsstudenten. Würzburgs Juristen starteten eine „Einführung in das Datenschutzrecht“ oder einen Kurs zum „Insolvenzrecht“. Im Sommersemester 2016 wird es 44 neue Kurse geben.
„Die Juristische und die Medizinische Fakultät sind bei der vhb besonders engagiert“, bestätigt Uni-Vizepräsident Wolfgang Riedel. Das Engagement rührt zum einen daher, dass die jeweiligen Dozenten von der Idee des „Blended Learning“, also dem Mix von Präsenzveranstaltungen und digitalem Lernen, überzeugt sind. Sich bei der vhb zu engagieren, lohnt aber auch pekuniär. Riedel: „Die Kursprojekte werden finanziell gefördert.“ Je nachdem, wie viele Semesterwochenstunden ein Kurs umfasst, gibt es bis zu 65 000 Euro. Hinzu kommen kleinere Beträge für die Betreuung der Studierenden. Riedel: „Mit diesem Geld können neue Stellen generiert werden.“
„Das Engagement der Würzburger Jura-Fakultät ist herausragend“, bestätigt Paul Rühl, Geschäftsführer der in Bamberg ansässigen Institution vhb. Aber auch das Interesse der Studierenden sei sehr hoch. Aktuell sei nahezu jeder vierte immatrikulierte Student auch bei der vhb eingeschrieben. Damit liegt Würzburg zusammen mit Erlangen und Passau in einer Spitzengruppe aus drei Universitäten, die identische Prozentwerte haben. Das ist deutlich mehr als bei den Fachhochschulen in Unterfranken. So studieren nur 14 Prozent der Würzburger und 15 Prozent der Aschaffenburger Fachhochschüler gleichzeitig virtuell über die vhb.
Generell hilft die vhb Studierenden, besser mit ihrem Zeitbudget zurechtzukommen – werden doch für Module, die daheim absolviert werden, Wegezeiten eingespart. Teilweise verbessern sich durch das Online-Büffeln auch die Studienleistungen, erläutert Monika Reininger-Hohenner vom Institut für Geschichte der Medizin. Was sich an dem vor fünf Jahren gestarteten Kurs „Medizinische Terminologie“ von Würzburgs Medizinern ablesen lässt.
Hier tauchen Medizinstudierende, Medizininformatiker, Biomediziner und Pflegewissenschaftler in die Fachsprache der Medizin ein. Was bedeutet „Colon“? Was ist ein „Duodenum“? Fast alle Teilnehmer des Würzburger Präsenzkurses nehmen auch am Online-Praktikum teil. Seitdem es den virtuellen Kurs gibt, fallen die Klausurergebnisse Reininger-Hohenner zufolge wesentlich besser aus.
Während sich Würzburgs Juristen und Mediziner seit Jahren rege an der Virtuellen Hochschule Bayern (vhb) beteiligen, wurde das Angebot von Geisteswissenschaftlern bisher eher zögerlich genutzt. Doch das soll sich ändern. Wolf Peter Klein, Inhaber des Lehrstuhls für deutsche Sprachwissenschaft, tüftelt gerade an einem ersten vhb-Modul für Germanisten.
Vizepräsident Wolfgang Riedel sieht große Chancen in einer Ergänzung der Seminare und Vorlesungen durch digitale Angebote. Die „analoge“ Universität werde dadurch auch nicht gefährdet. Denn junge Menschen müssen nach seiner Überzeugung nach wie vor die Möglichkeit haben, mit Altersgenossen zusammenzukommen und sich über das Fach, das sie studieren, in Seminaren auszutauschen. Auch die Begegnung mit den Professoren sei wichtig, kann doch das Charisma eines Wissenschaftlers dafür Ausschlag gebend sein, dass ein junger Mensch wissenschaftlich eine ganz bestimmte Richtung einschlägt. Vor diesem Hintergrund sieht Riedel den Wegfall der Präsenzpflicht seit der Umstrukturierung der Unis im Zuge des Bologna-Prozesses auch kritisch: „Man kann das Seminar nicht jedes Mal vor neuem Publikum halten.“
Riedel selbst ist Germanist. In seinen Seminaren geht es zum Beispiel um den antiken Autor Lucretian. Die Auseinandersetzung mit ihm baut von Woche zu Woche aufeinander auf. Wer beim letzten Mal nicht da war, kann diesmal nicht mitreden. Ein Problem, das die Virtuelle Hochschule nicht kennt.