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Würzburg
Hype um "Squid Game": Warum die brutale Serie junge Menschen fasziniert
Eine Netflix-Serie verbindet scheinbar Gegensätzliches: Gewalt und Kinderspiel. Was Jugendliche daran reizt und warum "Squid Game" bereits zu Ohrfeigen auf bayerischen Schulhöfen geführt hat.
Wer bei einem Kinderspiel in der fiktiven Netflix-Serie 'Squid Game' verliert, wird getötet.
Foto: akg-images / Album / Siren Pictu | Wer bei einem Kinderspiel in der fiktiven Netflix-Serie "Squid Game" verliert, wird getötet.
Jonas Keck
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:56 Uhr

Die südkoreanische Serie "Squid Game" ist die bisher erfolgreichste Netflix-Produktion mit den höchsten Zuschauerzahlen. Obwohl die neun Folgen erst für Jugendliche ab 16 Jahren freigegeben sind, haben auch viele Jüngere die teils brutalen Szenen gesehen. Doch was reizt Jugendliche an der Serie überhaupt? Eine Schülerin aus Würzburg ist durch das Videoportal TikTok auf "Squid Game" aufmerksam geworden. "Auch eine Freundin hat mir davon erzählt. Dann habe ich mir die ganze Serie angesehen", sagt die 15-Jährige. Die Spannung gefiel ihr, die Gewalt empfand sie als "total übertrieben".

Im Mittelpunkt der Handlung steht ein makaberer Wettbewerb, dessen Regeln schnell erklärt sind:  Wer verliert, der stirbt. In der fiktiven Netflix-Serie lassen sich rund 450 hoch verschuldete Menschen darauf ein und spielen scheinbar harmlose Kinderspiele gegeneinander. Doch Wächter in roten Kapuzenoveralls erschießen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die die Regeln brechen oder verlieren. Nur der Gewinner soll überleben und mit einem Preisgeld belohnt werden.

15-jährige Würzburgerin schätzt die Serie wegen des Einblicks in eine andere Kultur

Auf TikTok sind kurze Ausschnitte der Serie ohne Kontext – und ohne Altersbeschränkung – zu sehen. Auch regelrechte Anleitungen für die Kinderspiele sind dort leicht zugänglich. Interessant findet die 15-jährige Schülerin aus Würzburg, dass man durch die Serie Einblick in eine andere Kultur bekommt. "Sonst sieht man nur US-Serien, das ist immer das Gleiche", sagt sie.

Weltweit hat die Netflix-Serie zu einem deutlich gesteigerten Interesse am Erlernen der koreanischen Sprache geführt. Im Oktober gab das Unternehmen Duolingo, das Online-Sprachkurse anbietet, bekannt, dass sich in den USA seit Serienstart von "Squid Game" 40 Prozent mehr Nutzer für Koreanisch-Kurse registriert haben als im Vorjahreszeitraum.

Wachsende Ungleichheit, Diskriminierung sozialer Minderheiten und ein extremer Leistungsdruck: Fast alle großen Gesellschaftsprobleme Südkoreas werden in der Serie aufgegriffen. In einem Interview sagte Regisseur Hwang Dong-hyuk, dass er das "Überlebensspiel als eine Metapher, eine Parabel für die moderne kapitalistische Gesellschaft" darstellen wollte.

Die gesellschaftskritische Komponente trägt vermutlich vor allem bei Erwachsenen mit zum Erfolg der Serie bei. Doch beim jüngeren Publikum stehen wohl andere Dinge im Vordergrund. Dem Würzburger Schulpsychologen Ulf Cronenberg zufolge sprechen junge Menschen besonders gerne über Dinge, die grenzüberschreitend sind. "Verbotenes hat für manche Jugendliche von sich aus einen großen Reiz", sagt er. "Das Ansehen von Gewaltdarstellungen ist als Ausprobieren im Jugendalter in einem gewissen Rahmen normal." Jugendliche versuchen herauszufinden, was ihnen guttut – und was nicht. Nur wenn es zur dauerhaften Gewöhnung wird, müsse man es als problematisch ansehen. 

