Zwei junge Frauen, sympathisch und ausstrahlungsstark, bereit, sich Herausforderungen zu stellen, aber alles andere als blauäugig – so präsentierten sich Hannah Nagl und Kim Herrmann im Gespräch mit dieser Zeitung. Beide haben gerade das Abitur geschafft, Nagl am Gymnasium in Marktbreit, Herrmann am Wirtschafts-Gymnasium in Tauberbischofsheim. Und beide wollen studieren - aber nicht sofort!
„Zunächst möchte ich Auslandserfahrung sammeln“ – diesen Wunsch teilt Nagl mit vielen jungen Leuten, zumal sie wegen des G8 ein Jahr früher wissen müssen, wohin ihr Weg führen soll. In einem fremden Land zu leben, verbindet die Gaukönigshöferin mit sozialem Engagement für die Menschen vor Ort: In Juruti Velho, einem Dorf im Norden Brasiliens, das zur künftigen Würzburger Partner-Diözese Obidos gehört, wird sie ab September in einer Schwesternstation der katholischen Franziskanerinnen von Maria Stern arbeiten. Ihr voraussichtliches Aufgabengebiet ist die Kinder- und Jugendbetreuung in mehreren umliegenden Ortschaften.
Gegensätze
„Juruti Velho liegt an einem Amazonas-See im Landesinneren und ist nur mit dem Schiff erreichbar, die rund 2000 Einwohner sind überwiegend indianischstämmig“ – so beschreibt Nagl die Situation an ihrem Einsatzort. Wie häufig in Schwellenländern seien dort die sozialen Gegensätze sehr ausgeprägt, mit Armenvierteln als Brennpunkt. Die Kriminalitätsrate in diesem ländlichen Gebiet sei niedriger als in brasilianischen Großstädten, aber höher als in Europa.
Nagl hat Respekt vor dem, was sie erwartet, doch sie fühlt sich gut vorbereitet, auch dank der Einführungsseminare des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und der persönlichen Begleitung durch die zuständige Referentin Regina Roland. Zudem hat Nagl in den vergangenen Monaten brasilianisches Portugiesisch gelernt. Nach Juruti Velho geht sie im Übrigen nicht alleine, sondern gemeinsam mit einem weiteren Freiwilligen, Felix Derleth (Bad Kissingen), den sie aus den Vorbereitungskursen bereits kennt.
Auch Kim Herrmann hat mit dem Freiwilligendienst einen geeigneten Übergang gefunden zwischen Abitur und Studium. Sie hatte den Wunsch nach intensiven Erfahrungen, die über ein Freiwilliges Soziales Jahr in Deutschland hinausgehen. In Indien wird die Büttharderin ab Ende August in einem kirchlichen Krankenhaus mit angeschlossenem ambulantem Pflegedienst arbeiten, und zwar in Shevgoan. Die Stadt mit mehreren 10 000 Einwohnern liegt im Westen des Subkontinents, und zwar im Landesinneren, einige hundert Kilometer entfernt von der Küsten-Metropole Mumbai (Bombay).
„Indien hat mich schon in der Realschule fasziniert, die religiösen Feste, die Farbenpracht, das Essen mit Reis und Curry“, blickt Herrmann zurück. Doch bei Folklore blieb sie schon damals nicht stehen: Bereits als Jugendliche habe sie erkannt, dass ihr zukünftiges Einsatzland geprägt ist durch massive ethnische und religiöse Konflikte sowie durch extreme Armut großer Bevölkerungsteile.
„Manchmal werde ich als Europäerin in Indien wohl ein schlechtes Gewissen haben“, vermutet Herrmann. Zumal sie im Gegensatz zu Hannah Nagl ihren Freiwilligendienst alleine antritt. Eine neue Sprache lernen musste Herrmann dagegen nicht, denn am Einsatzort wird Englisch gesprochen.
Was haben die beiden Frauen vor, wenn sie im Sommer 2013 nach Deutschland zurückkehren werden? Hannah Nagl nennt als mögliche Studienfächer Sonderpädagogik oder Grundschul-Lehramt, während Kim Herrmann vorhat, sich in Medizin einzuschreiben. Ob als Lehrerin oder Ärztin: Die Erfahrungen im Weltfreiwilligendienst dürften in beiden Berufsfeldern eine menschliche wie fachliche Zusatz-Qualifikation darstellen, die auf keiner Hochschule erworben werden kann?
Kontakt: Das BDKJ-Referat Weltfreiwilligendienst ist zu erreichen unter Tel. (09 31) 386-6 31 45. Weitere Informationen gibt's unter www.bdkj-wuerzburg.de und www.weltwaerts.de im Internet.Internet-Blogs: Kim Herrmann und Hannah Nagl werden über ihre Erfahrungen im Weltfreiwilligendienst regelmäßig in persönlichen Blogs im Internet berichten: unter www.leben-in-indien.blogspot.de und unter www.jurutivelho.wordpress.com
Programm „Weltwärts“
Der zeitlich begrenzte freiwillige Dienst junger Menschen im Ausland, überwiegend in den der so genannten Dritten Welt, hat in Deutschland eine Jahrzehnte lange Tradition. Kirchliche und außerkirchliche Träger stellen Einsatz-Möglichkeiten zur Verfügung. Das 2008 vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eingerichtete Förderprogramm „Weltwärts“ bündelt dieses vielfältige Engagement als „Weltfreiwilligendienst“, der von den Entsendern nach einheitlichen Standards durchgeführt werden muss und staatlich bezuschusst wird. Dies bedeutet auch, dass ein solcher Auslandsdienst für die Freiwilligen mit vergleichsweise geringen Kosten verbunden ist. Sie erhalten ein Taschengeld, zudem werden unter anderem die Unterkunfts-, Verpflegungs- und Reisekosten übernommen sowie notwendige Impfungen und eine Auslands-Krankenversicherung. Vermittlungsgebühren oder Aufwandsentschädigungen dürfen von den Entsendern ausdrücklich nicht erhoben werden.
Der bei katholischen Trägern geleistete Weltfreiwilligendienst wird in der Diözese Würzburg seit 2008 durch den Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) koordiniert. Er ist die bistumsweite Dachorganisation der katholischen Jugendverbände, mit momentan zwölf Mitgliedsverbänden. Der BDKJ hat keine eigenen Einsatzstellen zur Verfügung, sondern vermittelt diese über seine kirchlichen Kooperationspartner. Dies sind beispielsweise das Referat Mission – Entwicklung – Frieden im Bischöflichen Ordinariat oder Ordensgemeinschaften wie die Missionsbenediktiner Münsterschwarzach oder die Franziskanerinnen von Maria Stern. Dabei knüpft der BDKJ nach Aussage der zuständigen Referentin Regina Roland an die langjährigen Erfahrungen seiner Partner an. „Dies gewährleistet die für den Freiwilligendienst unabdingbare kontinuierliche Kommunikation, Zuverlässigkeit und Qualität“, so Roland weiter.
Zu ihren Aufgaben gehört das Einführungsprogramm mit zwölf Kurstagen, beispielsweise zu den Themen Entwicklungspolitik und interkulturelles Lernen. Dabei bereitet sie die Freiwilligen auch auf die speziellen Gegebenheiten des jeweiligen Landes und Einsatzortes vor und reflektiert mit ihnen die persönliche Motivation für den Dienst. Während des Auslandsaufenthaltes bleibt Roland in Kontakt mit den jungen Leuten und mit ihren Einsatzstellen. Die Begleitung wird abgerundet durch ein fünftägiges Rückkehr-Seminar.