Für die Sparda-Bank Classic Night, das traditionelle Auftaktkonzerts des Hafensommers, gingen in diesem Jahr 7000 Bewerbungen ein – so viel wie noch nie. Für Kulturreferent Muchtar Al Ghusain, der das Sommerfestival am Alten Hafen vor genau zehn Jahren ins Leben gerufen hat, ist das ein Zeichen. Und eine Bestätigung: Dafür, dass der Hafensommer in Würzburg seine Berechtigung hat. Nach den organisatorischen und finanziellen Schwierigkeiten im vergangenen Jahr, heftigen Debatten im Stadtrat und der Trennung vom bisherigen Künstlerischen Leiter Jürgen Königer, startet der Hafensommer jetzt erfrischt ins elfte Jahr. Aber was eigentlich ist neu? Fragen an Muchtar Al Ghusain und Sybille Linke, die Leiterin des Fachbereichs Kultur der Stadt.
Herr Al Ghusain, wie viele Stadträte haben denn schon Dauerkarten gekauft oder bestellt?
Muchtar Al Ghusain: Ich prüfe das nicht nach und ich will auch die Unterstützung der Stadträte nicht an diesem Punkt festmachen. Es müssen sich nicht alle Stadträte dieses Festival zu ihrem ganz persönlichen Anliegen machen. Ein Grundverständnis sollte es sicher geben, und ein gelegentlicher Besuch wäre nicht schädlich. Das gibt uns immerhin Rückenwind auf andere Art.
Nach all den Diskussionen und In-Frage-Stellungen des vergangenen Jahres – spüren Sie dieses Jahr ein „Grundverständnis“?
Al Ghusain: Das wird sich spätestens in der Nachbetrachtung zeigen, wenn sich die Debatten dann wieder sehr stark auf die Zahlen fokussieren. Es gibt allerdings schon deswegen ein Grundverständnis, weil es sich ganz schlicht und einfach im Haushaltsplan ausdrückt, den der Stadtrat beschlossen hat. Da ist der Hafensommer mit einem Zuschuss in Höhe von 247 000 Euro ausgestattet. Einem Ansatz, der sich an der Realität der Vorjahre orientiert und hoffentlich nicht nach Festivalende wesentlich nachgesteuert werden muss. Etwas anderes ist die Unterstützung und die Sympathie für unsere Arbeit. Diese Unterstützung braucht es natürlich auch und die erfahren wir an vielen Stellen.
Wie war die Arbeit im neuen Team? Statt einem künstlerischen Leiter gibt es jetzt vier Programmmacher – wie funktioniert das?
Sibylle Linke: Das war ein sehr kollegialer und professioneller Austausch von Anfang an. Es gab eine Verständigung über die grundsätzliche Ausrichtung und unsere Vorstellungen im großen Kreis. Dann wurden die Rollen verteilt: Lutz Engelhardt und Basti Hofmann haben sich um die nationalen und internationalen Künstler und Bands gekümmert, Ralf Duggen und Antje Molz um die regionale Farbe mit neuen Ideen für passende Formate. Und alles immer in enger Absprache mit uns. Gleichzeitig haben wir einen großen Vertrauensvorschuss gegeben, weil wir überzeugt sind, dass wir ein sehr kompetentes Team haben.
Lutz Engelhardt, ein Musikagent und Festival-Macher aus Kassel, Basti Hofmann, Musikmanager aus Berlin – bringen die jetzt hier in Würzburg ihre Künstler unter?
Al Ghusain: Das ist in Ausnahmen der Fall. Zwar arbeiten die beiden oft über viele Jahre mit bestimmten Künstlern zusammen, doch mit denen allein ließe sich natürlich nicht dauerhaft ein Festival bestreiten, das würde sich schnell erschöpfen. Die überwiegende Zahl der Künstler kommt nicht aus ihren eigenen Agenturen. Dadurch, dass die beiden auch an anderen Orten Festivals veranstalten, ergeben sich aber wertvolle Synergie-Effekte. Bestimmte Programmpunkte, die uns wichtig waren für das Profil wie Migration Blues oder Maghreb Klänge, können sie nicht nur für unser Festival zusammenstellen. Sondern der Aufwand lohnt sich dann, wenn die Themenabende auch noch mal in Jena oder Kassel gespielt werden.
Plakate und Programmheft sehen aus wie immer, der Auftritt ist fast unverändert – was wird und soll ein Hafensommer-Stammgast an Neuem bemerken, spüren?
Linke: Beim Erscheinungsbild knüpfen wir an das bewährte, künstlerisch gestaltete Design, an. Der Hafensommer ist eine bekannte und profilierte Marke – das Festival muss man nicht komplett neu erfinden. Und wir haben neue Formate, die wir erproben wollen. Da lässt sich viel entdecken. Die Hafentour gibt dem Festival eine neue Facette hinzu. Dabei ist uns wichtig zu zeigen, dass das Kulturquartier sehr vielseitig ist: vom Museum im Kulturspeicher, über das Kabarett im Bockshorn, das Tanztheater Tanzspeicher, bis zu den Galerien vom BBK und Kunstverein.
