Da sitzt er jetzt, und wenn er jemals etwas Böses getan hat, dann spielt das hier keine Rolle. Hier geht es um seine Fähigkeiten, und die hat er bewiesen. Seit sechs Monaten ist er jetzt Vorarbeiter in einem der sechs Unternehmerbetriebe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg.
Marco, wie er aus Gründen der Resozialisierung in diesem Text heißen wird, nimmt im Besprechungszimmer Platz. Der Beamte sagt: "Wissen Sie was, ich gönn Ihnen erst mal ne Cola", und schenkt ihm ein. Bekomme er ja sonst nicht.
Er bereite Arbeit vor, sagt Marco. "Wie der Name schon sagt." Lieferungen annehmen, Aufträge an Mitarbeiter verteilen, Qualitätskontrollen, Montagearbeiten, mit den Beamten die Stunden der anderen aufschreiben. Super Job, sagt er. Wie er es innerhalb von 14 Monaten vom Mitarbeiter zum Vorarbeiter geschafft hat? "Ich habe mein Hirn angeschaltet, habe Interesse gezeigt und das hat man auch anerkannt und gesehen."
Er könne mit Zahlen jonglieren, habe Engagement gezeigt und sich hochgearbeitet: "Ich habe auch schon andere Angebote bekommen, aber ich möchte da bleiben, wo ich bin." Als lägen ihm – dem Gefangenen – die Möglichkeiten nur so zu Füßen.
17 Betriebe gibt es in der JVA Würzburg, die für intern und extern arbeiten
Marco ist einer von etwa 280 arbeitenden Gefangenen in der JVA Würzburg – Männer wie Frauen, sie sind getrennt voneinander beschäftigt. Die Zahl ändere sich jeden Tag, sagt Matthias Bernet, Leiter Arbeitswesen in der JVA. Der 45-Jährige hat den Überblick über die neun Eigenbetriebe, sechs Unternehmerbetriebe und zwei arbeitstherapeutische Betriebe – und sorgt dafür, dass neue Aufträge hineinkommen und genug Arbeit für die beschäftigten Gefangenen da ist.
Eigenbetriebe, das sind etwa eine interne Schreinerei, eine Schlosserei, eine Kfz-Werkstatt, eine Malerei, ein Elektrobetrieb, eine Küche und eine Wäscherei. Die Unternehmerbetriebe hingegen arbeiten für externe Kunden. Auch in der JVA Schweinfurt gab es bis vor knapp einem Jahr einen Unternehmerbetrieb, der jedoch wegen Personalmangels seitens der Anstalt aktuell stillgelegt ist.
"Wir sind eine verlängerte Werkbank für die Industrie und das Handwerk", sagt Bernet, der seit 2001 in der JVA arbeitet. Firmen, die Aufträge draußen mit ihrem Personal nicht mehr bewerkstelligen können, können diese an die Unternehmerbetriebe geben und die Produkte werden dann dort gefertigt. Bernet führt an diesem Tag durch die JVA, den dicken Schlüsselbund immer in der Hand. "Hier ist jede Tür abgesperrt, auch außerhalb der Zellen."
Neu im Sortiment: Aluminiumstangen für Photovoltaik-Anlagen
In der großen Halle läuft laut das Radio, hier wird viel für die Bauindustrie gefertigt. 500 verschiedene Produkte. Auf Tischen liegen Schrauben und andere Metallgegenstände, von der Decke hängen Schilder – mit Namen von Firmen aus der Automobilindustrie, für die hier mal gefertigt wurde. Und ein Fahrrad, das auf die einstige Zusammenarbeit mit einer Schweinfurter Firma für Fahrradteile deutet. Ganz neu im Sortiment: Pfeiler für Photovoltaik-Anlagen. Auf einem großen Tisch liegen die 5,40 und 2,70 Meter langen Aluminiumstangen.
"Da montieren wir 'Schuhe' und 'Krallen' dran, und es werden Gummifüße mit Seifenwasser draufgezogen", erklärt Marco, der hier die Aufsicht hat. Die Stangen werden anschließend stapelweise verpackt und an den Kunden zurückgegeben.
Die Strafgefangenen sind zur Arbeit verpflichtet, arbeiten in der Regel fast acht Stunden pro Tag. "Das ist eine Resozialisierungsmaßnahme, um die Fähigkeiten der Gefangenen zu fördern oder zumindest zu erhalten", erklärt Matthias Bernet. Am besten sei natürlich, wenn man sie auch ausbilden könne, dann haben sie auch noch was für nach der Entlassung: "Wer arbeitet, wird weniger wahrscheinlich straffällig." Wer wo arbeitet, entscheidet die JVA, Fähigkeiten der Gefangenen werden dabei berücksichtigt.
