An diesem Donnerstag wird der Natur- und Menschenfreund Helmut Försch 85 Jahre alt, ein Weltverbesserer mit großem Herzen und großer Wut.
Försch hat sein Leben lang gekämpft: gegen Wiederbewaffnung und Atomkraft, für Natur- und Umweltschutz, gegen Nazis, für Frieden und Demokratie. Er ist gegen die Verschandelung Würzburgs ins Feld gezogen, für eine kindgerechte Stadt, und ganz besonders für seinen Heimatstadtteil Grombühl. Er beschreibt sein Tun mit Abstand zu sich selbst: „Wo man gemerkt hat, da muss man was machen, da stinkt's, da hat man eben reingestürt.“ Was so viel heißt wie: Da mischt er sich ein.
Er tut das nicht eifernd und nicht als Lautsprecher, aber als Arbeiter im Hintergrund. Er setzt in Gang, sucht Mitstreiter, organisiert Mittel und schafft. 57 Jahre lang arbeitete er im Würzburger Vorstand der SPD-nahen Naturfreunde. Von 1999 bis 2002 war er Mitglied des Stadtrates. Er gründete mit dem Pazifisten Franz Rauhut die „Internationale der Kriegsdienstgegner“, mit Benita Stolz von den Grünen die „Aktion Stolpersteine“ und mit Heinrich Weppert die Geschichtswerkstatt.
Lachfalten und Schnauzbart
Försch, freundliches Gesicht, braun gebrannt, Lachfalten, weißer Schnauzbart, wacher und forschender Blick, kann die Liebenswürdigkeit in Person sein. Er hat ein Herz, groß wie ein Bahnhof, wenn es um Geplagte, Benachteiligte, Unterdrückte geht. Ein Pazifist sei er, sagt er, er habe nie nach großen Zielen gestrebt. Was er getan habe, sei vom Wunsch getragen gewesen, „das Beste für die Nächsten, die Umgebung“ zu erreichen, „für alle, die in einer ähnlichen Lage sind wie ich“. Für jene allerdings, „die mit Geld umeinanderschmeißen können“, für die denke er nicht mit.
Försch hat Vorbilder: Schon seine Eltern waren Mitglied bei den Naturfreunden, ihr Freundeskreis bestand aus Leuten aus der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung. Vater Fritz, ein selbstständiger Polsterer und Tapezierer, hat die Nazis gehasst. Und da sind Leute wie der Revolutionär, Journalist und Nazi-Gegner Felix Fechenbach; Förschs Verdienst ist unter anderem, dass das Stadtteilzentrum Grombühl nach diesem mutigen Mann benannt wurde.
Als Zehnjähriger kam Försch in den Besitz eines verbotenen Schatzes: 200 Bücher von Autoren wie Kurt Tucholsky, Erich Kästner oder Oskar Maria Graf, allesamt Schriftsteller, deren Werke von den Nazis verbrannt wurden. Försch erzählt heute noch von der Faszination, die ihn als Zehnjährigen bei der Lektüre von Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ packte.
Dann holten ihn die Nazis, erst ins Jungvolk und, als er 14 Jahre alt geworden war, in die Hitlerjugend. Er hat mitgemacht, aber er habe sie, sagt er, nicht gemocht. Am 16. März 1945, er war 16, wurde sein Elternhaus zerbombt. Der „große Schock“, berichtet er, kam nach dem Kriegsende, als er die Bilder aus den Konzentrationslagern sah. Da habe er den emotionalen Schub bekommen, der sein späteres Tun bestimmte.
Er fühlt eine Schuld, weniger eine persönliche, mehr, weil er, so sagt er, „ein Teil dieses deutschen Volkes“ ist. Er schäme sich, „wenn irgendjemand gegen Juden oder gegen andere, gegen Schwarze oder Ausländer etwas Unanständiges sagt.“ Ob er sich schäme, weil er Deutscher ist, oder „weil wir es nicht fertig gebracht haben, dass solche Leute ihr Maul halten“, das wisse er nicht so genau.
Dieser freundliche alte Herr kann außerordentlich giftig werden; er ist ein brodelnder Vulkan. Manchmal, in Leserbriefen oder auf seiner Website foersch.de, berichtet er von seiner Wut. Die könne er, etwa beim Anblick massenweise weggeworfener Lebensmittel, „nur mit großer Energie im Zaum halten – denn da möchte ich am liebsten dreinschlagen, dass es nur so fetzt.“ Er ist so frei und geradeheraus, dass es Leute gibt, die strikt verneinen, dass er liebenswürdig sei. Er ist eigen und lässt sich nicht vereinnahmen. Försch ist ein Linker, aber in seinem Beruf als Reprofotograf fälschte er Pässe für DDR-Bürger, die flüchten wollten.
Und ist er ein Mensch mit großer Demut. Er erkennt die Not und die Leistung der anderen, weil er sich nicht über sie stellt. Er macht kein Aufhebens um sich und das, was er tut. Wenn Försch über sich selbst spricht, dann erzählt er aus seiner Kindheit in seinem geliebten Grombühl. Dass ihn, der bei der Hitlerjugend mitlief, damalige Freunde, Juden, im vergangenen Jahr mit offenen Armen wieder aufnahmen, berührt ihn zutiefst; diesen Moment beschreibt er als einen der schönsten seines Lebens.