Als sich das Ensemble auf der Bühne ein letztes Mal vor dem Publikum verneigte, stand Schauspieldirektor Sascha O. Bauer am Rand des Röttinger Burghofs, und fast schien es, als würden ihm die Augen feucht. Die 30. Röttinger Frankenfestspiele sind zu Ende und die erste Bilanz der von allerhand Theaterdonner angeführten Spielzeit hätte positiver kaum ausfallen können.
12 892 Zuschauer sahen die drei Hauptstücke, teilt Röttingens Bürgermeister Martin Umscheid mit. Das sind 3762 oder 41 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch Umscheid fällt ein Stein vom Herzen, als er kurz nach der Derniere mit den Schauspielern, Musikern und Technikern im Biergarten Abschied feiert. Er war es schließlich, der den Festspielen gegen manche Widerstände eine neue Richtung gegeben hatte. Er hat Walter Lochmann und Sascha O. Bauer als neue künstlerische Leiter ins Boot geholt und deren Vorgängerin Renate Kastelik ausgebootet. Die Häme seiner Kritiker wäre ihm gewiss gewesen, hätten die Festspiele nicht die Zahlen der Vorjahre deutlich übertroffen.
So aber erwies sich die neue Festspielleitung als Glücksgriff. Keine Rede war mehr von den Querelen im Vorfeld, von einem Arbeitsgerichtsprozess, der sich über lange Monate hingezogen hatte und drohte, die Festspiele nachhaltig in ein fahles Licht zu rücken. Lochmann und Bauer setzten ihr Konzept, das sie im Frühjahr 2012 bereits vorgestellt hatten, in die Tat um – ein Jahr früher als ursprünglich geplant und mit sichtlichem Erfolg.
Die Festspiele stärker in der Region zu verankern, war eines ihrer wichtigsten Ziele. Einer der ersten Schritte dorthin war die Umbenennung der Röttinger in Frankenfestspiele – ein Name, der sich überregional besser verkaufen lässt. Mittlerweile genießen der Name und das neue Logo Markenschutz. Der Aufbau eines festen Extra-Ensembles mit Laienspielern aus der Umgebung gehörte dazu den Neuerungen. Auf der Bühne agierten sie als Chor und Statisten und verliehen vor allem der Operettenaufführung ein bis dahin in Röttingen ungekanntes Volumen.
Ein Theaterkritiker hatte gerügt, dass Regisseur Gernot Kranner seinen „Bettelstudenten“ zu weit weg vom historischen Kontext inszeniert hatte. Dem Publikum sind solche feingeistigen Analysen offensichtlich egal. Der Bettelstudent wurde mit 5390 Zuschauern in zehn Vorstellungen zur zugkräftigsten Operette der letzten Jahre, sagt Bürgermeister Umscheid. Nachdem der Vorverkauf für das Musical „Dracula“ anfangs schleppend angelaufen war, waren die letzten Vorstellungen restlos ausverkauft – „die Qualität hat sich rumgesprochen“, mutmaßt Umscheid, „und Qualität zahlt sich aus.“ 6177 Zuschauer fanden den Weg in die insgesamt 13 Vorstellungen. Mit 1320 Besuchern in sieben Aufführungen blieb der Schiller-Klassiker „Kabale und Liebe“ weit hinter diesen Zahlen zurück – wenig überraschend, sagt Sascha Bauer.
Trotzdem soll klassisches Sprechtheater auch weiterhin Bestandteil der Festspiele bleiben. Das sei schon allein dem kulturellen Niveau geschuldet, das die künstlerischen Leiter in Röttingen weiter ausbau
Mit Musical- und Theater-Workshops tingelten Lochmann und Bauer gemeinsam mit weiteren Mitgliedern ihres Ensembles durch die Schulen der Region – auch dies ein Teil ihrer neuen Marketing-Strategie. Ebenso wie das neu zusammengestellte Ensemble selbst. Zugkräftige Namen sollten her, die gut klingen in der Theaterszene und – so die Hoffnung – ihre Fangemeinde mit nach Röttingen bringen. Die Bekanntesten unter ihnen waren Rob Fowler und Andreas Bieber. Beide sind seit mehr als einem Jahrzehnte in Hauptrollen auf den deutschsprachigen Musicalbühnen unterwegs. Das Leben fernab des Großstadt-Getümmels genossen sie ebenso wie Catherine Frank. Die in Australien geborene Wahl-Wienerin war mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn angereist. In ihrer freien Zeit hat die Familie die Region erkundet – „es war fast wie Urlaub“, erzählt Frank. Diese angenehmen Begleitumstände sind ein Grund, warum es gelungen ist, bekannte Namen für relativ kleines Geld nach Röttingen zu bringen, sagt Schauspielleiter Sascha Bauer. Eine weitere wichtige Rolle spielen die persönlichen Kontakte – und die hat nach zwei Jahrzehnten als Arrangeur und Dirigent der Vereinigten Bühnen Wien vor allem Musikdirektor Walter Lochmann. Das Broadway-Original von „Dracula“ hat er in Absprache mit Komponist Frank Wildhorn zu einer festspieltauglichen Version für kleine Bandbesetzung umgearbeitet und die Rechte zur weiteren Vermarktung dem Verlag zur Verfügung gestellt.
Ein Handel auf Gegenseitigkeit, der das Budget der Festspiele deutlich entlastet hat – über genaue Summen gilt striktes Stillschweigen.
Sascha Bauer und Walter Lochmann wissen längst, welche drei Hauptstücke sie sich für die Festspielsaison 2014 auf den Spielplan wünschen. Derzeit laufen die Verhandlungen über die Aufführungsrechte; erst wenn die abschlossen sind, darf auch die Öffentlichkeit davon erfahren, so Bauer. Zu Allerheiligen soll bereits der Vorverkauf beginnen.
Bis dahin wird auch klar sein, wie die Festspiele wirtschaftlich abgeschlossen haben. Ein Defizit von 170 000 Euro, das die Stadt Röttingen im vergangenen Jahr übernehmen musste, sind Bürgermeister Martin Umscheid und seinem Stadtrat deutlich zu viel.
85 000 Euro gelten als Obergrenze und nach den Zuschauerzahlen steht zu erwarten, dass sich der Fehlbetrag dieser Marke wieder deutlich nähert.
Sascha Bauers Ausblick auf die kommenden Jahre klingt zuversichtlich wenn er sagt: „Wir sind erst am Anfang.“ Walter Lochmann stapelt lieber erst einmal tief – „Wir werden in Demut daran arbeiten, das heurige Niveau zu halten“, sagt er.
Bis 2016 haben sie Zeit, die Frankenfestspielen weiter auf die Erfolgsspur zu führen, so lange läuft ihr Vertrag zunächst – mit der Option auf eine Verlängerung.