Beim Nachspielen auf Schulhöfen werden die Verlierer mit Ohrfeigen bestraft

Unter Schülerinnen und Schülern kam es bereits zu unschönen Nachahmer-Effekten. An mehreren Augsburger Grund- und Mittelschulen hätten Kinder und Jugendliche Szenen aus der Serie nachgespielt, informiert Markus Wörle, Leiter des Staatlichen Schulamtes. Die Verlierer der Spiele erhielten dabei eine Ohrfeige oder einen Tritt gegen das Schienbein.

In der Netflix-Serie 'Squid Game' spielen die Teilnehmer des makaberen Wettbewerbs auch mit Murmeln um ihr Leben.
Foto: Noh Juhan/Netflix/dpa | In der Netflix-Serie "Squid Game" spielen die Teilnehmer des makaberen Wettbewerbs auch mit Murmeln um ihr Leben.

Auch in einem Hort in der Nähe von Hamburg spielten Kinder Medienberichten zufolge Teile der Serie nach. Die Erzieherinnen seien aufmerksam geworden, als sich die Kinder am Ende eines Spiels gesagt hätten: "Ich töte dich". 

Bisher noch keine Nachahmungen auf unterfränkischen Schulhäfen bekannt

Weder Auseinandersetzungen noch Nachahmungen im Zusammenhang mit "Squid Game" seien den jeweiligen Schulämtern zufolge in den Landkreisen Rhön-Grabfeld, Haßberge, Bad Kissingen, Main-Spessart und Kitzingen bekannt. Gleiches gilt für Schulen in Stadt und Landkreis Schweinfurt.

Auch aus Stadt und Landkreis Würzburg sind bislang keine derartigen Fälle zu vermelden. Dort versendete Schulamtsdirektorin Claudia Vollmar dennoch über die Schulleitungen der Grund- und Mittelschulen einen Infobrief an Eltern, in dem ein medienpädagogischer Berater über die angesagte Serie aufklärt. "Insofern sind die Schulen – und ganz wichtig auch die Eltern – gut informiert und können dementsprechend auf ihre Kinder eingehen", sagt Vollmar.

Piazolo: Grundsatz der Null-Toleranz bei Gewalt an Schulen

Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sieht die Popularität der Serie "mit Sorge". "Squid Game verbindet harmlose Kinderspiele mit massiver Gewaltausübung bis hin zu Tötungsdelikten", sagte er vor Kurzem. "Gewalt hat in unseren Schulen nichts verloren." Er sei sich sicher, dass die Lehrerinnen und Lehrer im Freistaat das Thema aufgreifen. "Bei Anzeichen von Gewalt reagieren sie stets nach dem Grundsatz der Null-Toleranz."

"Lehrerinnen und Lehrer haben berichtet, dass diese Serie auch an ihren Schulen nachgespielt wird", sagte die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, in der vergangenen Woche in München. Zwar spielten Schülerinnen und Schüler Serien oder Computerspiele immer wieder nach, das sei ganz normal. "Aber das hat schon eine neue Qualität und es sorgt für Aufregungen."

Hohe Nachfrage nach Kostümen für Fasching

Der Einfluss der Streaming-Serie wird sich in der kommenden Faschingssession wohl auch bei der Kostümwahl bemerkbar machen. Die Nachfrage nach Kostümen aus "Squid Game" sei groß, sagt Björn Lindert, Geschäftsführer des Kostümhändlers Deiters. In der Serie tragen Teilnehmer dunkelgrüne Trainingsanzüge mit Nummern darauf, außerdem gibt es Wächter in roten Overalls mit schwarzen Masken.

