Die große Debatte in der Sozialdemokratie über eine Neuauflage der großen Koalition wurde in Würzburg am Donnerstagabend dorthin verlegt, wo sie am Ende auch maßgeblich mitentschieden wird – zur Basis der SPD. Das letzte Wort darüber sollen nämlich die Parteimitlieder bei einer Abstimmung haben.
Beim Stadtgespräch der SPD im Martinz zur GroKo-Neuauflage mit dem Thema „Fluch oder Segen für die SPD“, an dem viele Würzburger Sozialdemokraten teilnahmen, sollte ein erstes Stimmungsbild aus der Basis gewonnen werden. Und an Stimmung mangelte es nicht. Bis Ende der Veranstaltung gab es eine Fülle an Wortmeldungen. An der Diskussion beteiligten sich auch prominente SPD-Vertreter, darunter der ehemalige Würzburger Oberbürgermeister und jetzige Landtagsabgeordnete Georg Rosenthal und der Gemündener Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel.
Skepsis gegenüber erneutem Bündnis mit der Union
Im Laufe der Debatte zeigten sich klare Positionsunterschiede zwischen den prominenten politischen Akteuren und der Basis. Während die Mehrzahl der Diskussionsredner von der Basis ein Bündnis mit der Union sehr kritisch einstufte und ablehnte, waren es vor allem die beiden Abgeordneten, die um mehr Verständnis warben und vor den Konsequenzen von Neuwahlen und einer Minderheitsregierung warnten.
Glaubwürdigkeit und Erneuerung waren die Begriffe, die viele Gegner einer Groko-Neuauflage anführten. Vor allem die Glaubwürdigkeit der SPD sei gefährdet, da führende Politiker am Wahlabend erklärt hätten, kein Bündnis mit der Union eingehen zu wollen und dies nun doch in Erwägung zögen. „Wie soll man den Aussagen von Politikern so noch trauen?“, lautete der Tenor. Auch seien mit der Union keine sozialpolitischen Punkte umsetzbar, die SPD werde bei vier weiteren Jahren mit Merkel noch mehr an Zustimmung verlieren.
Rosenthal: Oppositionsrolle kein Garant für Erneuerung
Viele Besucher waren sich auch einig, dass nach dem Wahldebakel der SPD die Partei einer inhaltlichen und personellen Erneuerung bedürfe und dass dies als Juniorpartner von CDU/CSU nicht möglich sei. Georg Rosenthal widersprach dieser Ansicht und zeigte sich skeptisch, dass sich die SPD in der Opposition besser erneuern könne. Nach dieser Logik müsste die bayerische SPD ein Paradebeispiel für Erneuerung darstellen, fügte er sarkastisch hinzu.
Ebenfalls als häufiges Argument gegen eine große Koalition wurde das Bundestagswahlergebnis ins Feld geführt, das nach Ansicht mehrerer Teilnehmer eine klare Sprache spricht. Die große Koalition sei von der Bevölkerung abgewählt worden.
SPD soll der AfD nicht die Oppositionsführung überlassen
Weitere kritische Stimmen meinten, dass die SPD der AfD die Oppositionsführung nicht überlassen dürfe, das sei auch eine staatspolitische Aufgabe. Dem widersprach Bernd Rützel und interpretierte die staatspolitische Aufgabe anders. Er sieht seine Partei nach dem Scheitern von Jamaika vielmehr in der Regierungsverantwortung und versteht die Umsetzung sozialdemokratischer Themen als parteipolitische Aufgabe.
Und diese Umsetzung sei seiner Ansicht nach nur in einer Regierung möglich: „In der Opposition hat man keinerlei Chancen, eigene Anträge durchzubringen.“ Diesem Standpunkt schloss sich auch Georg Rosenthal an. Seiner Ansicht nach haben über 20 Prozent die SPD gewählt, damit diese eben auch regiere.
Aus dem Publikum kamen aber auch versöhnlichere Stimmen zu einer großen Koalition. „Wenn die SPD in Koalitionsverhandlungen geht, dann muss sie auf bestimmte ihr wichtige Punkte einfach fest beharren“, so die Meinung eines langjährigen SPD Mitglieds. Georg Rosenthal mahnte am Ende, dass beide Alternativen zur GroKo – Neuwahlen und eine Minderheitsregierung – der SPD eher schaden würden. „Sonst sind wir vielleicht so schnell in Weimar gelandet, wie ich es mir nie hätte vorstellen können“, sagte er mit Verweis auf die gescheiterte erste deutsche Republik.