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WÜRZBURG
Im Bio-Unterricht ein Herz sezieren
Im Bio-Unterricht ein Herz sezieren       -  Selbst Organe in die Hand nehmen, sie ertasten und mit Skalpell, Schere und Glasstab öffnen und ansehen – das ist für Schüler eine ganz andere, viel direktere Erfahrung von Organen, als wenn sie Biologie per Video oder aus Büchern lernen.
Foto: THOMAS OBERMEIER | Selbst Organe in die Hand nehmen, sie ertasten und mit Skalpell, Schere und Glasstab öffnen und ansehen – das ist für Schüler eine ganz andere, viel direktere Erfahrung von Organen, als wenn sie Biologie per ...
Regina Urbon
 |  aktualisiert: 10.03.2017 03:41 Uhr

Selbst Organe in die Hand nehmen, sie ertasten und mit Skalpell, Schere und Glasstab öffnen und ansehen – das ist für Schüler eine ganz andere, viel direktere Erfahrung von Organen, als wenn sie Biologie per Video oder aus Büchern lernen. Immer wieder geben sich deshalb Lehrer Mühe, an echte Organe zu kommen und verteilen sie als Anschauungsmaterial im Unterricht. Es mögen Augen von Tieren sein, im Bio- Chemiesaal der Ursulinen waren es jetzt zwölf Herzen, eine große Lunge und ein ganzes Geschlinge aus Zunge, Kehlkopf, Luftröhre mit Herz und vergleichsweise großen Leberlappen, alles vom Schwein. Das Herz eines Schweines hat ungefähr die Größe eines menschlichen Herzens, erläuterte Bio- und Chemielehrer Fabian Jochheim seinen Schülerinnen der zehnten Klassen.

Auch Vegetarierinnen

Erworben hatte Jochheim die Organe von einem Metzger im Landkreis, das Herz für fünf Euro, die einzelne Lunge und das Geschlinge Verhandlungssache – „noch nicht bezahlt“, erläutert und schmunzelt er. Für diese Bio-Stunde hatte er zwei seiner Klassen in den Fachraum geholt. Anfassen musste keine der jungen Frauen ein Organ, wenn sie nicht wollte. Aber zusehen und den Unterricht mitverfolgen war ein Muss.

Zwei Vegetarierinnen waren unter ihnen; bei den beiden blieb es beim „Muss“. Die anderen Schülerinnen waren gespannt, dann einige etwas angeekelt, aber schließlich die meisten begeistert. Ein paar gingen nach über einer Stunde Schnippelei mal kurz 'raus, Luftholen. Dann kamen sie zurück.

Keine Berührungsängste

„Mein Opa war Metzger“, erläutert Bio-Lehrer Jochheim, „ich hatte wenig Berührungsängste.“ Im November vergangenen Jahres brachte er Schweineaugen und ein Rehauge mit in die Schule und verteilte sie zum Sezieren. Das koste manchen mehr Überwindung als das Auseinanderlegen anderer Organe, „denn die schauen dich ja an“. Und zu den diesmal mitgebrachten Organen: „Herz ist teures Fleisch“, das manchmal gern gegessen werde. „Die Lunge wird weggeworfen“, erklärt er weiter, weil sie durch Umwelteinflüsse am ehesten kontaminiert sei. „Die Menschen früher haben sie aber gegessen.“ Lunge wird heutzutage auch als Hundefutter verwertet, und ob als Rohfleisch oder getrocknet für Vierbeiner: So oder so hat sie einen strengen Geruch.

 

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Die Lunge ist leicht

Erstaunlich für manche auch: Die Lunge ist sehr leicht.

Selbst Schulleiterin Sr. Katharina Merz hat ihre Erfahrungen mit echten Innereien: Ihre Mutter hielt Hühner, Hasen und Tauben. Da wurde auch mal geschlachtet. Sie freut sich sehr über das Engagement des jungen Lehrers.

Der anschauliche Unterricht ist „Lehrplan-relevant,“, so Jochheim. Für einige seiner Schülerinnen könnte es die letzte Möglichkeit sein, sich so intensiv und praktisch mit dem Körper, seiner Funktionsweise, seinen Organen auseinanderzusetzen – je nach Berufswunsch oder weiterer schulischer Kariere.

„Wasche das Herz“

Jochheims Arbeitsanleitung: „Wasche das Herz. Nimm das Herz in die Hand und schneide mit dem Skalpell die linke Herzhälfte vom Vorhof bis zur Herzspitze mittig auf. Durchtrenne noch nicht die Herz-Scheidewand. So hat man einen optimalen Blick auf die Herzkammer...“ Künstlerpech für manche, denn die Herzen waren schon aufgeschnitten, als Jochheim sie beim Metzger geholt hatte. Das war nicht geplant, und so wurden die Arbeitsaufträge zeitweise zur Fieselei. Die Segelklappen beschreiben, die rechte Herzhälfte aufschneiden, die Unregelmäßigkeiten der Scheidewand ertasten.

Irgendwie klappte es dann doch. Auf den Schneidematten sammelte sich Blut- mit Wasserresten: Schließlich stammten die Organe von Schlachtungen am Vormittag und waren noch sehr frisch.

