Im Baumarkt gelten die Verkäufer als scheue Geschöpfe. Selten sind sie zwischen hohen Regalwänden zu erspähen. Pirscht man sich als Hilfesuchender doch mal erfolgreich an einen Ansprechpartner an, gilt man als Störenfried in der Servicehölle. Das höchste der Gefühle ist dann ein genervtes Grummeln als Antwort. So besagt es zumindest ein gängiges Klischee. Demnach müssten die beschriebenen Zustände am Samstag besonders schlimm sein, denn dieser Tag ist im Baumarkt derjenige mit den meisten Besuchern.
Dass solche Vorurteile nicht immer der Wirklichkeit entsprechen, zeigt sich an einem Samstagnachmittag in einem Würzburger Baumarkt. „Insbesondere am Samstag sind wir nur für die Kunden da“, sagt Hornbach-Verkäufer Albert Neumüller. Dies ist angesichts des weit verbreiteten Baumarkt-Klischees eine kühne Aussage, doch hält sie einer unmittelbaren Überprüfung stand. In gut jedem zweiten Gang ist ein Mitarbeiter dabei, Heimwerker zu beraten, ihnen den Weg zu erklären oder einfach nur zu fragen: „Wie kann ich helfen?“
Zeit für Kunden freihalten
Zwar gebe es auch Samstage, an denen es so voll sei, dass man nicht alle Kunden ausführlich beraten könne, gibt Neumüller zu. Aber die Baumarkt-Mitarbeiter seien angewiesen, sich diesen speziellen Wochentag von anderen Aufgaben wie dem Einsortieren von Waren freizuhalten.
Im Schnitt seien an einem Samstag etwa doppelt so viele Kunden auf der Suche nach Bohrmaschinen, Steckdosen, Farbeimern und Co., bestätigt Hornbach-Sprecher Florian Preuß. „Der Samstag ist der wichtigste Verkaufstag. Das macht sich schon ab Freitagnachmittag bemerkbar.“ Der Geschäftsführer des Handelsverbands Heimwerken, Bauen und Garten (BHB), Peter Wüst, hat konkrete Zahlen zu der Branche: „Der Umsatzanteil des Freitags am Wochenumsatz beträgt rund 20 Prozent, am Samstag liegt er bei etwa 18 Prozent.“ Insbesondere nutzten Familien das Wochenende zur gemeinsamen Auswahl von Möbeln und eher designorientierter Produkte wie Farben, so Wüst.
Baumärkte stellen sich auf Wochenendkunden ein
Die Baumärkte stellen sich daher speziell auf die Anforderungen der Wochenendkunden ein. Abgesehen von sich bereithaltendem Personal gibt es am Wochenende auch Workshops, in denen die Mitarbeiter interessierten Besuchern handwerkliche Fertigkeiten zeigen. Der Beratungsbedarf sei höher als unter der Woche:„Die Kunden wollen sich auch Anregungen holen und sich gründlich informieren“, weiß Preuß.
Ähnliches erzählt Daniela Bluhm von der Baumarktkette Toom: „Gerade an den frequenzstärkeren Tagen – vor allem den Samstagen – ist es wichtig, die Kunden zum Selbermachen zu motivieren und ihnen Tipps für die Umsetzung zu geben.“ Daher gebe es auch bei dieser Kette spezielle Samstagsaktionen.
Nicht verwunderlich also, dass an diesem sonnigen Samstag allerhand Familien, Pärchen oder Väter-und-Sohn-Duos durch den Baumarkt in Würzburg-Lengfeld schlendern. So sucht etwa der kleine Markus mit seinem Vater nach Winkeln. „Wir wollen mein Hochbett ausbauen, damit man es vergrößern kann“, erzählt der Junge. Auch eine Hoch- und Runterfahr-Funktion fände er für sein Hochbett toll, doch Vater Justus zweifelt, ob das realisierbar ist. Jedenfalls ist der Baumarkt-Besuch an diesem Tag der erste Schritt zum neuen Luxus-Hochbett.
Gehört der Samstag ausschließlich Heimwerkern wie Markus und seinem Vater, zeigt sich unter der Woche ein anderes Bild, erzählt Preuß. Dann seien vermehrt auch professionelle Handwerker dort einkaufen. Dieses Besuchermuster zeige sich noch deutlicher im Baustoffhandel, erklärt BayWa-Sprecherin Sarah Pfister. „Während sich unter der Woche das Handwerk mit Baustoffen für deren Baustellen versorgt und sich beraten lässt, wird der Samstag vor allem von Privatkunden genutzt.“ Daher sei im Baustoffhandel der Samstag nicht der umsatzstärkste, aber der beratungsintensivste Tag, so die Sprecherin.
Lust der Deutschen am Heimwerken
Auch hier gebe es am Samstag spezielle Aktionen. Mit dieser Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse versuchen die Baumärkte, sich in dem umkämpften Marktumfeld zu behaupten. Sie wollen nicht das gleiche Schicksal wie das der inzwischen vom Markt verschwundenen Praktiker-Kette erleiden. Denn längst haben auch andere Handelsbranchen die Lust der Deutschen am Heimwerken entdeckt und bieten selbst Baumarkt-typische Waren wie Werkzeug an. „Das Wettbewerbsumfeld ist anspruchsvoll. Bestimmte Produkte werden seit vielen Jahren auch im Lebensmitteleinzelhandel inklusive der Discounter angeboten“, sagt BHB-Geschäftsführer Wüst.
Daher beobachtet die Branche stets neue Umsatzbringer. Aktuell im Trend seien Themen wie barrierefreies Wohnen oder so genannte Smart Homes, in denen die Geräte untereinander vernetzt sind und automatisiert die Wünsche des Hausbewohners erfüllen, sagt Wüst. „Auch das stärkere Nachhaltigkeitsdenken der Baumarktkunden fördert die Branchenentwicklung.“ Zudem nehme das Online-Geschäft und die Nachfrage nach Informationen im Internet stetig zu.
Während die Heimwerker in den Baumarkt in Würzburg-Lengfeld strömen, herrscht auf dem Nachbargrundstück derweil selige Ruhe. Auch hier war einst am Samstag Hochbetrieb – bis die Baumarktkette Praktiker Insolvenz anmeldete und den Markt im Oktober 2013 schloss. Seitdem erobert sich die Natur das Gelände zurück. Büsche wachsen auf dem Parkplatz, das verriegelte Gebäude steht leer, die blauen Firmenschilder verbleichen in der Sonne. Hier findet man trotz intensivster Suche nun wirklich keinen Baumarkt-Mitarbeiter mehr.