zurück
OCHSENFURT
Im Sommer herrscht reges Leben bei der Seglerjungenschaft
Kein feudales Restaurant mit Aussichtsterrasse. Kein endloser Horizont hinterm azurblauen Meer. Kein weißbehoster Skipper mit Hundertdollarhaarschnitt. Hier ist der Hafen der Seglerjungenschaft Nürnberg in Ochsenfurt, und hier ist es gemütlich.
Schwieriges Revier: Auf dem Main bei Ochsenfurt veranstaltet die Seglerjungenschaft sogar Regatten.
Foto: MATHIAS NESTMEIER | Schwieriges Revier: Auf dem Main bei Ochsenfurt veranstaltet die Seglerjungenschaft sogar Regatten.
Von unserem Redaktionsmitglied Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 26.04.2023 20:29 Uhr

Es ist Freitagmittag. Nach und nach trudeln die Vereinsmitglieder im Bootshafen ein, der von der Tückelhäuser Straße aus erreichbar ist. Gabi Meyer ist mit ihrer Tochter Christine aus Ebern bei Bamberg gekommen und richtet am einladenden Freisitz mit Blick auf die Boote die mitgebrachte Brotzeit her. Ihren Mann Gerhard erwartet sie in Kürze. Er ist mit dem Rennrad unterwegs nach Ochsenfurt. Die mehr als 100 Kilometer legt er öfter auf zwei Rädern zurück. Niemand sagt, dass ein Segler nicht auch noch ein anderes Hobby haben darf.

Schon seit den 1960er Jahren ist der Verein in Ochsenfurt beheimatet. Gegründet wurde er allerdings in Nürnberg. Dort wollte Hans-Heinrich Hitzler, Leiter einer Internatsschule für Jungen, seinen Schülern ein Hobby an der frischen Luft anbieten und gründete 1960 den Segelverein. Auf der Suche nach einem geeigneten Hafen landeten die Wassersportler 1967 in Ochsenfurt. Heute habe der Verein rund 170 Mitglieder, verrät Vorsitzender Mathias Nestmeier aus Aub. Etwa 60 von ihnen sind aktiv.

„Der Main ist zwar nicht so breit wie der Bodensee“, sagt Gabi Meyer und lächelt verschmitzt. „Dafür aber viel länger.“ Was den Vereinsmitgliedern an Wasserfläche fehlt, machen sie mit Selbstbewusstsein wett. Gerhard Meyer, mit seinem Fahrrad inzwischen am Hafen angekommen, hat einmal ein dickes Kompliment von einem Kapitän aus Deutschlands hohem Norden bekommen. „Der sagte, der Main sei das härteste Revier der Welt“, grinst Meyer.

Soll heißen: wenig Wind, und wenn denn welcher weht, dann wechselt er pausenlos die Richtung. Dazu viele große Schiffe, die Vorrang vor den Segelbooten genießen. Die schon erwähnte geringe Breite des Flusses, die wenig Platz lässt für Wendemanöver. „Wer hier segeln kann, der kann es überall“, fasst Gerhard Meyer zusammen. 18 Jahre lang hat er im Verein die Jugendlichen ausgebildet. Auch seine Tochter Christine.

Die 20-Jährige hat noch immer Spaß an dem Hobby, das bei ihr schon fast genetisch verankert ist. „Segeln vermittelt ein Gefühl von Freiheit“, sagt sie. „Man kann fahren, wohin man will. Es ist ruhig, und trotzdem ist es Sport.“ Natürlich sollte ein Segler wissen, was er tut. Deshalb wird bei der Seglerjungenschaft viel Wert auf die Jugendarbeit gelegt. Etwa 20 Jollen, auf denen die Jugendlichen das Segeln lernen, gehören dem Verein.

Christine Meyer erinnert sich an ihre eigene Ausbildung. „Vormittags gab es einen theoretischen Teil, zum Beispiel mit Knotenkunde und Strategie“, sagt sie. „Und nachmittags ging's aufs Wasser.“ Die Kinder und Jugendlichen machen Kenterübungen und lernen, wie man sich von einem Motorboot abschleppen lässt. Oder auch, dass es fast unmöglich ist, einen Optimisten zum Kentern zu bringen. Der „Optimist“, ein kleines, aber breites Bötchen, liegt recht stabil im Wasser. Wohingegen der kippelige „Laser“ seine Besatzung schon mal über Bord wirft.

Erwachsene Segler schaffen sich irgendwann ein sogenanntes Dickschiff an: ein Segelboot mit Kajüte. Damit lässt sich an einem schönen Sommertag wunderbar den Main entlang fahren. Der Segler ist dabei allerdings gefordert. Er muss auf die erwähnten wechselnden Winde reagieren und unter Umständen zusehen, wie er sich aus einer Flaute retten kann. Im Notfall mit Hilfe eines Motörchens, das nicht umsonst unter dem Spitznamen „Flautenschieber“ firmiert.

Für Christine Meyer sind es genau diese Herausforderungen, die den Reiz des Segelns ausmachen. „Man muss immer auskundschaften, wo der Wind herkommt, und das Segel dementsprechend ausrichten.“ Motorboot fahren hingegen werde schnell öde. Trotzdem gehören auch Motorbootfreunde dem Segelverein an. „Solange sie nicht in der Mehrheit sind . . .“, schmunzelt Gabi Meyer.

Die Segler verbringen aber auch gern einfach mal einen Tag auf ihrem Vereinsgelände. Denn hier wird alles selbst gemacht. Vereinsheim, Sanitäranlagen, Liegeplätze – alles entstand in Eigenleistung und wird von den Mitgliedern in Schuss gehalten. „Wer einfach nur den Geldbeutel aufmachen will, ist hier falsch“, erklärt Gabi Meyer. Richtig ist, wer sich selbst nicht so furchtbar ernst nimmt. Ausdruck dieses Lebensgefühls ist zum Beispiel die jährliche Regatta des Vereins: Zu gewinnen gibt es eine Blutwurst.

Weitere Informationen unter www.seglerjungenschaft.de

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Hobby
Segelboote
Segelsportler
Segelvereine
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top