
"Imperative Stimmen" haben einem 24-Jährigen im Juni 2018 befohlen: "Jetzt reicht's, fackel die Hütte ab!" Also führte er eine Explosion im Keller seines Elternhauses in Himmelstadt (Lkr. Main-Spessart) herbei, die das Haus zerstörte sowie Mutter, Vater, Bruder und ihn selbst verletzte. "Es gibt keine Möglichkeit, dies zu überprüfen", erklärte Professor Hans-Peter Volz aus Werneck als Gutachter. "Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass die Angaben stimmen." Das Landgericht Würzburg sah es ebenso und ordnete am Donnerstag die Unterbringung des an paranoider Schizophrenie leidenden jungen Mannes in einer psychiatrischen Klinik an.
Wenige Tage nach der Explosion im Juni 2018 hatte seine Mutter gegenüber dieser Redaktion noch gesagt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Sohn das getan hat." Der damals 23-Jährige war gleich in den Mittelpunkt der Ermittlungen gerückt. Er hatte großflächige Verbrennungen erlitten und war vom Krankenhaus direkt in Untersuchungshaft gebracht worden. Der Kontakt zur Familie wurde damals strikt untersagt. In den Verhandlungspausen am Donnerstag lachte die Familie wieder miteinander; die Mutter nahm ihren Sohn in den Arm. Daran, dass er für die Zerstörung des Hauses verantwortlich war, bestand kein Zweifel mehr. Allerdings war er dabei laut Gutachten und auch nach Ansicht von Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht nicht schuldfähig.
20 Minuten vor der Explosion hatte er Benzin gekauft
Mehrere Polizisten sagten vor Gericht zu ihren Ermittlungsergebnissen aus und rekonstruierten den Tathergang. Ausgangspunkt der Explosion war einer von zwei Kellerräumen des eingeschossigen Wohnhauses. Dort übergoss der junge Mann diverse Kleidungsstücke mit Benzin und benutzte ein Feuerzeug. Weil es im Keller an Luft fehlte, kam es nicht zu offenen Flammen, sondern zu einer heftigen Verpuffung. Eine Hauswand stürzte ein, durch den Küchenboden brach der Vater in den Keller; ein Holzbalken krachte auf die Mutter im Wohnzimmer, ihr Schlüsselbein brach. Der jüngere Bruder befand sich zum Explosionszeitpunkt im ersten Stock und erlitt nur Schürfwunden und Kratzer.

Die Ermittler fanden heraus, dass der Tatverdächtige um 17.43 Uhr an einer nahe gelegenen Tankstelle für 16 Euro Benzin gekauft hatte. Etwa 20 Minuten später fand die Explosion statt. Das Haus musste abgerissen werden, es entstand ein Gebäudeschaden von rund 200 000 Euro. Der zerstörte Hausrat war rund 75 000 Euro wert. Ein Motiv für die Tat fanden die Ermittler damals nicht.
Aus der Untersuchungshaft kam der Mann gegen Jahresende ins Bezirkskrankenhaus Lohr. Schon bei den ersten Vernehmungen war er durch "unangemessenes, freches Verhalten" aufgefallen; der Verdacht auf Schizophrenie war bei den Ärzten aufgekommen. Das vor Gericht vorgetragene Gutachten von Professor Hans-Peter Volz war zentral für die Entscheidung zur weiteren Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.
Gutachter: Lehrbuchhafter Verlauf einer Psychose
Im Gerichtssaal fragte er den Beschuldigten, ob er schon einmal vor der Tat Stimmen gehört hatte. "Ja, hin und wieder", lautete die Antwort. Auch jetzt höre er sie trotz Medikation noch ab und zu. Sie sagten aggressive Dinge gegenüber den Mitinsassen im Bezirkskrankenhaus. Ob die Stimme männlich oder weiblich sei, könne er nicht mit Bestimmtheit sagen. "Das ist geradezu eine – Entschuldigung, wenn das ungewöhnlich klingt – lehrbuchhafte Entwicklung einer Psychose", urteilte Volz. Kurze, psychotische Episoden, die an- und abklingen, entwickelten sich zu einer dauerhaften Psychose.

Im Untersuchungsgespräch sei es dem jungen Mann schwer gefallen, sich zu konzentrieren. Seine Schilderung der imperativen Stimmen sei glaubhaft, er sei nicht steuerungsfähig und deshalb schuldunfähig gewesen. Seine Diagnose lautete auf paranoide Schizophrenie mit psychotischer Störung. Ohne Behandlung bestünde die hohe Wahrscheinlichkeit einer neuerlichen Straftat. Obwohl der 24-Jährige gelegentlichen Drogenkonsum einräumte, stehe die Erkrankung nicht mit Drogen in Zusammenhang, so Volz. Sonst würde er nicht jetzt noch, nach Monaten ohne Drogenkonsum, Stimmen hören.
Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters sagte Volz, mit Medikamenten sollte der Mann symptomfrei werden können. Dann müsste man die Dosis so reduzieren, dass seine kognitive Leistung und sein Bewegungsablauf sich wieder normalisieren. Nach fünf Jahren medikamentöser Therapie sei an Absetzen der Medikamente, eine berufliche Ausbildung und soziale Integration zu denken. Volz bewertete die Einsicht des Mannes positiv.
"Es tut mir sehr leid, was passiert ist. Ich hoffe, dass alles wieder besser wird", sagte der 24-Jährige. Die Einweisung in eine psychiatrische Klinik ist nicht zeitlich befristet. Das Urteil ist rechtskräftig.