Wer inhaftiert ist, kann eine Ausbildung machen – aber auch studieren
Die durchschnittliche Haftzeit beträgt in der JVA Würzburg neun Monate. Nicht lange genug, um eine komplette Ausbildung abzuschließen. Daher arbeite man in der Haftanstalt mit Qualifizierungsbausteinen, erklärt Bernet. "Auf die können die Gefangenen nach ihrer Entlassung dann aufbauen." Aktuell ist eine Ausbildung im Bereich Lagerlogistik, in der Schlosserei und der Malerei möglich. "Ab und zu kriegen wir es da sogar hin, dass jemand einen Gesellenbrief macht", sagt der 45-Jährige. "Wenn das bloß ein einzelner ist, dann ist das für uns ein Erfolg."
Zukünftig wolle man aber auch im Bereich Landschaftspflege und der Schreinerei mehr auf Ausbildung setzen, sagt Bernet. Und was einzigartig in Bayern ist: Inhaftierte der Würzburger JVA haben die Möglichkeit, an der Fernuni Hagen zu studieren. Über einen gesicherten Online-Anschluss.
Abgesehen von der Sicherheitsschleuse, an der man unumgänglich vorbei muss, sieht es in der Halle, in der es nach frischem Holz riecht, aus wie in einer ganz normalen Schreinerei. An der Decke hängen zwei Propellerflugzeuge aus Holz, ein fertiger Holzschreibtisch steht in der Mitte. Drumherum Sägen und andere Geräte. Zugeschnittene Holzplatten.
Und mittendrin Betriebsleiter Michael Schneider in der Jacke mit der gelben Aufschrift "Justiz". Ab und zu trägt er aber auch Arbeitskleidung, die man halt in einer Schreinerei so trägt. Schneider ist 59, gelernter Schreinermeister, seit 1995 in der JVA Würzburg. Und sagt, er habe noch keinen einzigen Tag hier bereut.
Wer in der JVA arbeitet, bekommt keinen Mindestlohn
Was in der Schreinerei mit ihren sieben Beschäftigten anfällt: Einrichtung für Zellen, Büros und Hafträume, Instandsetzung von Fenstern und Holzmöbeln. Aber auch Tätigkeiten für Kunden: "Externe Aufträge bringen ein bisschen Geld", sagt Schneider. Gerade schieben zwei Häftlinge zwei Paletten mit Paketen in den hinteren Teil der Halle. "Gut gemacht", sagt Schneider. Und leiser: "Lob ist wichtig, das freut die Leute. Nur wegen Geld schaffen die hier nicht, das ist zu wenig."
Wer in der JVA arbeitet, bekommt keinen Mindestlohn gezahlt. Im vergangenen Jahr reichten deshalb zwei Gefangene aus Bayern und Nordrhein-Westfalen Verfassungsbeschwerden ein, über die nun das Bundesverfassungsgericht verhandelt. Matthias Bernet kann sich nicht vorstellen, dass es einen Mindestlohn für Gefangene geben wird. "Das ist schon ein anderes Arbeitsverhältnis als draußen."
Bezahlt werden die Gefangenen nach einem fünfstufigen Lohnsystem. Laut Bernet etwa 15 Euro pro Tag. Von dem verdienten Geld dürften die Insassinnen und Insassen drei Siebtel nutzen, etwa um sich in der JVA mit Kleinigkeiten einzudecken, und vier Siebtel gingen auf das sogenannte Überbrückungskonto. Das Konto werde auf bis zu 2000 Euro angespart, das Geld bekommen die Gefangenen schließlich, wenn sie entlassen werden.
Aber: Wer im Gefängnis arbeitet, verdient zwar ein wenig Geld, zahlt aber für die Dauer der Haft nichts in die Rentenkasse ein.
Zurück in die Schreinerei. Zu den beiden Paletten am Ende der Halle komme noch einiges dazu heute, sagt Leiter Michael Schneider. Alles, was fertig sei, komme direkt ins Lager. Er schaut zu einem Gefangenen, der in einer anderen Ecke beschäftigt ist und ihn grüßt. "Es ist manchmal schon fast beängstigend, wie gut die schaffen", sagt der 59-Jährige. Trotz der hohen Stückzahlen, die hier gefertigt werden, erhalte er keine Reklamationen.
Hohe Fluktuation in den Betrieben – die Leute werden irgendwann entlassen
Ein paar Meter weiter weist Schneiders Kollege einen anderen Gefangenen an, wie er die gestapelten Holzplatten sägen muss. Schneider sagt: "Der macht das gut, ist gut eingearbeitet jetzt." Es könne aber sein, dass er schon bald weg ist wegen der Entlassung, die Fluktuation sei groß. "Dann muss ich wieder jemand neues finden, der das genauso macht."
Wie man zu dem Job in der Schreinerei kommt? "Hier arbeiten ausgesuchte Leute", sagt Schneider. Er habe da ein Auge drauf, schließlich arbeite man hier mit gefährlichen Werkzeugen.
