"Die große Idee des Fests von Sant'Egidio ist, dass alle wie in einer Familie zusammensitzen und Weihnachten feiern können." Klaus Reder, Vorsitzender der Gemeinschaft steht mitten im Geschehen am ersten Weihnachtsfeiertag in der Marienkapelle am unteren Würzburger Marktplatz. Eine gemeinschaftliche Stimmung herrscht, jeder hilft mit, Tische werden gedeckt und Geschenke herumgetragen, um das Weihnachtsessen vorzubereiten, das in einer Stunde beginnen soll. Die ganze Marienkapelle ist mit Blumenstöcken geschmückt und während des Essens an den langen, geschmückten Tischen mit Platzkarten für jeden läuft Orgelmusik.
Wer alles kommt und wie das Essen organisiert wird
"Wir haben die Kirche ausgeräumt, die Bänke zur Seite gestellt und barrierefreie Podeste als Untergrund gebaut", so Reder. Insgesamt haben über 350 Menschen geholfen, das Weihnachtsessen für die rund 600 Menschen an fünf Standorten in Würzburg vorzubereiten. Das Festmahl, das aus Tomatensuppe als Vorspeise, Gulasch als Hauptspeise und verschiedenen Nachspeisen besteht, wird komplett aus Spenden finanziert. Außerdem bekommt jeder nach dem Essen ein personalisiertes Geschenk, das sich aus Sachspenden zusammensetzt, und das die Helferinnen und Helfer für jeden Einzeln zusammenstellen.
Doch für wen ist das Essen eigentlich gedacht? "Es kommen Leute, die wir das ganze Jahr über begleiten, so sind das Hartz 4 Empfänger, Leute mit niedriger Rente, Heimbewohner oder auch behinderte Menschen und Geflüchtete", so Reder. Die meisten bekämen eine direkte Einladung und wären schon seit Jahren dabei, manche würden aber auch über Sozialarbeiter oder Verbände wie Caritas vermittelt werden.
So zum Beispiel auch der 43-jährige Steffen Götz, Bewohner eines Heims am Kilianshof: "Das ist mein erstes Weihnachtsessen hier. Mein gesetzlicher Betreuer hat mich hierher vermittelt und die Samariter haben mich hergebracht. Ich finde es hier sehr gemütlich, und ich kann mir vorstellen, nächstes Jahr wieder zu kommen." Steffen Götz fliegt normalerweise über Weihnachten zu seiner Familie in die USA, das ist allerdings dieses Jahr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich.
Neben ihm sitzt die 80-jährige Heidi Günnewig, die dieses Jahr zum zweiten Mal mithilft, und Steffen Götz bei Unterhaltung und Essen unterstützt: "Das Treffen hier ist wahnsinnig persönlich. Jeder kennt irgendwen, das ist eins der schönsten Dinge, die ich je erlebt habe und sehr ergreifend." Jeder Teilnehmende würde zu seinem Platz geleitet werden, und viele würden, wie Steffen Götz, anschließend beim Essen betreut werden. "Wirklich jeder einzelne kann sich hier wohlfühlen, das ist der Sinn hinter dem Ganzen", so Günnewig.
"Weihnachten ist das Fest der Wiederherstellung der Würde des Menschen."
Bevor das Essen beginnt, hält der Würzburger Bischof Franz Jung eine Ansprache: "Weihnachten ist das Fest der Wiederherstellung der Würde des Menschen. Ich danke der Gemeinschaft von Sant'Egidio, dass es ihr Anliegen ist, die Würde der Flüchtenden, der Menschen am Rande der Gesellschaft, der Menschen mit Behinderung und der Alten zu wahren."
Dieses Jahr nehmen viele Ukrainische Flüchtlinge an dem Festessen teil
Auch Matthias Leineweber, Rektor der Marienkapelle, der auch die Sonntagsgottesdienste hält, an denen viele Mitglieder von Sant'Egidio teilnehmen, meldet sich zu Wort, und richtet sich an die ukrainischen Flüchtlinge: "Das erste Weihnachtsfest war 1982 mit 47 Personen in Rom, heute sind es hunderte Essen in 70 Ländern mit über 250.000 Menschen, die am Tisch sitzen. Das ist unsere Antwort auf den Krieg: Freundschaft und Gemeinschaft von Menschen, egal von welcher Herkunft, Religion oder Sprache. Besonders sind wir heute mit dem Herzen in den ukrainischen Städten, in denen Sant'Egidio heute Weihnachten feiert. Das ist unser Traum von Frieden." Insgesamt habe die Gemeinschaft 34 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, ihnen eine Wohnung besorgt und begleite sie bei den amtlichen und medizinischen Dingen.
Zwei von ihnen sind der 54-jährige Vitali Overchenko und die 53-jährige Victoria Overchenko. Sie mussten im April aus der Ukraine fliehen und wohnen nun in einer Wohnung für Patienten nahe des Uniklinikums, die von Sant'Egidio vermittelt wurde, da Victoria Overchenko Krebs hat und außerdem regelmäßig zur Dialyse muss. Ihr Sohn konnte noch nicht nach Deutschland kommen. Die beiden sind sehr dankbar für das Weihnachtsessen. In der Ukraine wäre Weihnachten feiern fast nicht möglich, da es dort weder Licht, Wasser noch Gas gäbe und jeden Tag Bomben fallen würden.
Doch die Stimmung ist nicht traurig, im Gegenteil
Doch die Stimmung ist nicht traurig, im Gegenteil: Bevor das Essen beginnt spielt ein Bläserquartett, jeder wünscht sich schöne Weihnachten und grüßt lang nicht gesehene Gesichter. Währenddessen spielt die Orgel, der Bischof läuft von Tisch zu Tisch und wünscht jedem ein frohes Fest. Nach dem Essen wird eine Torte angeschnitten um den Geburtstag von Sant'Egidio zu feiern und der Nikolaus kommt und verteilt Geschenke, um den Gästen wie jedes Jahr ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.