Mit einer luftbefüllten Spritze stachen die Jugendlichen nach Anweisung ihres Lehrers in die Herzkranzgefäße, brachten die Gefäße damit zum Aufquellen, so dass ihr Verlauf jetzt deutlich sichtbar wurde. Mit „igitt, igitt“ und einem verlegenen Lachen war Sandra Deinhardt nicht allein, je mehr sie in ihrer Gruppe gemeinsam mit Naomi Troll und Hannah Weidner das Organ zerlegte. Während Naomi dem Herz, das sie in ihren Händen hielt, mit ihren schwarzen Fingernägeln noch eine künstlerische Note verpasste – ungewollt wohlgemerkt, winkten bei der Frage nach dem Berufswunsch im Bereich Medizin die drei erst einmal belustigt ab.

Geschnetzeltes

Je länger die Schülerinnen schneiden, desto mehr sieht es vor ihnen am Tisch aus wie Geschnetzeltes. Sollten Schülerinnen das als Tierfutter für Hunde oder Katzen brauchen können – bitteschön! Ansonsten sollte alles in die Plastiktüten zurück, aus denen die Organe genommen waren. Allerdings erläuterte Lehrer Fabian Jochheim noch das Geschlinge, hielt es hoch, rief Schülerinnen zum Tasten nach vorn. Erstaunt waren die Schülerinnen vor allem von der Festigkeit der Luftröhre mit ihren Knorpelringen. Und die Leber: „Kein Octopus,“ feixte Jochheim beim Anblick der etwas flattrigen Leberlappen, wie sie aus der Metzgerei abgegeben worden waren.

Beeindruckend: die Lunge

Zum Abschluss noch ein Höhepunkt: Mit einem Schlauch blies er die Lunge auf, die durch die Luft schnell wie ein großer Luftballon aussah – ein Luftballon in Form eines riesigen zweiflügeligen Insekts. Beeindruckend.

Im Bio-Unterricht ein Herz sezieren       -  Selbst Organe in die Hand nehmen, sie ertasten und mit Skalpell, Schere und Glasstab öffnen und ansehen – das ist für Schüler eine ganz andere, viel direktere Erfahrung von Organen, als wenn sie Biologie per Video oder aus Büchern lernen.
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Im Bio-Unterricht ein Herz sezieren       -  Selbst Organe in die Hand nehmen, sie ertasten und mit Skalpell, Schere und Glasstab öffnen und ansehen – das ist für Schüler eine ganz andere, viel direktere Erfahrung von Organen, als wenn sie Biologie per Video oder aus Büchern lernen. I
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Kommentare
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  • clubfan2@gmx.de
    Hier wird sich geziert und ihhhhh geschrieen.
    Beim Dschungungelcamp finden es die Leut aber toll
    wenn sich andere damit befassen müssen.
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  • post@herbertstapff.de
    er die Dinge aus eigener Anschauung kennt, über die er redet. Welche Schüler haben denn noch eine Ahnung von der Herkunft ihrer Lebensmittel? Milch kommt von Aldi, Wurst aus dem Supermarkt, Möbel von Idea. Dank Internet und Medien sind wir alle Mediziner, ohne überhaupt mal eine offene Wunde versorgt zu haben. Solche Lehrer müsste es noch viel mehr geben, die ihren Schülern Praxis zeigen und vermitteln. Ob das nun Organe, Holzbretter oder Ställe sind. Und ob eine Lunge vom Schwein, von der Kuh oder einer Henne stammt, ist vollkommen egal. Mit Religion hat dies nun wirklich überhaupt nichts zu tun.
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  • marent1@hotmail.de
    In Zeiten der Massentierhaltung und Missachtung von Lebewesen finde ich diese Aktion völlig daneben! Geht es in dieser Schule nicht auch um Respekt vor dem Leben? Wieso soll das Schnippeln an den Innereien in der Schule irgendeinen Sinn ergeben? Es ist vielleicht sinnig in der Medizinausbildung , aber sonst??? Weshalb muss man mal eine Lunge in der Hand gehabt haben oder in ein Herz gestochen???? Ich finde das fast schon pervers.
    SChon gar nicht finde ich es ok, daraus eine Pflichtveranstaltung zu machen. Steht das etwas so im Lehrplan? Nein? Dann ohnehin nicht, ich würde mich als Schülerin weigern.
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  • Apfelkorn
    Mancher Schriftsteller war zugleich Arzt in seinem Leben und überlieferte der Nachwelt ein Stück Menschheitsgeschichte, welche vom Kampf zwischen Religion und Wissenschaft geprägt war. So gab es einige Pastoren, welche nicht wollten, dass der Sohn, Arzt, die krebskranke Mutter behandelte. Die Religion hatte es nach der Anschauung der Väter nicht im Sinn, dass die Mutter genas. Von daher ist es sehr gut, wenn Schüler heute den Umgang mit der Anatomie spielerisch erlernen, und wenn die Grundlagen der Medizin im Biologie-Unterricht ansatzweise vermittelt werden. Die Religion ist heute weltoffener geworden, und kann so heilsam sein.
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  • Apfelkorn
    Es ist ein langer Weg zum Herzchirurgen.
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  • Apfelkorn
    Will der Biologielehrer lauter Fleischerei-Fachverkäuferinnen ausbilden?
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  • Apfelkorn
    In Anbetracht der religiös-ethischen Religionszugehörigkeiten stellt sich die Frage, ob das Herumschneiden an Schweineinnereien einen wissenschaftlichen Kick auslösen kann, oder ob es nicht besser wäre, das Herz eines Karpfens auf einem geeignten Projektor zu legen, um die Selbsterregung des Sinus venarum cavarum, der sich am rechten Vorhof befindet, zu demonstrieren?
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