Der Titel von Jürgen Höritzschs Ausstellung "UnterNull: Tiefdrucke" informiert gleich zweimal über einen dezidiert technischen Aspekt: Bei Tiefdrucken wird die Farbe unter der Null-Ebene, also unter der Oberfläche, auf die Druckplatte aufgebracht. Beim Betreten der BBK-Galerie im Kulturspeicher geht man denn auch gleich auf 14 große quadratische Radierungen zu; die anderen Wände zeigen experimentellere Verfahren. Allen gemeinsam sind die leicht samtige Anmutung und die Detailliertheit dieser Technik, deren Freunde ihre helle Freude haben werden. Höritzsch hat fast jede Tiefdruck-Variation im Repertoire, so dass der Laie staunt, der Fachmann reichlich Gelegenheit zum Enträtseln hat.
Thematisch sieht es ähnlich aus. Der sächsische Künstler (geb. 1958) zieht seine Motive aus Zeitungen und Internet und collagiert sie zu Szenen, die dann Grundlage der Vervielfältigung in niedrigen Druckauflagen werden. Trotz ihrer Herkunft aus Massenmedien sind die Werke keineswegs Pop-Art, dazu sind sie zu finster und hintergründig; hinter die Oberfläche zu schauen ist schließlich erklärte Nebenabsicht des Titels "UnterNull", wie Höritzsch im Künstlergespräch verrät.
Die Nähe zum Traum rückt seine Werke eher in Richtung Surrealismus. Die malerischen Kapricen unseres Unterbewusstseins kommen besonders schön zur Geltung, wenn man die ganze Ausstellung vor Augen hat. Wiederkehrende Themen und Motive haben etwas Alptraumatisches: das Miteinander-Verwachsen von Gliedmaßen, Gewalt, Königspudel und Hasen.
Das künstlerische Medium Ausstellung beweist einmal mehr seine Berechtigung und die Richtigkeit des alten Sprichworts, das Ganze sei mehr als die Summe der Teile. Hier formiert sich das Ganze zu einem Höritzschen Welttheater. Der Hasentest beweist es. Das Tier taucht leitmotivisch auf vielen Exponaten auf, ohne dass es im Geringsten auf Dürer oder Beuys anspielte. Es spielt eben seine Rolle in Jürgen Höritzschs Kosmos.
Und der ist stark bewegt. Fast jede Szene zeigt große Dynamik, ob nun ein Doppeldecker die Bildlandschaft durchquert oder zwei Soldaten ungeschickte politische Gymnastik betreiben. Doch es gibt Ausnahmen. Diese wenigen stillen, statuarischen Drucke hängen meist an den Enden von Bildreihen, einmal allerdings genau in der Mitte. Das fällt nicht gleich beim ersten Rundgang auf, es lohnt sich also, die Ausstellung in mehrfachem Hin und Her zu begehen. Schon allein wegen der Bewegung. Anschließend sollte man die Bilder einmal zählen. Überraschenderweise sind es nur 27. Doch es steckt viel in ihnen drin.
Die Ausstellung ist bis 10. April freitags und samstags von 15 bis 18 sowie sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Am Tag der Druckkunst, 15. März, 18 Uhr, führt Kristin Finsterbusch, Leiterin der BBK-Druckwerkstatt, durch die Ausstellung ihres Kollegen, mit dem am 27. März um 16 Uhr ein Künstlergespräch stattfindet.