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WÜRZBURG
Hülya Düber: "Man darf nicht blauäugig sein"
Als Herausforderung und als Chance bezeichnet Hülya Düber, Sozialreferentin der Stadt Würzburg, den Zustrom an Flüchtlingen. Im Gespräch schildert sie, wie sie mit ihrem Team die aktuelle Situation bewältigt.
Hülya Düber, die Sozialreferentin der Stadt Würzburg       -  Als Herausforderung und als Chance bezeichnet Hülya Düber, die Sozialreferentin der Stadt Würzburg, den Zustrom an Flüchtlingen.
Foto: Theresa Müller | Als Herausforderung und als Chance bezeichnet Hülya Düber, die Sozialreferentin der Stadt Würzburg, den Zustrom an Flüchtlingen.
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:46 Uhr

Als Herausforderung und als Chance bezeichnet die Sozialreferentin der Stadt den Zustrom an Flüchtlingen. Im Gespräch schildert Hülya Düber, wie sie mit ihrem Team die aktuelle Situation bewältigt und wieviel körperliche und psychische Kraft das allen abverlangt.

Frage: Für mehr als 500 Flüchtlinge hat die Stadt Würzburg in den vergangenen Wochen ein Dach über dem Kopf gefunden. Wie haben Sie das geschafft?

Hülya Düber: Das war nicht das Sozialreferat alleine. Wir haben dafür ein Projektteam mit bis zu 20 Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen der Stadtverwaltung ins Leben gerufen, das mögliche Unterkünfte schnell prüfen und bereit stellen kann. Dem großen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der kollegialen Kooperation der anderen Dienststellen ist es zu verdanken, dass wir das geschafft haben: Sowohl rund 200 Plätze für neu ankommende Menschen als auch rund 300 weitere für Flüchtlinge, deren Asylverfahren auf dem Weg sind, wurden organisiert. Klar ist aber auch, dass dieses Thema uns noch eine ganze Weile begleiten wird und gesicherter Strukturen bei der Stadtverwaltung bedarf.

Bislang werden in Würzburg Flüchtlinge vor allem in öffentlichen oder einigen kirchlichen Immobilien untergebracht. Werden auch leer stehende private Immobilien geprüft?

Düber: Geprüft haben wir auch jedes Angebot, das von privater Seite an uns herangetragen wurde. So ist beispielsweise eine bestehende dezentrale Unterkunft der Stadt Würzburg in Lengfeld zustande gekommen.

Könnte es in Zukunft nötig werden, leer stehende Immobilien gegen den Willen der Eigentümer für Flüchtlinge zu nutzen, so wie es seit vergangener Woche in Hamburg getan wird?

Düber: Die weitere Flüchtlingsentwicklung ist momentan völlig offen, deshalb lässt sich schwer planen. Aber wir gehen von einem weiter steigenden Bedarf aus. Sie sprechen hier eine Extremsituation an, wie wir sie in Bayern und auch in Würzburg nicht haben. Privateigentum sollte meines Erachtens nicht verstaatlicht werden, das kann keine Lösung sein. Wir arbeiten daran, ankommende Asylsuchende zu integrieren und auch die Gesellschaft mitzunehmen. Da würde Verstaatlichung und jede Zwangsmaßnahme kontraproduktiv wirken.

Alle wollen, dass Integration schneller geht. Aber wie?

Düber: Die Integrationsarbeit hat sich bereits vollkommen verändert. Sie beginnt, sobald die Flüchtlinge in unserer Stadt ankommen. Ehrenamtliche geben schon in den Notunterkünften Sprachkurse und leiten durch praktische Hilfe im Alltag zur Selbsthilfe an. Wir wissen aus Erfahrung: Je früher Integrationsbemühungen beginnen, desto besser funktionieren sie. Wer sich stattdessen nicht willkommen oder gar ausgeschlossen fühlt, zieht sich zurück. Das Zusammenwirken von städtischen Mitarbeitern und ehrenamtlichen Helfern erlebe ich hier als richtig gut.

