„Bei unseren Besuchen in Israel begegnet uns immer wieder der Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern“, stellt Landrat Eberhard Nuß bei seiner Reise in den israelischen Partnerlandkreis Mateh Yehuda fest. Anlass war das 20. Partnerschaftsjubiläum zwischen den beiden Landkreisen. Die Würzburger Delegation bestand aus Kreisräten, Vertretern des Weinbaus und Mitbegründern der Partnerschaft. So der Wortlaut einer Pressemitteilung.
Premiere
Dass die aktuelle Sicherheitslage erstmals in der Geschichte der Partnerschaft einen Besuch in der Gaza-Region zugelassen hat, stimmte die Reisegruppe hoffnungsvoll. Jedem der Teilnehmer war bewusst, dass ein Konflikt immer zwei Seiten hat und die Delegation war gespannt auf die Sichtweise der Israelis während der Fahrt nach Netiv Haasara, einem 800-Einwohner-Dorf direkt an der Grenze zum Palästinensergebiet. Im Volksmund heißt der Ort „Place of Ten“, benannt nach zehn tödlich verunglückten israelischen Soldaten, deren Helikopter bei einem palästinensischen Angriff abgeschossen wurde.
Seit 1971 investiert die israelische Regierung in die Region und stellt Bauland zur Verfügung. Die ersten 70 Familien, die Netiv Haasara besiedelten, sicherten ihren Lebensunterhalt durch Landwirtschaft. Heute arbeiten die meisten Erwachsenen außerhalb, Netiv Haasara ist jedoch noch immer bekannt für sein Saatgut und seine Pflanzen.
Das Dorf hat eine gute Infrastruktur. Die Straßen sind gesäumt von gepflegten Wohnhäusern und Gärten. Auf den ersten Blick scheint es ein ganz normales Dorf zu sein. Doch die Nähe zum Gazastreifen und die damit verbundene Gefahr eines Angriffes ist allgegenwärtig. So hat jedes Haus einen als Schutzbunker ausgebauten Raum. Das israelische Raketenabwehrsystem „Iron Dome“ funktioniert hier aufgrund der unmittelbaren Grenznähe nicht, Raketen schlagen innerhalb von 15 Sekunden nach ihrer Zündung ein.
Den Umständen zum Trotz kommen viele neue Bewohner nach Netiv Haasara. Auch Erwachsene, die hier ihre Kindheit verbracht haben, zieht es zurück in die Heimat. Zum einen, um in der ländlichen Umgebung die Schönheit der israelischen Landschaft zu genießen. Zum anderen ist Wohnraum in den Großstädten rar und teuer.
Kobi Harush, Chef der Polizeistation im benachbarten Sderot, zeigte der Delegation einen Bruchteil der 28 000 Raketen, die in der Region niedergegangen sind, knapp 9 000 davon detonierten in der Stadt.
Verschärfte Sicherheitskontrollen
Israel verschärft seine Sicherheitskontrollen und Abwehrmechanismen. Mit der gleichen Intensität entwickeln die Palästinenser ihre Raketen weiter. Hatten die ersten Raketen im Jahr 2001 noch eine Reichweite von rund 13 Kilometern und 500 Gramm Sprengstoff, bringen es aktuelle Geschosse auf eine Reichweite von 100 Kilometern und 20 Kilogramm Sprengstoff. Dazu kommt eine große Streuwirkung, die verheerende Schäden anrichtet.
Auf die Frage, was ihn in seinem Job am meisten belastet, antwortet Kobi Harush: „Hier in Sderot kennt jeder jeden. Wenn ich zu einem Einsatz gerufen werde, ist im besten Fall ein entfernter Bekannter betroffen, im schlimmsten Fall ein Familienmitglied.“
Wie in Netiv Haasara trotzen auch die Menschen in Sderot den Lebensumständen. Die Stadt boomt. Die Immobilienpreise sind um 30 Prozent gestiegen. Und bis 2020 wird sich die aktuelle Einwohnerzahl von 27 000 fast verdoppelt haben.
Den Gästen aus Würzburg ist diese Entwicklung nicht ganz verständlich. Kobi Harush hat dafür aber eine pragmatische Erklärung: „Israelis vergessen schlimme Erlebnisse schnell und versuchen, im Hier und Jetzt zu leben.“
Hoffnungsvolle Zeichen für den Frieden findet man viele in der Region. Eines davon ist das Friedensmosaik an der Mauer, die auf israelischer Seite in zweiter Reihe hinter der Grenzmauer erbaut wurde, um topografisch bedingte Höhenunterschiede auszugleichen und die dahinter liegenden Orte so bestmöglich zu schützen.
Dass Palästinenser und Juden gemeinsam und gleichberechtigt friedlich miteinander leben können, beweist die Friedenssiedlung Neve Shalom (Oase des Friedens) bereits seit Ende der 1970er Jahre. Aktuell leben hier rund 60 Familien ohne Rassismus und Diskriminierung Tür an Tür, 90 weitere werden hinzukommen.