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HETTSTADT
Hettstadter Windrad-Streit drehte erneut eine Runde vor Gericht
Herbert Ehehalt
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:04 Uhr

In mündlicher Verhandlung hat die 4. Kammer des Verwaltungsgericht Würzburg der Klage der Gut Terra Nova GmbH gegen die immissionsrechtliche Genehmigung einer Windkraftanlage und der Aufhebung dieser Genehmigung stattgegeben. Damit sind alle Bescheide zum Bau und Betrieb der Windkraftanlage der Firma BayWa r.e. auf Hettstadter Gemarkung in Nähe zu dem von Anhängern der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben (UL) bewirtschafteten Gut Terra Nova aufgehoben.

Als wesentliche Gründe für die Entscheidung führte der Vorsitzende in seiner mündlichen Stellungnahme zu dem noch nicht rechtskräftigen Urteil unter anderem eine unzureichende Umweltverträglichkeitsstudie sowie einer nicht ausreichend nachgekommenen Dokumentationspflicht der Prüfungsabläufe im Genehmigungsverfahren durch das Landratsamt Würzburg an.

Weder habe es eine standortbezogene Vorprüfung gegeben, noch seien Umweltverbände und Bund für Vogelschutz am Genehmigungsverfahren zum Bau der Windenergieanlage der BayWa r.e. an der „Kühruh“ auf Hettstadter Gemarkung in unmittelbarer Nähe zum Gut Terra Nova beteiligt gewesen. Darüber hinaus habe die Verschiebung des Standorts der Anlage zur Grundstücksgrenze hin zu einer Verschärfung der Abstandsflächenproblematik geführt. Diese gegebenen Sachverhalte bezeichnete der Vorsitzende als „gravierende Fehler“. Mit dem Urteil bestätigte die Kammer ihre bereits im Eilverfahren geäußerte Auffassung zum Bau der Anlage.

Dem Hauptsacheverfahren waren bereits mehrere Verfahren vorausgegangen. Dem von Gut Terra Nova angestrebten Eilverfahren gegen den Baubeginn folgte die Rechtsbeschwerde der BayWa r.e. beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Dabei erlaubten die Richter des 22. Senats der BayWa r.e. die Wiederaufnahme der Bautätigkeiten. In der Folge wurden im Januar dieses Jahres die Rotorblätter montiert und die Anlage in Betrieb genommen. Unter anderem hatte das Gut Terra Nova seinen Widerspruch mit der Gefahr von Eiswurf, und dadurch eine Gefährdung seiner Mitarbeiter auf der angrenzenden Obstanlage begründet.

Nach Auffassung von Kläger-Anwalt Dominik Storr seien bereits bei der Aufstellung des Flächennutzungsplans entscheidende Fehler begangen worden. Vor allem sei im Rahmen der Genehmigungsplanung trotz geänderten Standorts der Anlage die Artenvielfalt innerhalb des angrenzenden FFH-Gebiets und des darin enthaltenen Biotop-Verbundsystems gänzlich unberücksichtigt geblieben. Seine Ausführungen zum Sachverhalt während des Hauptsacheverfahrens untermauerte Storr mit der Übergabe von 22 000 Unterstützerunterschriften aus 79 Ländern gegen den Bau der Anlage.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens seien darüber hinaus private und öffentliche Interessen wie die Trinkwasserversorgung vollkommen außer Acht gelassen worden, bemängelte Storr.

Ihren Antrag auf Ablehnung der Klage hatte Eva-Maria Löffler, Leiterin des Umweltamtes am Landratsamt Würzburg mit „für ausreichend empfundene Gutachten und Unterlagen“ begründet. Entgegen der Auffassung der Klägerseite sei eine ausreichende Abwägung aller Belange im Verlauf des Genehmigungsverfahrens erfolgt, sagte Löffler. Für Betreiberfirma zeigte sich Rechtsanwalt Christian Wenzel überzeugt davon, dass das „Landratsamt ohne Fehler entschieden“ habe. Für das Gericht stellte sich jedoch die Frage, was das Landratsamt im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu prüfen hatte. Diesbezüglich monierte der Vorsitzende „fehlende Dokumentationen von Überprüfungen.“

Bis zur schriftlichen Begründung bedeutet das jetzige Urteil laut der Vorsitzenden Richterin am Verwaltungsgericht Würzburg, Monika Kolenda, die Aufhebung aller Bescheide zum Bau und Betrieb der Windkraftanlage. Aber:„Die Baugenehmigung hat bis dahin formalrechtlich weiterhin Gültigkeit.“ Was bedeutet, dass die Anlage zunächst weiterlaufen darf. Für die Klägerseite kündigten die Rechtsanwälte Dominik Storr und Hans-Christoph Schwarz an, unter Umständen das Bundesverwaltungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof bemühen zu wollen. Zudem kündigten sie „die Prüfung der Erfolgsaussichten neuer Eilanträge an, damit die Anlage bis zur Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg keinen Schaden an Mensch und Tier verursachen kann.“

Nach Auffassung der BayWa r.e. fußt das Urteil zur Aufhebung der Bescheide „alleine auf den Themen baurechtlicher Abstandsflächen und Umweltverträglichkeitsprüfung und somit auf rein formalen, nicht auf inhaltlichen Aspekten des Genehmigungsantrags der BayWa r.e. und der zugrunde liegenden umfassenden Gutachten.“ Als Betreiberin der Anlage und als am Verfahren Beteiligte könnte sie nach Vorlage der schriftlichen Urteilsbegründung, erneut Berufung einlegen.

 
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