
"Eigentlich ist es ein Wunder, dass das Haus noch nicht eingestürzt ist", sagt Beatrice Guttenberger. Die Ochsenfurterin steht in der Brückenstraße, direkt hinter ihr ein historisches Gebäude, das völlig hinter einem Gerüst, Bauzäunen und Netzen verschwunden ist. Dass es sich in keinem guten Zustand befindet, ist trotzdem auf den ersten Blick zu erkennen. Jahrzehntelang sei das Haus mehr und mehr heruntergekommen, sagt Guttenberger. "Das war für mich schwierig, mit anzuschauen." Deshalb habe sie sich ein Herz gefasst und beschlossen, das Gebäude vor dem Verfall zu retten.
Erst im Inneren wird deutlich, wie sehr der Zahn der Zeit wirklich an dem Bau aus dem 14. Jahrhundert genagt hat. "Es ist eine absolute Katastrophe", sagt Architekt Friedrich Staib. Ohne Eisenstützen, die die Decken abstützen, wäre es viel zu gefährlich, das Haus zu betreten. Denn es sei einsturzgefährdet.
In drei Jahren soll die Sanierung abgeschlossen sein
"Das Haus wurde im Mittelalter gebaut. In der Renaissance und im Barock haben die Bewohner dann versucht, es zu modernisieren", sagt Staib. Doch das sei nicht immer gut gegangen. Im Erdgeschoss etwa verlaufe ein tragender Balken ins Nichts. Im ersten Stock sei ein Versuch, die Deckenhöhe zu verändern, misslungen und infolgedessen eine Wand abgesackt. Für die Statik durchaus problematisch.
Doch damit hören die Probleme nicht auf. Ohne intaktes Dach seien die Balken im Obergeschoss teilweise verrottet und morsch, wie Staib erklärt. "Hier ist das Wasser bei jeden Regen reingelaufen bis in den Keller." Mittlerweile verhindert das übergangsweise eine Plane, die über das Dach gelegt wurde.

In drei Jahren soll von alledem nichts mehr zusehen sein. Wenn es nach dem Architekten und der Besitzerin geht, sind die Sanierungsarbeiten dann abgeschlossen und das Haus einzugsbereit. "Das Projekt ist ein bisschen verrückt, aber es liegt mir einfach am Herzen", sagt Guttenberger. Für sie sei es schwierig mitanzusehen, dass über die Jahre immer mehr Geschäfte aus der Altstadt Ochsenfurts verschwunden sind, Leerstand um sich greift, Häuser verfallen.
Friedrich Staib sei es zu verdanken, dass sie sich der Herausforderung, die Komplettsanierung anzugehen, überhaupt gewachsen fühle, sagt Guttenberger. Denn mit dem denkmalerfahrenen Architekt aus Sommerhausen hat die Apothekerin vor einigen Jahren schon ein anderes Projekt umgesetzt: die Sanierung der Ratsapotheke.
Mieter hat Beatrice Guttenberger bereits gefunden
Dass für das Haus in der Brückenstraße – in dem sich bis vor einigen Jahrzehnten eine Schreinerei befunden hat – ein Käufer oder eine Käuferin gesucht wurde, habe sie zufällig durch eine Annonce im Internet erfahren, sagt die Ochsenfurterin: "Eigentlich wollte ich das Haus gar nicht haben." Trotz ihres großen Interesses für historische Gebäude hätte sie das in der Brückenstraße einem geeigneten Interessenten gerne überlassen, sagt sie. Doch der habe sich nicht gefunden. "Ein Preis von 30.000 Euro verleitet leider Menschen zum Kauf, die gar keine Chance haben, eine Sanierung zu stemmen. Familien zum Beispiel, die denken, sie kaufen im Baumarkt für 10.000 Euro Materialien und können dann hier einziehen", sagt die Geschäftsfrau.

Ihr sei auch bewusst gewesen, dass es nicht einfach sei, für ein solches Haus Mieter zu finden. In diesem Fall hat es geklappt. Ist die Sanierung abgeschlossen, werde die Steuerberatung Bachmann & Holley, die ihre Räume momentan noch in der Tückelhäuser Straße hat, einziehen, kündigt Guttenberger an. Auf den knapp 300 Quadratmetern sollen dann Büroräume entstanden sein.
Teamarbeit mit dem Denkmalpfleger
"Die Raumaufteilung soll so bleiben, wie sie ist", sagt Architekt Staib. Lediglich im Dachgeschoss ist diesbezüglich ein größerer Eingriff geplant. Laut Staib soll hier eine Art Galerie entstehen, damit Licht von den Dachfenstern bis in den ersten Stock fallen könne.
Den Faktor Denkmalschutz empfinden weder Staib noch Guttenberger als einen limitierenden Faktor. "Ich käme sowieso nicht auf die Idee, in ein altes Haus Kunststofffenster einbauen zu lassen. Mir ging es immer ums Erhalten", sagt die Apothekerin. Besonders im Erdgeschoss sei auch diesmal das Ziel, möglichst nahe an den früheren Zustand heranzukommen. Auch Staib spricht von Teamarbeit mit dem Denkmalpfleger.

Mit Aufräumarbeiten und der Notsicherung des Gebäudes wurde bereits vor Weihnachten begonnen. Frühere Befunduntersuchungen, die Grundkenntnisse über das Baudenkmal verschaffen sollen, wurden laut Staib bereits auf den neuesten Stand gebracht.
Kein billiges Unterfangen
Den aktuellen Abschnitt bezeichnet der Architekt als "Phase des Entwurfs". Es gehe darum, Entscheidungen zu treffen, wie es mit dem Gebäude weitergehen soll. Ein Beispiel: Sollen die stark renovierungsbedürftigen barocken Stuckdecken im Obergeschoss gerettet werden oder nicht? Geklärt ist die Frage noch nicht. Im nächsten Schritt gehe es darum, ein Baugesuch zu stellen und parallel mit Erlaubnis der Behörden bereits erste Reparaturen an tragenden Teilen und dem Dach vorzunehmen, sagt der Architekt.
Ein billiges Unterfangen ist es nicht, ein Haus wie das in der Brückenstraße herzurichten. Die Kosten ließen sich grob mit dem Neubau zweier Einfamilienhäuser vergleichen, sagt Friedrich Staib. Fördermittel können ihm zufolge nur einen kleinen Teil der Kosten decken. Am Ende sei das Sanierungsprojekt eine emotionale Angelegenheit, betont Guttenberger, keine Investition, um Gewinn zu erzielen. "Ich möchte einfach etwas dazu beitragen, damit die Altstadt in Ochsenfurt lebendig bleibt", sagt sie. Das Haus sei eben ein Herzensprojekt.