Ende April geht in Würzburg eine Ära zu Ende: Präsidentin Irmgard Kellendorfer verlässt das Sozialgericht, das für mehr Menschen in Unterfranken wichtig ist als die Strafjustiz. Dort wird über Strittiges für Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger entschieden, über die Übernahme von Kosten durch Krankenversicherungen, aber auch über die finanzielle Zukunft von Schwerbehinderten und Rentnern entschieden.
„Ich mache das leidenschaftlich gerne“
„Ich hatte Glück“, sagt Irmgard Kellendorfer über ihre neun Jahre in Würzburg. Selbst auf der Zielgerade ihrer Laufbahn bekennt sie mit einem Enthusiasmus, den man nach einem so langen Berufsleben nicht oft hört: „Ich mache das leidenschaftlich gern, weil da das pralle Leben ist.“ Die Arbeit sei vielfältig: Heute stehe man einem Ingenieur, morgen einer Hausfrau und übermorden vielleicht einem Hilfsarbeiter gegenüber. „Ich liebe es, mit unterschiedlichen Menschen zusammen zu sein.“
Würzburg sei ihr „ans Herz gewachsen“, sagt sie bei ihrer letzten Jahresbilanz. Die war in den vergangenen Jahren oft die einzige Gelegenheit zur Berichterstattung. Das könnte man durchaus als Zeichen für eine reibungslose Arbeit im konfliktreichen Sozialbereich werten. Kellendorfer, die zum Ende ihrer Karriere ans Sozialgericht Nürnberg wechselt und damit ihrer Familie näher ist, kann eine vorzeigbare Bilanz präsentieren.
Sinkende Fallzahlen
Die Anzahl und Dauer der Verfahren, die – gerade nach der Einführung des Arbeitslosengeldes II –„knackig“ war, hat sich unter ihrer Führung jedes Jahr kontinuierlich verbessert: Waren es 2007 noch 4553 Verfahren, sank dere Anzahl 2017 auf 2610. Dennoch war immer noch jede Richterin und jeder Richter im Jahr durchschnittlich mit rund 250 Verfahren beschäftigt.
2009 betrafen allein 1075 Streitigkeiten das Thema Arbeitslosengeld II, eine „fordernde Situation“ wie Kellendorfer sich erinnert. Inzwischen hat sich der Wert auf etwa 600 Verfahren eingependelt – für die Präsidentin auch ein Indiz für „die weiterhin sehr gute Beschäftigungsquote in Unterfranken“. In 28 Prozent der Fälle mussten die Juristen über Fragen zur gesetzlichen Rentenversicherung entscheiden, 18 Prozent betrafen Fragen des Schwerbehindertenrechts, jeweils 16 Prozent Fragen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und gesetzliche Krankenversicherung und nur drei Prozent Sozialhilfe und Leistungen für Asylbewerber.
Verfahrensdauer sind in Würzburg kürzer als im bayerischen Durchschnitt
Was den Bürger stärker bewegt: Die Zeit bis zu einer Entscheidung ist – trotz manchmal schwieriger Fragen und Rechtsfragen – stetig gesunken. Dauerte ein Hauptsacheverfahren 2002 noch 25,7 Monate, so liegt die Dauer in Würzburg inzwischen bei durchschnittlich 8,4 Monaten – „drei Monate weniger als der bayerische Durchschnitt“, wie Pressesprecher Ulrich Wagner sagt. Dabei ist zu bedenken, dass das Gericht häufig erst Unterlagen von Krankenkasse, Jobcenter oder Rentenversicherungsträgern anfordern muss, ehe es überhaupt mit der Beweiserhebung beginnen kann. Daneben müssen in manchen Fällen ärztliche Gutachten eingeholt werden, was zusätzlich Zeit kostet.
„Sozialrecht müsste im Studium eine stärker Rolle spielen“
Die Juristen des Sozialrechts müssen sich um strittige Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung kümmern, der Rentenversicherung und des Arbeitslosengeldes. Sie sollen rechtsverbindliche Antworten zu Fragen der Integration und Förderung behinderter Menschen, der Rehabilitation, der Pflegeversicherung und der Grundsicherung im Alter geben. „Kein Wunder also, dass beinahe die gesamte Bevölkerung einmal oder mehrmals im Leben mit sozialrechtlichen Fragestellungen in Kontakt kommen kann, zum Beispiel bei einer abgelehnten Kur oder dem Streit über die Höhe des Krankengeldes“, sagt die Präsidentin. Deshalb würde sie sich wünschen, dass im Jura-Studium das Sozialrecht eine stärkere Rolle spielen würde.
Denn angehende Juristen haben zwar beispielsweise Grundzüge des Bauplanungsrechtes als Pflichtfach, aber nicht das Sozialrecht – obwohl viel mehr Menschen in Bayern davon betroffen sind. Kellendorfer hält für unerlässlich, Sozialrecht zum Pflichtfach zu machen.
Ich dachte im ersten Moment an 30-50 Jahre.......
9 Jahre die gleiche Arbeitsstelle, das ist schon eine "Ära"?
"Ära: sehr langer Zeitraum, Weltalter, Zeitalter, Ewigkeit..."
Sollte unsere hochgeschätzte und über alles geliebte Bundeskanzlerin in ferner Zukunft einmal abtreten.... dann könnte man vom Ende der "Ära" Merkel sprechen - zumindest war es dann für Viele eine gefühlte Ewigkeit