Das heißt, dass für Erwachsene so schnell wie möglich Jobs und für Jugendliche Ausbildungsplätze gefunden werden müssen. Wie kann die Stadt Würzburg denn das unterstützen?

Düber: Wichtig ist, dass der Gesetzgeber die Arbeitsaufnahme erleichtert hat und noch weitere Möglichkeiten schafft. Wir arbeiten zum einen daran, die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter und Bildungseinrichtungen zu verstärken. Zum anderen wollen wir Betriebe bei der Einstellung von Flüchtlingen besser unterstützen. Mit der Franz-Oberthür-Schule gibt es zum Beispiel eine Zusammenarbeit, in der wir die pädagogische Begleitung von Azubis auf die Beine stellen.

Am einfachsten ist Integration bei jungen Menschen. Die Regierung von Unterfranken hat neue Übergangsklassen an Grund-, Mittel- und Berufsschulen zur Aufnahme von Flüchtlingskindern eingerichtet. Was passiert mit jüngeren Kindern?

Düber: Unsere Mitarbeiter suchen freie Plätze in den Kindergärten und beginnen damit, den Einrichtungen auch Schulungen im Umgang mit traumatisierten Kindern anzubieten. Einige in diesem Sommer in Würzburg angekommene Kinder besuchen bereits eine Kita. Wenn die Eltern als Asylsuchende anerkannt sind, haben sie einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Das heißt auch, dass wir unsere Kapazitäten im Betreuungsangebot weiter ausbauen müssen.

Dieser Ausbau kostet Geld. Genauso wie sozialer Wohnungsbau, Sprachkurse und mehr Sozialpädagogen. Wo kommt das her?

Düber: Deutschland, Bayern und auch Würzburg sind in der glücklichen Lage, über genügend finanzielle und personelle Resourcen zu verfügen, um das zu stemmen. Wir haben eine Fürsorgepflicht, die wir erfüllen müssen und können. Die Mittel langfristig einplanen und in die Haushalte aufnehmen, das wird der nächste Schritt sein.

Was sagen Sie zu Menschen, denen das Angst macht? Angst vor neuer Konkurrenz auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt oder vor einer veränderten Gesellschaft, in der sie sich nicht mehr wohl fühlen?

Düber: Man muss die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen und darauf mit Aufklärung und möglichst viel Transparenz reagieren. Deshalb bieten wir Informationsveranstaltungen oder interkulturelle Abende an und unterstützen das Engagement von Ehrenamtlichen. Man darf nicht blauäugig sein: Die aktuelle Situation ist eine große Herausforderung für die Gesellschaft. Aber bei knapp 40 000 unbesetzten Lehrstellen und insgesamt 500 000 offenen Stellen in Deutschland gibt es auch gute Chancen, die wir als Gesellschaft nutzen können. Wichtig ist: Wir müssen handeln, abwarten löst kein einziges Problem.

Eine Herausforderung auch für die Sozialreferentin. Schlafen Sie da auch manchmal schlecht?

Düber: Ich bin ein Mensch, der seine Aufgabe gut machen will. Da kommt es schon mal vor, dass ich unruhig bin, was als nächstes auf uns zukommt. Wir wollen den Menschen helfen, aber leicht ist das in diesen großen Dimensionen nicht. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und ich auch, gehen da körperlich und psychisch an die Grenze. Aber es ist gut zu sehen, was wir bisher hinbekommen haben.

Treffen Sie Flüchtlinge auch persönlich?

Düber: Natürlich suche ich auch den unmittelbaren Kontakt zu den Menschen. Diese Begegnungen stärken mich auch.

Hülya Düber

Die Sozialreferentin der Stadt Würzburg ist seit Anfang des Jahres im Amt. Davor war die promovierte Juristin Leiterin der Bauaufsicht und der Allgemeinen Bürgerdienste. Die 37-Jährige gehört keiner Partei an, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

 
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