„Dass es so lange vorbei ist, macht es nicht leichter – bis heute.“ In einer Onlineveranstaltung mit dem Titel „Das Unsägliche greifbar machen“ hat Shoshana Trister aus Tel Aviv, Überlebende des Holocaust, von ihren schrecklichen Erinnerungen an die Verfolgung durch die Nationalsozialisten berichtet, schreibt der „pax christi“-Diözesanverband Würzburg in einer Pressemitteilung. Die Veranstaltung der Domschule Würzburg in Zusammenarbeit mit „pax christi“ wurde moderiert von Dr. Friedhelm Boll, Professor für neuere Zeitgeschichte der Universität Kassel.
Im Erzählen würde sich immer nur ein kleiner Teil des Erlebten spiegeln, erklärte Boll zu Beginn der Veranstaltung. Oft handle das Erzählbare von kleinen Inseln der Menschlichkeit in einem ungeheuren, kaum zu begreifenden Meer des Unmenschlichen. „Die volle, uneingeschränkte Wahrheit kennen nur jene, die in den Gaskammern gestorben sind“, zitierte er Imre Kertécz.
Viele Überlebende hätten lange gebraucht, um einen kleinen Teil des Erlebten in Worte fassen zu können. Sie stünden ständig in einem Zwiespalt: Das Erlebte zu verschweigen – doch das würde sie nach den Worten des Friedensnobelpreisträgers und Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel (1928-2016) zu „Mittätern“ machen. Oder es zu erzählen und den unerträglichen Schmerz jedes Mal neu zu erleben.
Shoshana Trister berichtet von den Pogromen
Anschließend wurden zwei Videos mit Trister eingespielt. Darin erzählte sie von Pogromen, die sie als Kind in der Ukraine erlebt hat. Der Rabbi von Chodorow etwa sei vor seiner versammelten Gemeinde in eine Kiste gesperrt worden, in die lange Nägel von außen nach innen geschlagen waren. Darin sei der Rabbi zu Tode gefoltert worden. Von ihrem Versteck aus habe sie gesehen, wie zwei SS-Männer ein Kind zerrissen. Das traumatische Geschehen habe dazu geführt, dass sie monatelang nicht mehr sprechen konnte.
Auch berichtete sie, wie sie rund zwei Jahre in einem Erdloch lebte, das ihre Familie in der Scheune einer christlichen Unterstützerin anlegen durfte, und von Schweinefutter oder rohen Kartoffeln lebte. „Uns ist die Haut abgegangen“, sagte Trister. Die Offiziere der Roten Armee hätten erst nicht glauben wollen, dass in der Scheune noch jüdische Überlebende waren. Ein jüdischer Offizier aus Moskau habe sie befreit.
Sie frage sich, warum es so viel Hass gegeben habe, sagte Trister nach den Videos. „Ist da ein Gott im Himmel? Er hört uns nicht.“ Nach der Zeit in der Erdunterkunft habe sie die Sonne nicht sehen wollen, denn so könnten sie nicht entdeckt werden. Seit vor einem Jahr ihr Mann gestorben sei, lebe sie alleine. „Das ist das Schwerste“, sagte sie. Doch sie male, schreibe und erzähle, etwa in Schulen in Tel Aviv. Ihr Traum sei es, nach Deutschland zu kommen, um auch hier in den Schulen vom Holocaust zu berichten.