Hat eine Würzburger Entsorgungsfirma im Landkreis Main-Spessart ohne Genehmigung Steine und Abfälle verarbeitet und somit Entsorgungskosten von rund 250.000 Euro gespart? Oder stellten die Staatsanwaltschaft und eine Sachgebietsleiterin des Landratsamts Main-Spessart der Firma mit "Belastungseifer" nach, wie es die Verteidiger vor dem Amtsgericht Würzburg jetzt darstellten?
Gänzlich aufklären ließ sich das an diesem Montag nicht, denn ein aktueller Beschluss des Würzburger Verwaltungsgerichts zu dem Fall fand in der Verhandlung fast keine Beachtung. Stattdessen drehte sich die teils feindselig geführte Auseinandersetzung um die Deutung jahrzehntealter E-Mails.
"Hier geht es um die Existenz der GmbH", polterte Michael Arlt, Würzburger Anwalt für Wirtschaftsrecht, noch bevor der Prozess richtig begonnen hatte. Er sei nicht ordnungsgemäß geladen worden, sagte Arlt und warf Staatsanwältin Matea Axmann eine fehlerhafte Anklage vor. Axmann wiederum hatte den Fall jedoch ursprünglich gar nicht bearbeitet und musste die Verhandlung immer wieder für Rücksprachen verlassen.
Staatsanwaltschaft Würzburg forderte Nachzahlung von 250.000 Euro
"Vorsätzliches unerlaubtes Betreiben von Anlagen" lautete die Anklage gegen die zwei Geschäftsführer der Entsorgungsfirma. Das Landratsamt Main-Spessart hatte das Unternehmen im Frühjahr 2022 bei der Polizei angezeigt und angeordnet, die Anlage bei Retzstadt stillzulegen. Dort sollen Steine, Erden, Keramik und Baustoffe rechtswidrig gelagert und teils verarbeitet worden sein.
Laut Staatsanwaltschaft hätte die Firma die Materialien anderweitig entsorgen müssen, was etwa 250.000 Euro gekostet hätte. Diese mutmaßlich gesparten Kosten sollte sie nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nun nachzahlen.
Dem widersprach Anwalt Stephan Jäger, vor dem Amtsgericht Wortführer eines vierköpfigen Verteidiger-Teams: "Überfallartig sind die auf die Anlage", kritisierte Jäger das Vorgehen von Landratsamt und Ermittlern. Er sprach von "Behördenheinis" und "Schlaumeiern", die grundlos Ärger gesucht hätten, obwohl die Anlage jahrelang mit Kenntnis des Landratsamts betrieben worden sei.
"Formulieren Sie Ihren Angriff nochmal": Schlagabtausch am Amtsgericht
Jäger berief sich auf eine Genehmigung des Vorgängerbetriebs aus dem Jahr 2001, die dem Landratsamt vorgelegen habe und zuvor nicht beanstandet worden sei. "In all den Jahren davor gab es keine Rüge", sagte der Verteidiger. Erst durch eine neue Sachgebietsleiterin habe es plötzlich Probleme gegeben.
Anders schilderte dies die als Zeugin geladene Sachgebietsleiterin: "Für uns war die Anlage als stillgelegt geführt." Nach Beschwerden wegen Lärm und Staub sei die Anlage kontrolliert worden, eine gültige Genehmigung habe nicht vorgelegen: Im Jahr 2008 habe der Vorgänger des Unternehmens den Betrieb eingestellt, drei Jahre später sei die Genehmigung der Brecheranlage erloschen.
Nachdem die Würzburger Firma im Jahr 2014 die Anlage erworben hatte, sei "Verdacht aufgekommen, dass Tätigkeiten stattfinden", sagte die Behördenmitarbeiterin. Überprüft worden sei das jedoch nicht. Unabhängig davon decke die frühere Genehmigung längst nicht alle erfolgten Tätigkeiten der Firma ab.
Wurde der Betrieb des Brechers im Jahr 2008 wirklich eingestellt? Der vor Gericht vorgetragene Schriftverkehr lässt unterschiedliche Deutungen zu: Die Sachgebietsleiterin habe Informationen "unterschlagen", hielt die Verteidigung ihr vor. "Formulieren Sie Ihren Angriff nochmal", reagierte die Zeugin, die teils Mühe hatte, den Ausführungen der Verteidiger zu folgen.
Urteil des Würzburger Verwaltungsgerichts kommt zu klarem Ergebnis
Eine Aufklärung vor dem Amtsgericht Würzburg war so kaum möglich. Der Blick in ein aktuelles Urteil des Würzburger Verwaltungsgerichts blieb aus: Die Entsorgungsfirma hatte dort in diesem März gegen die Stilllegung der Anlage durch das Landratsamt geklagt - erfolglos, wie das Verwaltungsgericht auf Anfrage der Redaktion bestätigte.
"Die Klägerin hat auf ihrem Betriebsgelände in Retzstadt genehmigungspflichtige Anlagen betrieben", heißt es im Urteil des Verwaltungsgerichts. Und: "Die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen (...) waren (...) erloschen." Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Angesichts der unklaren Faktenlage im Prozess am Amtsgericht schlug die Verteidigung schließlich eine Einstellung des Verfahrens vor. Die Staatsanwaltschaft stimmte zu: Das Verfahren gegen den hauptverantwortlichen Geschäftsführer wird gegen eine Zahlung von 20.000 Euro eingestellt. Das Verfahren gegen die am Betrieb kaum beteiligte Geschäftsführerin wird ohne Auflagen eingestellt.
Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich.