Diese Art Vergangenheitsbewältigung, gespickt mit frischem Witz und feiner Ironie, macht richtig Spaß und schließt dabei kritisches Nachdenken nicht aus. In seinem Kammerspiel „Chaim & Adolf“ bietet Stefan Vögel, ein gern gespielter Autor im Chambinzky, dem Zuschauer einen erheiternden Blick auf ein schwieriges Kapitel deutscher Geschichte. Das mit gewitzten Dialogen gespickte Drei-Mann-Stück wird bei der aus internen Gründen um zehn Tage verschobenen Premiere im Kuzu-Kellertheater zu Recht mit reichlich Beifall bedacht.
Seit Jahren verbringt Chaim Eisenberg, Israeli mit deutschen Wurzeln, seinen Skiurlaub in der Rhön, immer im selben Dorf und Gasthaus. Dort sucht und findet er einen Schachpartner, der ausgerechnet Adolf heißt. Gleich zu Beginn des königlichen Spiels entwickelt sich eine kontroverse Suche nach der „ganzen Wahrheit“ über die Geschehnisse vor Ort im Krieg.
Gwendolyn von Ambesser hat in ihrer Regie die unterschiedlichen Charaktere beider Kontrahenten klar herausgearbeitet und auf akzentuierte Zwiesprache gesetzt. Das verleiht dem 90-Minuten-Stück ein flottes Tempo und fortwährende Spannung in der Bauernwirtschaft, die Uli Schäfer, Andreas Zehner und Alexander Knoll mit rustikaler Gemütlichkeit auf die Bühne gestellt haben.
Hier fühlt sich Michael Schwemmer als Gastwirt Martin in seinem Element als dezenter Servierer und verschwiegener Lauscher. Bei der Besetzung der Hauptrollen sah man sich wegen des Ausfalls eines Schauspielers zu einer außergewöhnlichen Rochade gezwungen: Wernher von Schrader, als Adolf einstudiert, eignete sich in kurzer Zeit die Rolle des Chaim an. Intendant Csaba Be´ke nahm die Herausforderung an und paukte in „Text-Quarantäne“ den Adolf-Part. Hut ab vor diesem Wagnis und seiner bewundernswerten Umsetzung!
Hinter dem „neuen“ Adolf verbirgt sich kein einfältiger Bauer und Stallausmister. Er entpuppt sich als wild entschlossener Verteidiger seiner männlichen Vorfahren, wehrt sich vehement gegen Sippenhaft und kollektive Erbschuld. Be´ke analysiert die Reizworte seines Gegenüber voller Misstrauen und schäumt vor Wut, wenn er sich in die Nazi-Ecke gedrängt fühlt.
Chaim hat seine Züge in diesem teilweise hitzigen Wortgefecht klug geplant. Wernher von Schrader nähert sich seinem Ziel, Licht in die undurchsichtige Vergangenheit zu bringen, mit verbindlichem Wohlwollen und intellektueller Schärfe. Lächelnd fügt er die Mosaiksteine zusammen, um letztlich ein überraschendes Bild zu präsentieren