zurück
Würzburg/Karlstadt
Illegale Deponie bei Retzstadt? Prozess gegen Würzburger Entsorgungsfirma nach heftigem Schlagabtausch eingestellt
Verhärtete Fronten zwischen Landratsamt Main-Spessart und Anlagenbetreiber: Wie die Verhandlung am Amtsgericht verlief, wie das Urteil lautet - und was weiter offen ist.
Das Verfahren gegen ein Würzburger Entsorgungsunternehmen wegen mutmaßlichen unerlaubten Betreibens von Anlagen wurde gegen Geldauflage eingestellt. 
Foto: Kyryl Gorlov, Getty Images (Symbolfoto) | Das Verfahren gegen ein Würzburger Entsorgungsunternehmen wegen mutmaßlichen unerlaubten Betreibens von Anlagen wurde gegen Geldauflage eingestellt. 
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 18.05.2024 02:41 Uhr

Hat eine Würzburger Entsorgungsfirma im Landkreis Main-Spessart ohne Genehmigung Steine und Abfälle verarbeitet und somit Entsorgungskosten von rund 250.000 Euro gespart? Oder stellten die Staatsanwaltschaft und eine Sachgebietsleiterin des Landratsamts Main-Spessart der Firma mit "Belastungseifer" nach, wie es die Verteidiger vor dem Amtsgericht Würzburg jetzt darstellten?

Gänzlich aufklären ließ sich das an diesem Montag nicht, denn ein aktueller Beschluss des Würzburger Verwaltungsgerichts zu dem Fall fand in der Verhandlung fast keine Beachtung. Stattdessen drehte sich die teils feindselig geführte Auseinandersetzung um die Deutung jahrzehntealter E-Mails.

"Hier geht es um die Existenz der GmbH", polterte Michael Arlt, Würzburger Anwalt für Wirtschaftsrecht, noch bevor der Prozess richtig begonnen hatte. Er sei nicht ordnungsgemäß geladen worden, sagte Arlt und warf Staatsanwältin Matea Axmann eine fehlerhafte Anklage vor. Axmann wiederum hatte den Fall jedoch ursprünglich gar nicht bearbeitet und musste die Verhandlung immer wieder für Rücksprachen verlassen.

Staatsanwaltschaft Würzburg forderte Nachzahlung von 250.000 Euro

"Vorsätzliches unerlaubtes Betreiben von Anlagen" lautete die Anklage gegen die zwei Geschäftsführer der Entsorgungsfirma. Das Landratsamt Main-Spessart hatte das Unternehmen im Frühjahr 2022 bei der Polizei angezeigt und angeordnet, die Anlage bei Retzstadt stillzulegen. Dort sollen Steine, Erden, Keramik und Baustoffe rechtswidrig gelagert und teils verarbeitet worden sein.

Laut Staatsanwaltschaft hätte die Firma die Materialien anderweitig entsorgen müssen, was etwa 250.000 Euro gekostet hätte. Diese mutmaßlich gesparten Kosten sollte sie nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nun nachzahlen.

Dem widersprach Anwalt Stephan Jäger, vor dem Amtsgericht Wortführer eines vierköpfigen Verteidiger-Teams: "Überfallartig sind die auf die Anlage", kritisierte Jäger das Vorgehen von Landratsamt und Ermittlern. Er sprach von "Behördenheinis" und "Schlaumeiern", die grundlos Ärger gesucht hätten, obwohl die Anlage jahrelang mit Kenntnis des Landratsamts betrieben worden sei.

"Formulieren Sie Ihren Angriff nochmal": Schlagabtausch am Amtsgericht

Jäger berief sich auf eine Genehmigung des Vorgängerbetriebs aus dem Jahr 2001, die dem Landratsamt vorgelegen habe und zuvor nicht beanstandet worden sei. "In all den Jahren davor gab es keine Rüge", sagte der Verteidiger. Erst durch eine neue Sachgebietsleiterin habe es plötzlich Probleme gegeben.

Anders schilderte dies die als Zeugin geladene Sachgebietsleiterin: "Für uns war die Anlage als stillgelegt geführt." Nach Beschwerden wegen Lärm und Staub sei die Anlage kontrolliert worden, eine gültige Genehmigung habe nicht vorgelegen: Im Jahr 2008 habe der Vorgänger des Unternehmens den Betrieb eingestellt, drei Jahre später sei die Genehmigung der Brecheranlage erloschen.

Nachdem die Würzburger Firma im Jahr 2014 die Anlage erworben hatte, sei "Verdacht aufgekommen, dass Tätigkeiten stattfinden", sagte die Behördenmitarbeiterin. Überprüft worden sei das jedoch nicht. Unabhängig davon decke die frühere Genehmigung längst nicht alle erfolgten Tätigkeiten der Firma ab.

Wurde der Betrieb des Brechers im Jahr 2008 wirklich eingestellt? Der vor Gericht vorgetragene Schriftverkehr lässt unterschiedliche Deutungen zu: Die Sachgebietsleiterin habe Informationen "unterschlagen", hielt die Verteidigung ihr vor. "Formulieren Sie Ihren Angriff nochmal", reagierte die Zeugin, die teils Mühe hatte, den Ausführungen der Verteidiger zu folgen.

Urteil des Würzburger Verwaltungsgerichts kommt zu klarem Ergebnis

Eine Aufklärung vor dem Amtsgericht Würzburg war so kaum möglich. Der Blick in ein aktuelles Urteil des Würzburger Verwaltungsgerichts blieb aus: Die Entsorgungsfirma hatte dort in diesem März gegen die Stilllegung der Anlage durch das Landratsamt geklagt - erfolglos, wie das Verwaltungsgericht auf Anfrage der Redaktion bestätigte.

"Die Klägerin hat auf ihrem Betriebsgelände in Retzstadt genehmigungspflichtige Anlagen betrieben", heißt es im Urteil des Verwaltungsgerichts. Und: "Die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen (...) waren (...) erloschen." Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Angesichts der unklaren Faktenlage im Prozess am Amtsgericht schlug die Verteidigung schließlich eine Einstellung des Verfahrens vor. Die Staatsanwaltschaft stimmte zu: Das Verfahren gegen den hauptverantwortlichen Geschäftsführer wird gegen eine Zahlung von 20.000 Euro eingestellt. Das Verfahren gegen die am Betrieb kaum beteiligte Geschäftsführerin wird ohne Auflagen eingestellt.

Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Retzstadt
Karlstadt
Aaron Niemeyer
Amtsgericht Würzburg
Entsorgungskosten
Euro
Kläger
Landratsamt Main-Spessart
Landratsamt Würzburg
Polizei
Staatsanwaltschaft Würzburg
Verwaltungsgericht Würzburg
Zeugen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top