Vier Programmpunkte hatte der erste Tag des Faust-Fests am vergangenen Wochenende am Theater am Neunerplatz – und gleichzeitig sieben Premieren.
Der freischaffende Schauspieler Martin Menner hatte das Ganze angezettelt und für den Hauptteil des Freitagabends Gretchens Kerkermonolog aus Johann Wolfgang Goethes Drama „Faust“ auf eine komplette Stunde verlängert: In ihre Wahnsinns-Szene flocht die posttraumatisch überlastete Kindsmörderin Erinnerungen ein in das, was sie „dazu trieb“. Silva Schreiner, von Kindesbeinen an auf der Neunerplatz-Bühne zu Hause, gab ihr Solo-Debüt mit guter Stimme und großer Energie, am Schluss überwältigt vom Beifall des gut besetzten Privattheaters. Um die vielen Premieren rasch durchzuzählen: Außer Schreiners erstem Riesenmonolog gab es die Uraufführung, das Festival selbst, ein Exklusiv-Konzert und eine Doppelausstellung.
Für die beiden Künstler Gabi Weinkauf und Max Gehlofen eröffnete das Dachgeschoss des Neunerplatztheaters. Der neue Kunstraum wird allerdings nicht oft als Galerie zur Verfügung stehen, sondern wieder – wie früher – Musikstudio werden. Für die Erstbegehung hatte Weinkauf Goethe-Paraphrasen gedruckt und mit gepresstem Naturmaterial kombiniert sowie mit Maschine vernäht. Große Masken von Max Gehlofen hoben die kleine Schau ins Theatralische.
Über zwei Jahre lang fragte Initiator Menner in der Würzburger Szene, aber auch überregional, ob wer was zu seinem kleinen Festival beitragen möchte. Alle wollten auf Anhieb. Ein Kontakt ging sogar noch zehn Jahre weiter zurück. Für einen „Faust“ der Bad Hersfelder Festspiele hatte der Musiker Matthias Breitmann 2006 HipHop-Sounds geschrieben. Die fielen damals einer Umkonzipierung zum Opfer. Martin Menner behielt sie allerdings im Ohr und lud den Rapper ein, mit seinem „Faust hoch!“ einige Beats zum Würzburger Goethe-Winter beizutragen. Wegen Schneeeinbruchs konnte der Magdeburger Musiker dann aber nicht anreisen. Er wurde von der Konserve gespielt und setzte einen maximalen Kontrast zum Star des Samstags: Die Sopranistin Anja Steegmann sang Lieder der Romantik von und über Gretchen und lotete die emotionale Tiefe ihres Schicksals denkbar empathisch aus. So erfuhren die Festival-Besucher, wie sehr das 19. Jahrhundert vom Faust-Stoff ergriffen war. Am Eröffnungstag führte das Schwander-Goltz-Kandert-Trio einen Zyklus über drei Figuren und fünf Szenen des „Faust“ auf, rein instrumental, fantasie- und schwungvoll und präzise. Gegenüber diesen einfühlsamen Variationen rings um die titelgebende Festival-Tragödie standen distanziertere Beiträge wie ein ikonoklastischer Studentenulk oder eine Faust-Kurzfassung in Knittelversen. Ebenso kontrastreich wie die künstlerischen Mittel waren auch die geistigen Haltungen ausgefallen.
„Man kann sich dem Stoff von verschiedenen Seiten nähern“, sagte Schirmherrin Sybille Linke, Kulturamtsleiterin der Stadt Würzburg. Ihre Schlussfolgerung aus dieser Möglichkeit: Deswegen müsse es ein Faust-Fest geben. Kurator Menner wünschte den Zuschauern einfach nur „Unterhaltsames“ in den elf Programmpunkten an drei Tagen.