Was, wenn ein Gefangener einen Gegenstand fertigt, den er nicht fertigen und besitzen dürfte?Michael Schneider reagiert gelassen. Metall würde der Metalldetektor am Eingang zu den Werkshallen erkennen. "Und wegen Holz taste ich nach der Schicht ab."
Michael Schneider ist nicht nur Betriebsleiter, in gewisser Weise muss er auch psychologisch helfen. "Eingesperrt zu sein ist eine Ausnahmesituation", sagt der 59-Jährige. Es komme immer wieder vor, dass es einem seiner Mitarbeiter nicht gut gehe, weil vielleicht das Kind daheim krank ist. "Man braucht Fingerspitzengefühl, die Leute haben Sorgen und Nöte, die man sich auch anhören muss."
Anerkennung gibt es durch fachliches Wissen - und wenn man auch selbst anpackt
Schneider sagt, man müsse mit Gefangenen nicht anders umgehen, als mit Mitarbeitenden in der freien Wirtschaft. "Die Anerkennung als Chef erreichen Sie auch durch fachliches Wissen, das ist immer so, auch draußen." Und häufig komme es vor, dass er als Schreinermeister mit anpacken muss. Etwa, wenn Möbel für das Gericht oder das Zimmer des Staatsanwalts gefertigt werden. "Da sieht auch jeder, was man fachlich kann und dadurch kommt auch die Anerkennung."
Bei der Arbeit gehe es vor allem um einen strukturierten Tagesablauf. "Die sind abends müde", sagt Schneider. "Sie bewegen sich hier, können sich mit den anderen unterhalten." Und die Gefangenen kriegen ein wenig Geld, für Kaffee und Tabak und so.
Marco sieht die Arbeit als "schöne Ablenkung" zum Gefängnisalltag. Er sagt: "Ich bin froh, wenn ich auf Arbeit gehen kann. Draußen war das andersherum, da habe ich mich aufs Wochenende gefreut." Die Monotonie nage an ihm. Morgen wird Marco einkaufen können, Lebensmittel, zum Kochen in der Gemeinschaftsküche. So wird er das bevorstehende lange Wochenende ausgleichen. Und ansonsten, sagt er, wird er Gesellschaftsspiele spielen, die Zelle putzen oder Briefe schreiben. "Ich bin froh, nach dem Wochenende wieder arbeiten zu gehen."
Straftäter haben oft Geldstrafen zu begleichen müssen für Kinder zahlen, wollen später mal eine Rente bekommen, sollen nach dem Absitzen ein straffreies Leben führen.
All das ist nicht möglich wenn der Straftäter für die Arbeit die er leistet so ein lächerliches Gehalt bekommt (ca. 15% vom Mindeslohn). Da springt dann am Ende wieder der Staat ein (Harz 4, Grundsicherung im Alter etc.). Es ist doch eine Milchmädchenrechnung wenn man glaubt der Staat spare sich Geld?
Vor allem ist es ein schlechtes Zeichen wenn ausgerechnet der Staat den Mindeslohn mit solchen Ausnahmen versieht. Wenn er sich außerdem in Konkurrenz zur freien Wirtschaft begibt ist das schlecht für alle betroffenen Arbeitgeber und deren Arbeitnehmer. Kein Wunder wenn manche Firmen über Abwanderung nachdenken.
Einige externe Firmen die in Gefängnissen fertigen lassen profitieren davon, andere Firmen schauen in die Röhre, das Gefängnis als staatliche Einrichtung steht dort in Konkurrenz zu Privatfirmen die weit mehr als 2,- € Stundenlohn zahlen müssen.
Der Lohn ist eine Sauerei. Geld kann kaum angespart werden von den Gefangenen. Die Resozialisierung ist eh oftmals sehr schwierig, fehlt es bei der Enlassung dann noch am Geld ist ein Rückfall um so wahrscheinlicher.
Arbeit im Gefängnis ist sinnvoll, bringt manchen Insassen auch fachlich weiter aber das Ganze Drumherum ist gelinde gesagt eine "Sauerei". Das wissen auch alle Beteiligten und man braucht es nicht schönreden.
Stimmt,draußen Mist bauen und dann such noch Ansprüche stellen,also wirklich.
Man sollte mal nicht vergessen das die ja nicht umsonst einsitzen und entsprechend eine Strafe abzusitzen haben und nicht auf Wellness Urlaub sind.
Daher sollten die froh sein das sie überhaupt was machen können und wenigstens ein klein bisschen was bekommen,könnten auch einfach dazu verdonnert werden zum arbeiten ohne das sie sogar Geld bekommen.
Also wirklich jetzt mal.
Nicht, dass Sie sonst selbstgerecht rüberkommen, Gott bewahre!