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ROTTENDORF
Hauptmann Küppers und das Krümelmonster
Mehr als 40 Orden sind es in dieser Session. Und der Orden des Veitshöchheimer Carnevals Club VCC liegt freilich obenauf. Rolf Herzel begeistert als Hauptmann Küppers sein Publikum und sammelt dabei Geld für eine gute Sache.
Foto: Thomas Obermeier | Mehr als 40 Orden sind es in dieser Session. Und der Orden des Veitshöchheimer Carnevals Club VCC liegt freilich obenauf.
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:33 Uhr

Rolf Herzel ist in Rage. Ein Telefonat bringt ihn ziemlich aus der Fassung. Er schimpft. Eine Viertelstunde später sitzt er mit Tränen in den Augen im Wohnzimmer. Der 53-Jährige spricht über behinderte Kinder, erzählt von ihrer Freude, auf einem Pferd sitzen zu dürfen, von ihrer Dankbarkeit, von ihrem Herzblut.

Wer dem Tierarzt Rolf Herzel näher kommt, der trifft auf einen Menschen, der einem auf Anhieb sympathisch ist oder den man nicht unbedingt zum Freund haben will. Herzel polarisiert. Im Privaten wie auch auf der Bühne. Ein Hitzeblitz, dem der Lehrer in der ersten Klasse ins Zeugnis schrieb, er sei jähzornig und ehrgeizig. Ein kleines Teufelchen, zu dem schon seine Mutter gesagt hat, „Dir wachsen noch mal Hörner“. Als Kind hat er dann tatsächlich auch in den Spiegel geguckt, ob aus seiner Stirn nicht zwei Hörner wachsen. Was sie natürlich nicht sind. „Ich bin aber schon ruhiger geworden“, sagt er und lacht herzhaft.

Rolf Herzel hat das Karnevalsgen

Auf der Bühne ist Rolf Herzel Hauptmann Küppers. Kein Büttenredner, der dumm daherredet. Sondern auf den Zeitgeist eingeht, sich nicht scheut, gesellschaftliche Entwicklungen anzuprangern. Hauptmann Küppers macht politisches Kabarett. Er polarisiert. Seine Fans sagen, er würde gut in die Kölner Stunksitzung passen. Andere würden ihn gerne bei „Fastnacht in Franken“ sehen.

Rolf Herzel ist im Badischen aufgewachsen. Die Mutter, eine Rheinländerin und Karnevalistin durch und durch, bringt ihren Sohn in Pforzheim auf die Welt. „Ich hab‘ den Fasching in den Genen.“ Es dauert aber eine Zeit bis aus dem jungen Herzel ein bühnentauglicher Narr wird. Erst kam der Spielmannszug, dann verschiedene Aufführungen in der Schule und Gitarrenunterricht. „Weil man mit Klavierspielen keine Mädels anbaggern kann.“ Irgendwann tauschte er dann Lagerfeuerromantik gegen Auftritte bei Geburtstagen und begann, „etwas Lustiges“ zu machen, weil sich damit ein paar Mark verdienen ließen.

Tiermedizin in München studiert

Mit 18 rief der Staat. Herzel wurde zum Wehrdienst eingezogen. Er erwischte es gut. Als Ordonnanz im Offizierskasino durfte er höhere Dienstgrade bedienen. Während der Grundausbildung lernte er Hauptmann Küppers kennen. „Der hieß tatsächlich so.“ Herzel begann seinen Vorgesetzten nachzuahmen. Parodiert ihn sogar öffentlich bei dessen Verabschiedung. Das sollte es aber erst einmal gewesen sein.

Nach der Bundeswehr studiert Herzel Tiermedizin in München. Wenn mal wieder Bier im Kühlschrank fehlte, ging er auf die Straße, packte die Gitarre aus und verdiente nicht schlecht. „Ich war ja auch ein geiler Typ.“ Zwischen 50 und 60 Mark in der Stunde waren da schon drin. Immerhin drei Kästen Bier für die WG.

