Wie die Residenz zu Würzburg, gehört der Weinbau zu Thüngersheim. Mit derzeit rund 270 Hektar Rebfläche auf der 1100 Hektar umfassenden Gemarkungsfläche ist der Ort eine der größten Weinbaugemeinden in Franken. Folgerichtig war der Auftakt zu den Feierlichkeiten des Ortes zur ersten urkundlichen Erwähnung vor 925 Jahren am Sonntagabend im Divino-Festsaal neben der Ortsgeschichte auch dem thematischen Mittelpunkt des Ortes gewidmet.
Ernüchtert registrierte Bürgermeister Michael Röhm jedoch eine bescheidene Resonanz aus der Bevölkerung zu dem Vortrag von Historiker Dr. Markus Frankl zur Entwicklung und dem Wandel des Weinbaus in Franken und insbesondere im Weinort selbst. Und auch die virtuose musikalische Begleitung der Auftaktveranstaltung durch Ronja Ramisch am Akkordeon hätte mehr Publikum verdient gehabt.
Entsprechende Schriftstücke fehlen
Unverkennbar sind die historischen Parallelen, die das frühmittelalterliche "Tunegersheim" mit der Entwicklung des Weinbaus in Franken verbindet. Wenngleich die erste urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1098 datiert, reicht die Entstehung des Ortes mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Zeit um das 6. Jahrhundert zurück. "Jedoch fehlen die entsprechenden Schriftstücke", bemerkte der Historiker und zertifizierte Gästeführer "Weinerlebnis Franken" Markus Frankl gleich zu Beginn seines Referats. Darin widmete er sich den im Mittelalter und früher Neuzeit üblichen Doppelfunktion des Weines.
In Urkunden des Würzburger Klosters St. Stephan aus dem Jahr 1127 finden Weinberge in Thüngersheim Erwähnung. Demnach schenkten Gisela und Uta dem Kloster St. Stephan zum Seelenheil ihrer verdorbenen Schwester Richeidis und deren Ehemann Sefrid einst einen Weinberg in Tunegersheim. Weitere Weinberg-Schenkungen erhielt das Kloster St. Stephan "im Jahr 1141 durch Badenolf unter dem Vorbehalt des Nutzungsrechts für sich und seine Ehefrau." Im Gegenzug hatte das Paar einen festgelegten jährlichen Zins zu entrichten.
Enge Verbindung der Winzer zum Genossenschaftswesen
Der Weinbau mit einer Vielzahl an Familienbetrieben in Eigenvermarktung und der genossenschaftlichen Orientierung bildet bis heute den absoluten Mittelpunkt im Ort. Die weinbauliche Entwicklung der örtlichen Winzer steht in enger Verbindung mit dem Genossenschaftswesen. Im Jahr 1879 gründete sich im Ort zunächst ein Weinbauverein. Mit der Gründung der Winzergenossenschaft vereinigten sich im Jahr 1930 55 Winzer. Bei der Gründung der Winzergemeinschaft Franken (GWF) im Jahr 1959 blieben die Thüngersheimer Genossenschaftswinzer eigenständig. Ihr erstes Weinfest veranstalteten die örtlichen Winzer im Jahr 1960.
Im Jahr 1972 wurde die Winzergenossenschaft Thüngersheim staatlich anerkannte Erzeugergemeinschaft. Die Umbenennung in Consilium Thüngersheim erfolgte im Jahr 2011 aufgrund der Fusion mit der Winzergenossenschaft Nordheim. Seither vermarktet die Thüngersheimer Genossenschaft die Weine ihrer Winzer unter dem Label Divino Nordheim Thüngersheim eG. Das ehemalige genossenschaftliche Gelände am nördlichen Ortseingang ist zwecks anderweitiger Nutzung zwischenzeitlich veräußert. Eine enge Verbindung besteht zwischen der Gemeinde auch zur Staatlichen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG).
Mit zwei als sogenannte magische Orte des Frankenweins bezeichnete Terroir f verfügt die Gemeinde Thüngersheim über ein Alleinstellungsmerkmal unter den fränkischen Weinorten. Zum gesellschaftlichen Mittelpunkt der Gemeinde entwickelten sich in der jüngeren Vergangenheit die im Jahr 1429/30 als Teil einer Verteidigungsanlage mit der St. Michaels-Kirche im Zentrum entstandenen und mittlerweile vielfach ausgezeichneten WeinKulturGaden.
Für den weiteren Verlauf des Jubiläumsjahres kündigte Bürgermeister Michael Röhm eine Reihe weiterer hochwertiger Veranstaltungen an. Kernstück dabei wird das traditionelle Höfefest im gesamten Altort sein am Wochenende vom 30. Juni bis einschließlich 2. Juli. Ein "Ballonglühen" am 5. November an der Raiffeisen-Sporthalle bildet das große Finale.