Mitarbeiter des Kostümhändlers Deiters posieren in Kostümen aus der Serie 'Squid Game'. An Fasching könnte man dieses Verkleidung öfter zu Gesicht bekommen.
Foto: Rolf Vennenbernd, dpa | Mitarbeiter des Kostümhändlers Deiters posieren in Kostümen aus der Serie "Squid Game". An Fasching könnte man dieses Verkleidung öfter zu Gesicht bekommen.

Der Hype um die Serie heizt auch den Verkauf von Fan-Artikel enorm an. Dem Wirtschaftsportal "Business Insider" zufolge hat die Popularität von "Squid Game" dazu beigetragen, dass die Verkaufszahlen von weißen Schuhen der Marke Vans um 7800 Prozent gestiegen sind – weil die Teilnehmer des gewalttätigen Spiels diese tragen. Lidl wirbt unterdessen in einem Video auf Instagram mit Anspielungen auf die Serie für vegane Burger und schreibt dazu: "Lasset die Spiele beginnen!" 

Doch auch T-Shirts, Mützen, Stofftiere und Ausstechformen werden bei verschiedenen Online-Händlern angeboten. Besonders makaber: Ein Set mit allem, was benötigt wird, um drei der Kinderspiele nachzuspielen.

Mit Informationen der dpa

 
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Kommentare
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  • S. S.
    Für eine brutale Serie ist da doch noch relativ viel Handlung und Tiefgang.
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  • D. H.
    Folgen der grenzenlosen Digitalisierung?
    Kostüme für Fasching kommen dann bestimmt aus China, damit die FFF-Kids wegen des Klimawandels demonstrieren können.
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  • G. K.
    Nichts ist zu blöd, um nicht sofort kopiert zu werden.
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  • M. G.
    Die Frage ist ganz einfach.
    Squid Game wird ständig in den Medien durchgekaut. Darum entsteht die Faszination daran.
    Wenn die Medien einfach die Serie so behandelt hätte wie 99% aller anderen Serien hätte es diesen Hype nie gegeben.
    Sprich, liebe MainPost, ihr tragt auch dazu bei, dass dieser Hype nicht aufhört sondern nur weiter angeheizt wird.
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  • E. V.
    Kommt mir auch so vor. Ich lese im Artikel nur: In Augsburg haben sich ein paar Schüler Ohrfeigen verpasst. Dafür mach man in der Würzburger Zeitung einen Riesenartikel, dass man meinen könnte, in Stadt und Landkreis gehen sich die Kinder im Pausenhof zu tausenden an die Gurgel.
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  • K. G.
    Danke für diesen ersten, wirklich informativen Artikel zum Thema. Der wahre Hype entstand doch nur dadurch, dass die Medien so davor gewarnt haben, ohne Gründe zu nennen. Die Serie ist gewalttätig. Da gibt es nichts abzustreiten aber sie wird auch nicht plötzlich dazu führen, dass sich alle Schüler auf dem Schulhof verprügeln. Schläger und Mobber finden immer Gründe für Gewalt, da braucht es keine Serie. Wichtig ist doch, mit den Jugendlichen im Gespräch zu bleiben, ihnen zuzuhören und sie ernst zu nehmen. Ein psychisch stabiler Jugendlicher wird auch durch so eine Serie keinen Schaden nehmen. Und es ist ja nicht die einzigste dieser Art.
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  • C. B.
    ....Besonders makaber... Was ist da jetzt makaber. Squid game ist eine großartige Serie. Das muss man das nicht gleich als makaber bezeichnen. Das einzige was makaber ist dass die Main Post gerne Kommentare zensiert.
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  • G. K.
    @schimmel18

    Makaber daran ist, daß es viele, meist junge, Menschen gibt, die ihren Spass daran haben, Spiele zu spielen, in denen andere Menschen getötet werden, wenn auch nur virtuell. Noch makaberer ist es, dass es Zeitgenossen gibt, die das grossartig finden.
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