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WÜRZBURG
„Ich bin alleinerziehend, aber nicht asozial“
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 27.04.2023 05:39 Uhr

Wer ohne Mann, aber mit einem Baby auf dem Arm zu einer Wohnungsbesichtigung kommt, hat keine Chance. Dieses Fazit zieht Ines Enseleit nach der eineinhalbjährigen Suche nach einer günstigen Wohnung. „Es war einfach frustrierend.“

Sie hatte noch studiert und gerade das zweite Kind bekommen, als ihr Partner sie verließ und sie aus der gemeinsamen Wohnung sollte. Denn diese war für sie alleine zu teuer. Die Angst, bald mit ihren Kindern auf der Straße zu stehen, mobilisierte alle ihre Kräfte. „Ich hängte Zettel auf, klingelte bei Vermietern und meldete mich auf jedes Inserat, das irgendwie passte. Oft bekam ich nicht einmal eine Antwort.“ Die 31-Jährige hat diese Behandlung furchtbar geärgert: „Ich bin zwar alleinerziehend, aber nicht asozial.“

Kinder sind im Haus nicht erwünscht

Für Cathrin Holland, Sozialarbeiterin bei der Diakonie, ist Ines Eseleit kein Einzelfall. „Viele Vermieter suchen in der Anzeige nach einer ,älteren Person‘ als Mieter, weil sie keine Kinder im Haus wollen. Und wenn doch, dann lieber mit zwei Elternteilen.“ Alleinerziehende würden im Schnitt zwei Jahre nach einer neuen Wohnung suchen. „Manche geben aber auch vorher auf.“

Eine Betroffene erzählt der Redaktion, dass sie seit eineinhalb Jahren aus ihrer jetzigen Wohnung ausziehen will, weil ihr Sohn dort gesundheitliche Probleme hat. „Er leidet an einer Schimmelallergie.“ Sie hat sich viele Wohnungen angesehen, aber bislang keine bezahlbare Bleibe in ähnlicher Lage gefunden.

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Kleines Zimmer ist bezahlbar

Ihr Problem: Da sie von Unterhaltszahlungen und ihrem Teilzeitjob in der Pflege nicht leben kann, wird ihr Einkommen vom Jobcenter aufgestockt. Damit gelten bestimmte Mietobergrenzen. In Würzburg liegen diese bei 415 Euro Kaltmiete für eine Singlewohnung, 550 Euro für einen Zweipersonen-Haushalt und 610 Euro für eine Mutter mit zwei Kindern.

„Innerhalb dieser Spanne ist es schwierig, in der Stadt eine Wohnung zu finden“, sagt Beraterin Holland. „Auch Sozialwohnungen liegen immer wieder darüber.“ Dies führe dazu, dass Einzelpersonen, die theoretisch 50-Quadratmeter-Wohnungen mieten könnten, ein 18-Quadratmeter-Zimmer nehmen – weil sie das für 415 Euro bekommen.

Die Zahl der Sozialwohnungen nimmt ab

Wer schon mit einem Bein auf der Straße steht, kommt zu Christine Lüneburg. Die Caritasmitarbeiterin hilft im Projekt „Fit for Move“ Alleinerziehenden, die seit der Trennung mit ihren Kindern bei Verwandten auf der Wohnzimmercouch schlafen, Rentnern, die bei Eigentümerwechsel ihre Wohnung verlieren, Flüchtlingsfamilien, die endlich aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen wollen . . .

Eine schwierige Aufgabe. Denn zum einen nimmt die Zahl der Sozialwohnungen ab (siehe Infokasten). Zum anderen verschärft laut Lüneburg die wachsende Zahl von anerkannten Flüchtlingen die Situation. Oft stünden ihre Klienten bei Besichtigungsterminen auch zusammen mit 50 Studenten in der Wohnung. Wenn ein Vermieter dann die Wahl zwischen einem Dauerauftrag von Papas Konto und Geld vom Jobcenter habe, bevorzuge er häufig ersteres.

Eine Aufgabe Lüneburgs ist deshalb, Vermietern zu zeigen, dass es sich auch lohnt, an sozial benachteiligte Menschen zu vermieten. „Die Miete wird ja über das Amt bezahlt und wir kümmern uns, falls es irgendwelche Probleme geben sollte.“ Diese gebe es zwar selten, aber dafür häufig das Vorurteil, dass wenig Geld gleichbedeutend mit asozial sei.

