Selbst Organe in die Hand nehmen, sie ertasten und mit Skalpell, Schere und Glasstab öffnen und ansehen – das ist für Schüler eine ganz andere, viel direktere Erfahrung von Organen, als wenn sie Biologie per Video oder aus Büchern lernen. Immer wieder geben sich deshalb Lehrer Mühe, an echte Organe zu kommen und verteilen sie als Anschauungsmaterial im Unterricht. Es mögen Augen von Tieren sein, im Bio- Chemiesaal der Ursulinen waren es jetzt zwölf Herzen, eine große Lunge und ein ganzes Geschlinge aus Zunge, Kehlkopf, Luftröhre mit Herz und vergleichsweise großen Leberlappen, alles vom Schwein. Das Herz eines Schweines hat ungefähr die Größe eines menschlichen Herzens, erläuterte Bio- und Chemielehrer Fabian Jochheim seinen Schülerinnen der zehnten Klassen.
Auch Vegetarierinnen
Erworben hatte Jochheim die Organe von einem Metzger im Landkreis, das Herz für fünf Euro, die einzelne Lunge und das Geschlinge Verhandlungssache – „noch nicht bezahlt“, erläutert und schmunzelt er. Für diese Bio-Stunde hatte er zwei seiner Klassen in den Fachraum geholt. Anfassen musste keine der jungen Frauen ein Organ, wenn sie nicht wollte. Aber zusehen und den Unterricht mitverfolgen war ein Muss.
Zwei Vegetarierinnen waren unter ihnen; bei den beiden blieb es beim „Muss“. Die anderen Schülerinnen waren gespannt, dann einige etwas angeekelt, aber schließlich die meisten begeistert. Ein paar gingen nach über einer Stunde Schnippelei mal kurz 'raus, Luftholen. Dann kamen sie zurück.
Keine Berührungsängste
„Mein Opa war Metzger“, erläutert Bio-Lehrer Jochheim, „ich hatte wenig Berührungsängste.“ Im November vergangenen Jahres brachte er Schweineaugen und ein Rehauge mit in die Schule und verteilte sie zum Sezieren. Das koste manchen mehr Überwindung als das Auseinanderlegen anderer Organe, „denn die schauen dich ja an“. Und zu den diesmal mitgebrachten Organen: „Herz ist teures Fleisch“, das manchmal gern gegessen werde. „Die Lunge wird weggeworfen“, erklärt er weiter, weil sie durch Umwelteinflüsse am ehesten kontaminiert sei. „Die Menschen früher haben sie aber gegessen.“ Lunge wird heutzutage auch als Hundefutter verwertet, und ob als Rohfleisch oder getrocknet für Vierbeiner: So oder so hat sie einen strengen Geruch.
Die Lunge ist leicht
Erstaunlich für manche auch: Die Lunge ist sehr leicht.
Selbst Schulleiterin Sr. Katharina Merz hat ihre Erfahrungen mit echten Innereien: Ihre Mutter hielt Hühner, Hasen und Tauben. Da wurde auch mal geschlachtet. Sie freut sich sehr über das Engagement des jungen Lehrers.
Der anschauliche Unterricht ist „Lehrplan-relevant,“, so Jochheim. Für einige seiner Schülerinnen könnte es die letzte Möglichkeit sein, sich so intensiv und praktisch mit dem Körper, seiner Funktionsweise, seinen Organen auseinanderzusetzen – je nach Berufswunsch oder weiterer schulischer Kariere.
„Wasche das Herz“
Jochheims Arbeitsanleitung: „Wasche das Herz. Nimm das Herz in die Hand und schneide mit dem Skalpell die linke Herzhälfte vom Vorhof bis zur Herzspitze mittig auf. Durchtrenne noch nicht die Herz-Scheidewand. So hat man einen optimalen Blick auf die Herzkammer...“ Künstlerpech für manche, denn die Herzen waren schon aufgeschnitten, als Jochheim sie beim Metzger geholt hatte. Das war nicht geplant, und so wurden die Arbeitsaufträge zeitweise zur Fieselei. Die Segelklappen beschreiben, die rechte Herzhälfte aufschneiden, die Unregelmäßigkeiten der Scheidewand ertasten.
Irgendwie klappte es dann doch. Auf den Schneidematten sammelte sich Blut- mit Wasserresten: Schließlich stammten die Organe von Schlachtungen am Vormittag und waren noch sehr frisch.
Mit einer luftbefüllten Spritze stachen die Jugendlichen nach Anweisung ihres Lehrers in die Herzkranzgefäße, brachten die Gefäße damit zum Aufquellen, so dass ihr Verlauf jetzt deutlich sichtbar wurde. Mit „igitt, igitt“ und einem verlegenen Lachen war Sandra Deinhardt nicht allein, je mehr sie in ihrer Gruppe gemeinsam mit Naomi Troll und Hannah Weidner das Organ zerlegte. Während Naomi dem Herz, das sie in ihren Händen hielt, mit ihren schwarzen Fingernägeln noch eine künstlerische Note verpasste – ungewollt wohlgemerkt, winkten bei der Frage nach dem Berufswunsch im Bereich Medizin die drei erst einmal belustigt ab.
Geschnetzeltes
Je länger die Schülerinnen schneiden, desto mehr sieht es vor ihnen am Tisch aus wie Geschnetzeltes. Sollten Schülerinnen das als Tierfutter für Hunde oder Katzen brauchen können – bitteschön! Ansonsten sollte alles in die Plastiktüten zurück, aus denen die Organe genommen waren. Allerdings erläuterte Lehrer Fabian Jochheim noch das Geschlinge, hielt es hoch, rief Schülerinnen zum Tasten nach vorn. Erstaunt waren die Schülerinnen vor allem von der Festigkeit der Luftröhre mit ihren Knorpelringen. Und die Leber: „Kein Octopus,“ feixte Jochheim beim Anblick der etwas flattrigen Leberlappen, wie sie aus der Metzgerei abgegeben worden waren.
Beeindruckend: die Lunge
Zum Abschluss noch ein Höhepunkt: Mit einem Schlauch blies er die Lunge auf, die durch die Luft schnell wie ein großer Luftballon aussah – ein Luftballon in Form eines riesigen zweiflügeligen Insekts. Beeindruckend.
Beim Dschungungelcamp finden es die Leut aber toll
wenn sich andere damit befassen müssen.
SChon gar nicht finde ich es ok, daraus eine Pflichtveranstaltung zu machen. Steht das etwas so im Lehrplan? Nein? Dann ohnehin nicht, ich würde mich als Schülerin weigern.