Al Ghusain: Es war nicht das Ziel, das Programm grundsätzlich zu verändern. Wir wollten uns treu bleiben mit der Qualität des Festivals. Unser Ziel ist es, insgesamt verständlich und transparent zu kommunizieren. Und wir scheuen uns nicht, dass Wort „Fado“ zu benutzen wenn eine portugiesische Fadokünstlerin kommt, oder das Wort „Blues“ wenn Bluesmusiker auftreten, oder das Wort „Weltmusik“, wenn Künstler in ethnisch gemischt zusammengesetzten Bands spielen. Das hätten wir früher vielleicht etwas komplizierter ausgedrückt. Unsere Aufgabe ist es aber, Lust auf die Konzerte zu vermitteln und neugierig zu machen. Da darf man auch mal Begriffe benutzen, die für Insider eventuell etwas klischeehaft klingen.
Sie wollen Entdecker-Festival bleiben.
Al Ghusain: Das drückt sich schon darin aus, dass nahezu alle unsere bisherigen Partner wieder mit dabei sind. Weil sie gesehen haben: Ihr bleibt eurem Anspruch treu und macht jetzt nicht alles billiger, kommerzieller, trivialer.
So einen ganz großen Namen wie 2016 Hubert von Goisern, bei dem Sie wissen, der Abend ist ausverkauft, haben Sie dieses Jahr absichtlich nicht?
Linke: Ich glaube, dass wir mit Eliades Ochoa schon eine echte Zugnummer haben. Bei der kubanischen Nacht werden sicher ganz speziell Besucher kommen, die sich für andere Musikrichtungen des Hafensommers nicht interessieren. Und das Konzert von Mighty Oaks ist jetzt schon so gut wie ausverkauft. Wir haben eine gute Mischung von Arrivierten und Leuten, die ein junges Publikum ziehen. Und wir wollen ja ein junges Publikum stärker erreichen. Raggabund bei freiem Eintritt – da sollen ganz viele kommen!
Sie hatten es eingangs schon gesagt: Sie werden nach dem 6. August wieder an Zahlen gemessen. Was haben Sie sich denn als Ziel gesetzt?
Al Ghusain: Der Haushalt hat uns eine Einnahmeerwartung von 150 000 Euro vorgegeben. Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir insgesamt auf etwas mehr spekulieren. Nur: wir sind zwei Wochen open air und damit auch abhängig vom Wetter. Da empfiehlt es sich, etwas vorsichtiger zu kalkulieren. Insgesamt wollen wir eine bessere Gesamtbesucherzahl als in den vergangenen Jahren. Zum einen aus finanziellen Gründen, aber auch weil die Atmosphäre bei gutem Besuch natürlich besser ist. Das Ziel sind mindestens 300 Besucher pro Konzert, wir sind aber schon jetzt bei einigen Konzerten bei 800 bis 900 Besuchern im Vorverkauf.
Hängt die Zukunft des Hafensommers vom Wetter in diesem Jahr ab?
Al Ghusain: Ich hoffe doch nicht. Nach der Debatte im vergangenen Jahr, die ja nicht nur lustig für uns gewesen ist, gab es unterm Strich doch das klare Bekenntnis zu diesem Festival. Und die Anerkennung der Qualität, die dort geboten wird. Aber klar: 17 Tage Open-Air-Festival heißt 17 Tage Abhängigkeit auch von Rahmenbedingungen, die wir nicht beeinflussen können, wie eben das Wetter. Und es gehört Mut zu einem anspruchsvollen Programm dazu.
Mut?
Al Ghusain: Das ist doch unsere Aufgabe: mit öffentlichen Geldern finanziert und einem Bildungsauftrag im weitesten Sinne, Kunst und Musik in die Stadt hineinzutragen, die vielen vielleicht noch nicht bekannt ist. Es reicht nicht, das ewig schon Bekannte und Gefeierte noch mal zu präsentieren. Wir wollen innovativ sein, auch herausfordern.
Dann, zum Schluss zwei Tipps: Auf welchen Abend freuen sie sich selbst ganz besonders?
Linke: Ich freue mich auf Nils Landgren, bin seit Jahren ein Riesenfan von ihm und habe ihn schon live erlebt. Ein toller Musiker! Das wird ein Highlight am ersten Sonntag.
Al Ghusain: Ich bin sehr gespannt auf Lambchop, die amerikanische Kultband, die immer wieder mit neuen Klängen experimentiert. Wie die aktuelle CD auf der Bühne umgesetzt wird – da bin ich schon sehr neugierig darauf. Sehr abgefahren. Auf der CD kann ich nicht hören, wie das am Hafenbecken klingt. Deswegen ist das Live-Erlebnis immer noch unersetzlich!
Hafensommer 2017
Auftakt ist am Freitag, 21. Juli, mit dem Philharmonischen Orchester und Carolin No bei der Sparda-Bank Classic Night, für die alle Karten schon verlost sind. Bis zum 6. August gibt es dann auf der schwimmenden Bühne am Alten Hafen jeden Abend Programm.
Mit dabei sind unter anderem Max Mutzke, Bukahara, Seven, das Tingvall Trio und bekannte Namen von hier wie Jochen Volpert, Spaceman Spiff und Lilly Among Clouds.
Beim Jungen Hafen am Dienstag, 25. Juli, ist der Eintritt frei, ab 18 Uhr gibt's Open Stage, ab 20.30 Uhr spielen dann Raggabund.
Infos: www.hafensommer-wuerzburg.de Karten gibt es im Falkenhaus und bei Mainticket unter Tel. (0931) 6001 6000.