Manchmal wird es gegen Ende des Monats eng

Ines Enseleit hat es geschafft. Die kirchliche allgemeine Sozialarbeit der Diakonie hat sie dabei unterstützt, dass sie in ihrer Wohnung in der Sanderau bleiben konnte und das Jobcenter ließ sich auf eine flexibele Lösung ein. Inzwischen hat sie ihr Studium beendet und drei Jahre nach ihrer Notsituation arbeitet sie jetzt in Teilzeit als Sprachtherapeutin.

„Manchmal wird es am Ende des Monats richtig eng“, erzählt die junge Mutter. Denn die Miete ihrer 80-Quadratmeter-Wohnung kostet einen großen Teil ihres Einkommens. Doch das nimmt sie in Kauf. Denn ihre Wohnung in der vertrauten Umgebung möchte sie unbedingt behalten. „Ich will, dass meine Kinder eine gute Schule besuchen und hier weiterhin ihre Freunde haben. Sie sollen einfach in einer guten Umgebung aufwachsen.“

„StadtGespräch“

„Angebot klein, Kosten hoch: Wird Wohnen in Würzburg zum Luxus?“ – so lautet das aktuelle Thema in der Reihe „StadtGespräch“ am Dienstag, 14. November, um 19 Uhr im Rudolf-Alexander-Schröder Haus. Auf dem Podium werden Vertreter der Stadt Würzburg, von Wohnungsbauunternehmen, der Studierenden, von Sozialverbänden und vom Haus- und Grundbesitzerverein diskutieren. Die Zuhörer können sich zu Wort melden. Veranstaltet wird das „StadtGespräch“ von der Main-Post in Zusammenarbeit mit dem Rudolf-Alexander-Schröder-Haus. Der Eintritt ist frei.

Sozialwohnungen

Menschen unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze dürfen eine Sozialwohnung beziehen.

Das sind manchmal zum Beispiel mehrköpfige Familien, die von einem geringen Einkommen leben, häufig Empfänger von staatlicher Unterstützung (Grundsicherung oder Arbeitslosengeld). In Würzburg gibt es laut der Bundesagentur für Arbeit 7210 Empfänger von diesen Transferleistungen, die in 4055 Bedarfsgemeinschaften leben (Stand Juli 2017).

Der Großteil dieser Haushalte, 2433, besteht aus einer Person, 792 aus zwei Personen. Kinder leben in 1242 dieser Haushalte, 754 davon mit nur einem Elternteil.

Im Vergleich zu den aktuellen 4055 Bedarfsgemeinschaften: Im Januar 2005 gab es in Würzburg 3859, 2010 waren 4573.

Von den insgesamt 7210 Menschen, die Grundsicherung oder Arbeitslosengeld beziehen, sind 2791 Ausländer. Ende 2015 waren es knapp 2000. Angestiegen ist die Zahl durch die gewachsene Zahl von anerkannten Flüchtlingen.

Öffentlich geförderte, also Sozialwohnungen, gibt es in Würzburg momentan rund 3800. Die meisten davon sind am Heuchelhof, in der Lindleinsmühle und der Zellerau und gehören der Stadtbau oder Genossenschaften, einige auch privaten Vermietern.

Zum Vergleich: 2015 gab es mit rund 4000 noch 200 Sozialwohnungen mehr. 2010 standen sogar noch 4500 Sozialwohnungen zur Verfügung. Ihre Zahl nimmt ab, da bei öffentlich geförderten Wohnungsbau die Belegbindung befristet ist. Das heißt, nach einer bestimmten Zeit, müssen sie nicht mehr zur günstigen Preisen vermietet werden. Laut Angaben aus dem Rathaus ist der Bestand an Sozialwohnungen auch in Zukunft rückläufig.

Weil es mehr Berechtigte gibt, als Sozialwohnungen vorhanden sind, vergibt das Sozialreferat diese nach Dringlichkeit. Dazu hat die Behörde soziale Kriterien festgelegt, anhand der sie eine Rangliste der Wohnungssuchenden erstellt und ihnen frei werdende Wohnungen anbietet.

 
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