Ab jetzt macht das Kreuz, was es will“, sagt der Künstler Ludger Hinse, als das erste seiner zwei Meter hohen Lichtkreuze in der St. Adalbero Kirche in die Höhe gezogen wird. Es ist Teil der Ausstellung „Neues Licht“, in der Lichtkreuze zeitgleich in neun katholischen Kirchen und in der ökumenisch getragenen Bahnhofsmission hängen. Eröffnung ist an diesem Samstag, 13. Februar, um 11 Uhr, in der Augustinerkirche.
Vier Mal schwebt das Kreuz im Großformat in Würzburgs Gotteshäuser – neben der St. Adalbero und der Augustinerkirche sind das Stift Haug und das Neumünster. Zudem gibt es kleinere Varianten sowie Kreuze aus Edelstahl. Am stärksten sinnfällig aber wird ihr gemeinsamer Titel „Neues Licht“ unter den zwei mal zwei Meter großen Plexiglasgebilden. Wenn diese machen, was sie wollen, drehen sie sich und schaukeln. Sie reflektieren Licht in entlegene Winkel und lassen den Gemeindemitgliedern Vertrautes neu erscheinen. Außerdem wechseln sie ihre Farbe unvorhersehbar. Laut Ludger Konrad Maria Hinse hängt das „davon ab, ob ein Chor singt, der Priester drunter steht und atmet… – wir haben es nicht in der Hand.“
Dass sich seine Werke frei entfalten können, dafür hat der Künstler aus dem Ruhrgebiet selbst gesorgt, akribisch montierte er ihre Aufhängungen an sehr leichtlaufende, ziemlich teure Kugellager. Damit die Farben kräftig und in den feinsten Differenzierungen zugleich spielen, ließ er die Kunstharzwände auf einer Seite mit Quarz bedampfen und auf der anderen mit einer feinen reflektierenden Folie bekleben. So bricht und fängt sich das Licht in Schichten und erleuchtet das Kreuz scheinbar von innen.
Eine derartige sakrale Skulptur hat die Würzburger Ärztin Anne Horvath vor sieben Jahren im Rheinland gesehen. Sie wollte solch ein Phänomen in eine Würzburger Kirche holen. Vor gut drei Jahren besuchte sie darum Hinse in seinem Atelier in Recklinghausen. Nun hat allerdings der Künstler zu seiner Kunst ein recht persönliches Verhältnis. Nicht nur „vermietet“ er seine Lichtkreuze nicht. Er schaut sich auch vorher die Räume, in denen sie hängen sollen, genau an, entwickelt Konzepte, braucht Vertrauen zu den Leuten, die an den meist denkmalgeschützten Ausstellungsorten für die Befestigung sorgen. Kurz: Hinse beschied seiner fränkischen Anhängerin, für eine einzige Kreuzes-Installation sei der Aufwand zu groß.
Das aber hielt Horvath nicht von ihrem Wunsch ab. Sie machte sich auf die Suche nach einem Veranstalter für umfassendere Aktivitäten. Fündig wurde sie in der katholischen Citypastoral. Und so wuchs der Plan auf vier Großkreuze an. Doch da bremste Hinse seinerseits. Er hatte nur noch ein Exemplar. Hätte also extra drei weitere herstellen lassen müsse und einen derart großen Auftrag nicht vorfinanzieren können. Da halfen die Würzburger bei der Vorkasse.
Das hatte zur Folge, dass am Rosenmontag drei werkstattneue Lichtkreuze Würzburg erreichten – samt einer Reihe kleinerer Exponate. Ludger Hinse, humorvoller Katholik: „Da haben die Würzburger Pfarrer was zu tun, die Kreuze müssen alle noch geweiht werden.“
Der erste, der dies übernahm, war Dompfarrer Dr. Jürgen Vorndran bei der Anlieferung in der neoromanischen Adalbero-Kirche. Während er die Handlung vorbereitete, wurde das Kreuz versehen mit Stahlseilen einen ersten Meter zur Decke hinaufgezogen. Vorndran: „Jetzt wird das Kreuz zum religiösen Zeichen, indem es Jesus übereignet wird.“
Mit Weihwassersprenkeln auf der glänzenden Oberfläche stieg das Kunstwerk dann weiter in die Höhe auf, 56 Kilo schwer und damit ein Leichtgewicht verglichen mit der Schiestl'schen Holzarbeit, die sonst hier hängt. Aber 56 Kilo können auch an ihren Seilen zerren. Und Hinses Sorge um Sicherheit hat seinen Grund. Einmal hatten ihm„sogenannte Professionelle“ versichert, die provisorische Verankerung in einem romanischen Gewölbe halte. Dann zerschellte der gute Zentner Kunstharz einen knappen Meter vor dem Prediger auf dem Kirchenboden. In Würzburg sind die Kuppeln von Stift Haug und Neumünster „äußerst kritisch“, weiß Hinse. Und hat die Kletterarbeiten hierzulande einem Team von Veranstaltungs- und Bühnentechniken überantwortet, das schon für den Zirkus gearbeitet hat.
Doch nicht jedem gefallen die Lichtkreuze im Gotteshaus: Ein paar Geistliche haben aus theologischen Gründen ein gespanntes Verhältnis zu Hinses Werken. Sie sind ihnen zu optimistisch, zu sehr ein Zeichen der Freude und nicht des Opfertodes Christi. „Manche haben sich“, erzählt der Künstler, „geweigert, unter einem Lichtkreuz die Messe zu lesen.
“ Initiatorin Horvath hingegen findet gerade „das Positive, Hoffnungsvolle faszinierend – in der Fastenzeit wegzukommen von Tod, Trauer und Leid“.
Hinse seinerseits empfand weder aus statischen noch aus theologischen Gründen die künstlerische Arbeit in St. Michael als „schwierig“. Den Raum der Jesuitenkirche an der Alten Universität beherrschen die eigenwilligen Alabasterplastiken Heinrich Gerhard Bückers, die ein Würzburger Kulturverwalter einst kommentierte: „Die Halbwertzeit für sakrale Kunst wird immer kürzer.“
Ludger Hinse nahm die Herausforderung an. Und wenn es wie bei der Montage seines Werkes in St. Adalbero in den Muskeln zerrt, sagt er: „Kunst für Arme.“
Neues Licht mit Ludger Hinse
Ausgestellt wird in den Würzburger Kirchen Augustinerkirche, Franziskanerkirche, Juliusspital, Marienkapelle, Neumünster, St. Adalbero, St. Gertraud, St. Michael, Stift Haug und in der Bahnhofsmission.
Eröffnung: Samstag, 13. Februar, 11 Uhr, in der Augustinerkirche.
Dreimal geht der Lichtkreuz-Schöpfer Ludger Hinse in sechs Stunden zu allen Stationen seiner Ausstellung „Neues Licht“, die bis Ostermontag zu sehen ist. Gleich an diesem Sonntag, 14. Februar, macht er eine Kurzführung: ab 14 Uhr von der Bahnhofsmission über Stift Haug und Augustinerkirche in Neumünster. Über das Begleitprogramm ist ein 26-seitiges Heft erschienen. Internet: www.neues-licht-wuerzburg.de.