Tiefer gestimmte Gitarren, wummernde Bässe und schleppendes Schlagzeug – Doom Metal. Eigentlich eine einfache Gleichung. Doch so leicht machen es sich die Veranstalter des Hammer-of-Doom-Festivals diesmal nicht. So erfrischend wie nie kommt die zwölfte Auflage daher. Und lockt gerade deswegen eine Rekordkulisse an. Nach rund 1000 Fans am Freitag, kommen am Samstag knapp 1600 in die Würzburger Posthalle. Und die rasten – ebenso bei Doomern kein Alltagswerk – regelrecht aus, als Cirith Ungol die zwei Tage mit einer überragenden Zwei-Stunden-Show beschließen.
Zugegeben, das kreischende Organ von Sänger Tim Baker ist nicht Jedermanns Sache. Doch der Extrem-Vocalist beherrscht seine hohe Tonlage noch genauso wie zu den Gründungstagen 1976. Die lange Pause zwischen Auflösung 1991 und Reunion vor gut einem Jahr scheint ihm nicht geschadet zu haben. Baker ist eine Doom-Legende und Cirith Ungol sind es mit ihm. Sie erzählen ihre Tolkien-inspirierten Fantasy-Geschichten mittels einer sehr eigenwilligen Mixtur aus hypnotischem Doom, progressiven Rock und zarten Anleihen an dem, was später mal Black Metal heißen sollte. Trotz vorgerückter Stunde nach Mitternacht harrt die Menge aus und feiert die US-Amerikaner mit dem seltsamen Namen, der aus dem „Herr der Ringe“ stammt und den Pass der riesigen Spinnen-Kreatur beschreibt.
Der Samstag mit seinen neun Bands ist um einiges abwechslungsreicher als der Vortag. Schade nur, dass sich der Zuschauerzuspruch noch in Grenzen hält, als die deutschen Gothik-Rocker The Vision Bleak die Bühne entern. Sänger Allen B. Konstanz zieht die, die da sind mit seiner magisch tiefen Stimme in seinen Bann. Die schmale, aber akzentuierte Instrumentalisierung lässt ihm den nötigen Freiraum, ohne dabei allzu stumpfe Gothik-Wege zu beschreiten – schaurig-schön.
Hoch interessant dann die schwedischen Newcomer, die keine sind: Frischlinge als Band mit gerade mal einem Album, sind die einzelnen Mitglieder alte Hasen. Allen voran Bassist Leif Edling ist ein Mastermind des Doom Metals. Der Kopf der Doom-Altmeister Candlemass lässt bei seinem Nebenprojekt seiner metallischen Ader freien Lauf. Zwischen schwere, schleppende Passagen sausen rasende Solo des Avatarium-Gitarristen Marcus Jidell – eine atemberaubende Mischung.
Da haben’s ihre Landsleute Count Raven nicht leicht, mitzugehen. Das Trio spielt klassischen Doom, der sich nicht nur stark nach Black Sabbath anhört, weil Dan Fondelius am Mikrophon klingt wie Ozzy Osbourne in seinen besten Tagen. Ihre ambitioniert gedachte Gesellschafts- und Konsumkritik geht ein bisschen unter im letztlich zu schmalen musikalischen Gewand.
Dafür rumpeln Time Lord nochmal mit großen Getöse durch die Posthalle und bereiten die Masse endgültig auf Cirith Ungol vor. Es ist ein ganz besonderer Auftritt, firmieren die Herrschaften doch eigentlich als Pagan Altar. Deren Sänger Terry Jones verstarb vor zwei Jahren an Krebs, sein Sohn Alan rekrutierte nun ehemalige Mitglieder und Magic-Circle-Sänger-Sänger unter dem Namen Time Lords (nach dem Titel einer Pagan-Altar-Platte), um ein paar Tribute-Shows zu spielen. Die Fans danken es dem Quintett, das sich mit großartiger Spiellaune durch ein spannendes Retro-Set bewegt.
Am Freitag wird nicht minder Gas gegeben. Die Italiener von Witchwood bewegen sich mit ihrem Mid-Tempo-Rock irgendwo zwischen Uriah Heep und nicht nur wegen der Querflöte Jethro Tull. Personell eine urige Besetzung bieten Procession dank schwedischer und chilenischer Mitglieder. Raus kommt etwas härterer und stark groovender Doom in St.-Vitus-Tradition. Die hypnotische, in rotes Licht getauchte Show lässt die textsichere Fangemeinde mächtig mitschmettern.
Und dann ein ganz besonderer Moment. Lucifer’s Friend kraxeln als Co-Headliner des Eröffnungstages auf die Bühne – und das zu 60 Prozent in Originalbesetzung. Beim Gründungsjahr 1970 ist das schon etwas Besonderes. Die deutsche Hardrock-Legende mit dem britischen Sänger John Lawton, der auch schon bei Uriah Heep das Mikrophon gehalten hatte, brilliert mit kernigem Rock’n’Roll, weit weg von klassischem Doom, aber unglaublich intensiv. Auch mit 71 Lenzen trifft Lawton jeden Ton und hat in seiner Stimme nichts an Intensität verloren. Peter Hesslein (Gitarre) und Dieter Horns (Schlagzeug) sind seit 47 (!) Jahren seine Begleiter in einer allerdings von zahlreichen Auflösungen und Wiedergründungen der Band gezeichneten Karriere.
Da haben es selbst Warning nicht leicht, Schritt zu halten, wenngleich die Briten, die es als Band eigentlich schon acht Jahre nicht mehr gibt, mit ihrem epischen, tragenden Doom den Titel des Festivals mehr repräsentieren, als alle anderen Bands. Die Gitarren extrem tief, dazu Patrick Walkers sonore Stimme – wer braucht da schon Licht-Firlefanz? Warning-Sprechchöre zollen dem Lebenswerk dieser Doom-Heroen Tribut.
Und wer nach diesen zwei Tagen nach Hause geht, der hat jetzt schon Heißhunger auf nächstes Jahr, wenn Hammer of Doom im November wieder in Würzburg den Fans des düsteren Metals ein Fest sein wird.