Adelfränkisch, Fränkischer Burgunder, Schwarzurban, Blauer Arbst oder Weißer Räuschling. Diese Rebsorten sind heute kaum noch in Weinbergen anzutreffen. Noch bis ins 19. Jahrhundert bestimmten sie jedoch als bunt gemischter „fränkischer Satz“ den Weinbau. In der Weinlage am Sommerstuhl hat der Weinbauverein unmittelbar neben der Maternushütte einen Weinberg mit alten Rebsorten angelegt. „Wir knüpfen an eine Tradition an, die hier noch lange lebendig war“, erzählt Winzer Michael Köhler. Währenddessen leistet er Schwerstarbeit. Mit Bickeleisen und Spaten gräbt er Löcher in den steinigen, mit Muschelkalk durchsetzten Boden des Sommerstuhls. In diese setzt er die Weinpflänzchen. Es ist ihm anzusehen: Die Arbeit ist mühselig. Ganz so wie früher.
Die Weinstöcke hat Köhler bewusst spät gesetzt. Die extremen Spätfröste hatten im vergangenen Jahr im Sommerstuhl erhebliche Schäden angerichtet. Den ersten Weinberg, den er in den 1970er Jahren zur Bewirtschaftung übernommen hatte, war noch im gemischten Satz bepflanzt. Die Vorfahren hatten dies bewusst so gehandhabt. Ein Weinberg, der aus etwa 15 verschiedenen Sorten besteht, sei weitgehend sicher vor größeren Ertragsausfällen gewesen, erzählt er. Erst ab 1900 stellten die Winzer allmählich auf Weinberge um, auf der ausschließlich eine einzige Sorte kultiviert wurde. Die meisten der oft viele Jahrhunderte alten Rebsorten wurden schließlich mit dem Reblausgesetz von 1929 verboten. Für Köhler stellt die Abkehr einen herben Verlust für die Vielfalt des Weinbaus dar. „Die heute weithin bekannten Rebsorten waren einfach ergiebiger.“
Alte Rebsorten sind vor Schädlingen gewappnet
Doch die alten Sorten sind zumindest im kleinen Rahmen wieder im Kommen. Köhler hat die Weinstöcke von einem Erhaltungszüchter bekommen. In der Südpfalz gibt es einen Weingarten, wo sage und schreibe 120 verschiedene Rebsorten gepflegt werden. Auch das ist nur ein Bruchteil der einstigen Sortenvielfalt. Viele der alten, robusten Rebsorten besitzen Qualitäten, die sie für den heutigen Weinbau interessant machen. Sie kommen ohne Pflanzenschutzmittel aus und scheinen auch für den Klimawandel gewappnet zu sein. Beim Hartblau etwa hat die Kirschessigfliege, die aus Asien eingewandert ist und seit einigen Jahren zu erheblichen Schäden auch im Weinbau führt, keine Chance. Die Schale ist zu dick, selbst für den sägeartigen Stechapparat, mit dem das Insekt seine Eier in die Traube legt.
Doch auch Köhler kommt nicht daran vorbei, einen Kompromiss zu schließen: Die alten Rebsorten sind allesamt auf eine gegen die Reblaus resistente Unterlage aufgepfropft. Eine wurzelechter Sorte zu pflanzen ist weinbaurechtlich noch immer nicht erlaubt. Zu groß ist die Gefahr, dass sich ein Reblausherd bilden könnte. Und natürlich verwendet er beim Binden der Weinstöcke an die hölzernen Ziehpfähle Draht statt Weidenruten, wie dies früher der Fall war. Für seinen Vater, inzwischen 93 Jahre alt, war dies noch Alltag bei der Arbeit im Weinberg. Der Günterslebener Sommerstuhl blieb bei der in den 1960er Jahren in Güntersleben durchgeführten Flurbereinigung ausgespart. Daher dominieren weiterhin sehr lange, schmale Parzellen, die rasch einander abwechseln. Die erst vor kurzem fachgerecht erneuerten Trockenmauern, Lesesteinhaufen, Hecken und aufgelassenen Weinberge sorgen für eine besondere Artenvielfalt.
Der historische Weinberg setzt einen weiteren Akzent am Sommerstuhl. Bis er Ertrag bringt, müssen sich die Freunde des Rebsaftes jedoch noch etwas gedulden. Zunächst geht die Kraft der jungen Weinstöcke in die Wurzeln, bevor sie Weintrauben tragen und in zwei oder drei Jahren im jährlichen Weinverkauf des Weinbauvereins landen können. Anhand der unterschiedlichen Blattformen lässt sich jedoch schon jetzt die Sortenvielfalt erahnen.