Wenn sich ein 15-jähriges Mädchen des jahrelang gepflegten ganzen Stolzes ihrer langen Haare freiwillig entledigt, muss es dafür schon einen ganz besonderen Grund geben. Weniger aus einer Laune heraus, sondern ganz bewusst und vor einem besonderen Hintergrund opferte Kristin Kunz aus Leinach dreißig Zentimeter ihrer Haarpracht. Aus Kristins Mähne wird zur Erfüllung eines besonderen Weihnachtsgeschenkes eine Perücke für ein krebskrankes Kind. Dass sie als anonymisierte Spenderin nicht weiß, wer sich mit ihren Haaren schmückt, stört Kristin dabei nicht.
Ungewöhnlich für einen Teenager in ihrem Alter, zeichnen die 15-jährige Kristin Kunz ganz konkrete, zielorientierte persönliche Vorstellungen aus. Im positiven Sinn weiß die Schülerin der 10. Klasse der St.-Ursula-Realschule in Würzburg sehr genau was sie will. Vor allem aber geht es ihr gesundheitlich gut. Alleine dies besonders zu schätzen, ist für eine "Göre" ihres Alters ungewöhnlich. Möglicherweise aber trägt zu diesem Bewusstsein bei, dass ihr Großvater seit einem tragischen Unfall an einen Rollstuhl gefesselt ist.
Das Schicksal ist unberechenbar und gnadenlos
Ja, das Schicksal ist unberechenbar und gnadenlos - nicht nur zu ihrem Opa. Auch zu Kindern, wie sie vom Verein "Horizont", Kinderkrebshilfe Weseke e.V. im westfälischen Borken-Weseke betreut werden. So wie Kristin schicksalhafte Ereignisse aus ihrer Familie kennt, war persönliche Betroffenheit einst auch Auslöser für eine Spendenaktion zugunsten der Kinderkrebsstation des Universitätsklinikums Münster. Daraus entstand 2002 der gemeinnützige Verein "Horizont" Kinderkrebshilfe Weseke e.V. zur Begleitung krebskranker und unheilbar erkrankter Kinder und Jugendlicher.
Über einen Internet-Suchdienst war Kristin "vor ein paar Jahren auf den Verein Horizont gestoßen", wie sie einräumt. "Wie kann ich persönlich erkrankte Gleichaltrige unterstützen?", fragte sich die Schülerin. Bei allem Stolz auf ihre eigenen langen Haare stand rasch ihr Entschluss fest: "Mit meinen eigenen Haaren möchte ich einem krebskranken Kind nach einer Chemotherapie zu einem würdigen Aussehen verhelfen und zu Weihnachten einen Herzenswunsch zu erfüllen."
Keinen Millimeter zu viel ließ Kristin deshalb seither bei Friseurbesuchen ihre Haare kürzen. Schließlich wachsen Menschenhaare durchschnittlich nur maximal eineinhalb Zentimeter im Monat. Und um aus gespendeten Haaren eine Perücke fertigen zu können, braucht es eine Mindestlänge von 25 Zentimetern Haarlänge. Die Haare dürfen zudem jemals weder gefärbt noch geglättet gewesen sein. Sonst sind sie für eine Perücke unbrauchbar. Ab einer Haarlänge von dreißig Zentimetern akquiriert der Verein "Horizont" zusätzliche Spenden. Dies alles recherchierte Kristin auf Eigeninitiative im Internet und motivierte sie. Als "Vertraute" in ihr Vorhaben hatte die Schülerin vor fast drei Jahren nur ihre Mutter Heike und Nadja Lintow, Inhaberin der "Frisierbar" in Greußenheim eingebunden.
"Es wankte zwischen Entsetzen und Erleichterung"
Am zweiten Adventswochenende war es soweit. In der "Frisierbar" hatte Kristin den "Spenden-Termin" vereinbart. Innerhalb weniger Sekunden war ihre Haarpracht um mehr als die Hälfte reduziert. Kristins Empfinden dabei: "es wankte zwischen Entsetzen und Erleichterung", erzählt die Schülerin. "Erst dachte ich: oh Gott, da ist ja nichts mehr übrig. Aber gleich hatte ich auch ein gutes Gefühl, weil ich damit ja jemandem eine echte Freude machen kann", umschreibt Kristin den entscheidenden Moment. "Frisierbar"-Inhaberin Nadja Lintow unterstütze die außergewöhnliche Aktion kostenfrei und sogar mit einer neuen Frisur für den Teenager. Den Vorteil ihrer jetzt kürzeren Haar hat Kristin derweil schnell erkannt. Beim Garde-Training der "Flash-Lights" für die Faschingssitzungen ist die Frisur nun leichter zu bewältigen.