Was es mit dem Schoppen am Grab von Richard Fuchs auf sich hat

1993 kam Rolf Herzel nach Rottendorf – und probierte sich aus. Als Gesangsparodist, Büttenredner, Tanzmariechen. „Ich hab‘alles Mögliche gemacht.“ 2001 lernte er seine Frau kennen. Seine Frau ist zugleich auch sein bester Fan. Sie darf die Büttenreden, die er zusammen mit seinem besten Freund Michael Junker verfasst, zuerst lesen. 

„Als ich damit das erste Mal aufgetreten bin, war das der Knaller.“ Er wird entdeckt. Richard Fuchs vom Veitshöchheimer Carnevals Club wird auf ihn aufmerksam. „Wo haben sie Dich denn die ganze Zeit versteckt? Du kommst jetzt nach Veitshöchheim und machst den Hauptmann – und nichts anderes.“

Herzel erinnert sich noch gut an dieses Gespräch mit Richard Fuchs. Die beiden werden Freunde. Echte Freunde. 2007 ist Fuchs verstorben. Seitdem besucht Rolf Herzel jedes Jahr an Silvester mit einem Bocksbeutel Silvaner sein Grab. Er trinkt einen Schluck auf seinen alten Freund und Entdecker. Den Rest vergießt er über der Erde. „Richard soll ja auch was davon haben.“ Dann erzählt er ihm seine Büttenrede und zum Abschied hängt er noch den VCC-Orden an den Grabstein.

Da ist sie wieder, die sentimentale Seite des Hitzkopfs, der genau weiß, wem er seinen Erfolg zu verdanken hat. „Ohne ihn wäre ich gar nicht so bekannt.“

Nach dem Auftritt geht der Hut rum

Blödelei und Ernsthaftigkeit – das gehört für Rolf Herzel zusammen. Nach seinen Auftritten lässt er den Hut rumgehen. Als sei es selbstverständlich bittet er das Publikum um eine Spende für seinen Verein, den Hauptmann Küppers e. V. und für die Mukoviszidose Station der Uniklinik Würzburg. Weil es ihn „ankotzt“, dass die Krankenkassen bei Mukoviszidose kein Vitamin E-bezahlen oder Patienten um Sauerstoffgeräte betteln müssen. „Es ist eine Schande, wenn behinderte oder kranke Menschen etwas nicht bekommen, was ihnen zusteht“, sagt er.

25 555 Euro sind bis Ende 2017 an Spenden zusammengekommen. Davon profitieren auch die Kinderhilfe Mbonda Lokito in Kinshasa und eine Reitinitiative für behinderte Kinder und erwachsene Sportler. Herzel selbst nimmt für seine Auftritte keine Gage.

Unterstützt wird er mittlerweile von der „Ersten Allgemeinen Verbindung zwischen Retzbach und Zellingen“ (EAVRZ), eine Gruppe aus Nachwuchsbüttenrednern, die auch nach ihrem Auftritt den Hut rumgehen lassen.

Zuhause in der Sesamstraße

Dann ist es genug Ernsthaftigkeit. Rolf Herzel setzt schnell das Barett auf, schlüpft in die Rolle des Hauptmanns und geht wild gestikulierend im Wohnzimmer umher. Gebückt, aber im Stechschritt. Küppers ist in Rage. Nichts für Kriegsdienstverweigerer! Oder doch? Auf jeden Fall. Rolf Herzel ist friedlich. Hauptmann Küppers rüstet ab. „Die Welt braucht etwas mehr Sesamstraße“, sagt er gechillt. Eine Miss Piggy, für die alles rosarot ist. Einen zappeligen Scooter, der alles cool macht. Einen Kermit, der alles besser weiß. Samson, den gemütlichen Bären und das Krümelmonster, für das Kekse essen zu den entscheidendsten Dingen des Lebens gehört.

Wer also auf Rolf Herzel trifft, begegnet einen Menschen, der authentisch und ehrlich ist – genauso wie die Sesamstraße.

„Die Welt braucht etwas mehr Sesamstraße.“
Rolf Herzel
In seiner Rolle als Hauptmann Küppers, wie bei der Prunksitzung in Estenfeld, kritisiert Rolf Herzel den Zeitgeist.
Foto: Guido Chuleck | In seiner Rolle als Hauptmann Küppers, wie bei der Prunksitzung in Estenfeld, kritisiert Rolf Herzel den Zeitgeist.
 
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