Kann das wirklich sein, dass ein Hanseate den Würzburger Hafen vermisst? Allerdings - wer so authentisch, nordisch-kühl die schwimmende Bühne am Würzburger Hafensommer betritt, dem möchte man die Wiedersehensfreude einfach abkaufen. Oder, um mit Kettcar-Worten zu sprechen: "In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung."
Vor fünf Jahren waren Kettcar zuletzt beim Hafensommer, und seitdem ist viel passiert in der Welt. Eine Steilvorlage für die Band, die sich mit Vorliebe den speziellen, eigentlich echten alltäglichen Themen widmet und Stellung bezieht, die gleichzeitig aber diesen ständigen journalistischen Interviewfragen, wie Musik die Welt- und Gesellschaftsthemen bewegen könne, mit einer Absage begegnet.
Je später der Abend, desto philosophischer die Songs
So auch an diesem Freitagabend, an dem sie, kurz vor einem Song über Homophobie im Fußball, noch einmal klarmachen, dass Musik keine Agenda hat, nichts (mehr) kann, als die Menschen durch ihre Kraft zusammenzubringen. So schlicht wie ergreifend.
Ob "Benzin und Kartoffelchips", "48 Sunden", "Balkon gegenüber", "Sommer 89" oder "Landungsbrücken raus" - sie spielen die Songs, nach denen sich ihr Stammpublikum - nach kurzem Sichtcheck durch Sänger und Gitarrist Marcus Wiebusch im Schnitt Ü35 - sehnt. Und irgendwie steht die Hoffnung und damit der Wunsch nach "Connecten", um in Wiebuschs Worten zu sprechen, an diesem Abend ganz groß unter dem orangen Dach des Heizkraftwerks am Würzburger Hafen.
Manchmal muss man dann einfach aktiv werden, denn "Liebe ist eben nicht, was man fühlt, sondern was man tut". Spürbar dann, wenn der Steg von Bühne zu Publikum spontan überwunden wird, um spätestes zu "Balu" in der Mitte des Publikums zu spielen, das bis dahin sowieso schon komplett steht.
Je später, desto philosophischer werden die Songs von Marcus Wiebusch und Erik Langer (beide Gesang und Gitarre), Reimer Burstoff (Bass, Gesang), Lars Wiebusch (Keyboard, Gesang) und Christian Harke (Schlagzeug) im hanseatischen Würzburg, und bevor das alles zu weichgespült wird, unterbricht Langer auch ungeniert, um seine Gitarre nachzustimmen, selbst wenn ihn dieser Fauxpas im Probenraum später nicht mehr loslassen wird - nordischer Pragmatismus eben.
Was nach rund 100 Minuten bleibt? Sollten Kettcar ein drittes Mal in den unterfränkischen Hafen kommen, würden sie sich einen schmalen Ausblick auf die Weinberge wünschen - selbst wenn das Leben laut Kettcar-Philosophie kein Wunschkonzert ist. Was wir bis dahin tun können? Kettcar würden meinen: "Mach immer, was dein Herz dir sagt."