Mit Rauschgift hatte die 39-Jährige noch nie etwas zu tun. Trotzdem schmuggelte sie im April 2017 Drogenersatzstoff in die Justizvollzugsanstalt (JVA) am Friedrich-Bergius-Ring. Warum sie nur wenige Tage vor ihrer Haftentlassung so was gemacht hat, erzählt sie im Amtsgericht.
Hier ist die gelernte Verkäuferin wegen „unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln“ angeklagt – und muss jetzt um ihre Freiheit fürchten. Sie ist nämlich vorbestraft und hat schon einige Monate im Gefängnis gesessen.
Ganz unten in der Gefangenenhierarchie
Da, so sagt die zurückhaltende Frau vor dem Schöffengericht, habe sie „als kleine Betrügerin“ ganz unten in der Gefangenenhierarchie gestanden. „Das Sagen“ hätten andere Frauen gehabt. Und die hätten sie kurz vor ihrem letzten Hafturlaub unter dem Vorwand, eine Zigarette mit ihr rauchen zu wollen, in eine fremde Zelle gelockt. Aber statt Tabak habe es Drohungen gegeben.
„Wir haben auch draußen Freunde“, hätten die Frauen gesagt und ihr Schläge prophezeit, wenn sie nicht das tue, was die Anführerin von ihr wollte. Dann habe man sie instruiert: Während ihres bevorstehenden dreitägigen Hafturlaubs werde sie telefonisch kontaktiert und bekomme weitere Anweisungen. „Da widersetzt man sich nicht“, sagt die Angeklagte, „das tut man nicht in der JVA“.
Anruf eines Unbekannten
Am einem Aprilsamstag verließ die 39-Jährige, die nur noch acht Tage zu verbüßen hatte, die Haftanstalt, um ihre Eltern zu besuchen. Am Sonntagabend bekam sie einen Anruf mit unterdrückter Nummer. Der unbekannte Anrufer habe sie für den nächsten Nachmittag zu einer Würzburger Tankstelle bestellt, erzählt die Angeklagte vor Gericht.
Auf dem Rückweg in die JVA habe sie dort angehalten und sei von einem etwa 20-Jährigen in gebrochenem Deutsch angesprochen worden. Er müsse wohl eine Beschreibung von ihr gehabt haben. Sie habe den Mann, von dem sie denkt, dass er „ein Russe war“, nicht gekannt, sagt die Frau vor Gericht.
JVA wusste von Schmuggelware
Etwa acht Zentimeter lang, einen Zentimeter breit und dick mit Folie umwickelt gewesen sei das Päckchen, das er ihr gegeben habe „Er hat mir gesagt, dass ich es vaginal einführen soll.“ Sie habe gewusst, dass es Subutex-Tabletten waren, ein opioides Schmerzmittel, das auch als Drogenersatzstoff gilt.
Was sie nicht wusste: Im Gefängnis war bekannt geworden, dass Schmuggelware unterwegs ist. Deshalb wurde die 39-Jährige bei ihrer Ankunft „gefilzt“ , gab sofort alles zu – sagte aber nicht, für wen der Stoff bestimmt war. Zur Strafe musste sie bis zu ihrer Haftentlassung in den Arrest. Die Frauen, die sie gezwungen haben sollen, das Medikament in den Knast zu bringen, sah sie nicht mehr.
Neues Leben nach Haftentlassung
Inzwischen sei die drogenabhängige Anführerin der Gruppe vermutlich tot, erzählt die Angeklagte dem Gericht. Zumindest kursiere ein entsprechendes Gerücht in den sozialen Netzwerken. Den Namen der Frau will sie aber nicht nennen.
Die Angeklagte ist offenbar entschlossen, ein neues Leben zu beginnen. Schon während der Haft hat sie die Voraussetzungen für eine Privatinsolvenz geschaffen, nach der Entlassung hat sie eine Weiterbildung gemacht und jetzt verdient sie in einer Festanstellung 1300 Euro netto.
Die Staatsanwältin glaubt der 39-Jährigen, was sie erzählt hat. Die Frau sei ja nun wirklich keine „klassische Betäubungsmittel-Delinquentin“ sagt die Anklagevertreterin in ihrem Plädoyer und fordert ein Jahr Freiheitsstrafe, zur Bewährung ausgesetzt, und eine Geldauflage von 1300 Euro.
Hackordnung in der JVA gefördert
Der Verteidiger verweist darauf, dass die Tat seiner Mandantin von „hochspezifischen Umständen“ begleitet und der „JVA-Situation“ geschuldet gewesen sei. Deshalb solle die Strafe „weniger als ein Jahr“ betragen und zur Bewährung ausgesetzt werden.
Zehn Minuten lang berät das Gericht. Dann verurteilt es die Angeklagte wegen „unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln“ zu zehn Monaten mit Bewährung. Die von der Frau beschriebenen hierarchischen Strukturen hinter Gittern gebe es nicht nur im Fernsehen, sondern auch in der Realität, sagt der Vorsitzende in der Urteilsbegründung. Das Gericht erkenne, dass die 39-Jährige gezwungen wurde, Betäubungsmittel einzuschmuggeln. Damit habe sie aber, wenn auch unfreiwillig, die Hackordnung in der JVA gefördert. Und das könne „die Justiz so nicht stehen lassen“. Als Bewährungsauflage muss die Frau 700 Euro in Monatsraten zu je 25 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen.
Das Urteil ist rechtskräftig.