zurück
Glosse: Essen lernen für Fortgeschrittene
In der großen weiten Welt der Essmanieren gibt es viele trostlose Einöden. Dazu gehört der Verzehr von Honigbroten.
Den Verzehr von Nudeln beherrschen eigentlich nur Experten.
Foto: Jens Büttner/dpa | Den Verzehr von Nudeln beherrschen eigentlich nur Experten.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 12.12.2019 02:11 Uhr

Die ganze Welt ist voll von Angeboten, bei denen der kulinarisch Interessierte lernen kann, wie man kocht. Dünner gesät, aber eigentlich von viel größerer Bedeutung, sind Kurse, die einem verraten, wie man isst. Sie halten das für überflüssig? Sie meinen, nur weil Ihre Eltern Ihnen beigebracht haben, wie man Messer und Gabel hält, und dass die Suppe nicht laut geschlürft werden sollte, sind Sie in den Olymp der versierten Esser aufgestiegen?

Ich wage das jetzt mal zu bezweifeln. Die Kunst des Essens ist mit mehr Fallstricken verbunden, als Reiskörner ins Risotto wandern. Das geht schon beim Frühstück los. Zumindest für diejenigen, die Honig auf ihrem Brot bevorzugen. Das Honigbrot erfordert beim Verzehr die allerhöchste Aufmerksamkeit. Parallel dazu Zeitung lesen oder auf dem Handy daddeln ist nicht.

Katastrophengebiet Räucherfisch

Denn das Honigbrot muss ständig in perfekter Balance gehalten werden - widrigenfalls ist mit zäh dahin fließenden Honigspuren bis hinunter zum Ellbogen zu rechnen. Wer den Honig besonders dick aufträgt, ist gut beraten, das Brot maßvoll rotierend in ständiger Bewegung zu halten, um dem zum Glück recht trägen Aufstrich keine Möglichkeit zu lassen, sich für eine Seite zu entscheiden.

Oder das Katastrophengebiet Räucherfisch. Ich hatte gestern eine Makrele (im Ganzen). Mit Haut. Und Gräten. Das einzig Positive, das sich über diese Mahlzeit sagen lässt, ist, dass sie nicht in der Öffentlichkeit stattfand. Die wohlerzogenen Kollegen verkniffen sich jeden Kommentar zur dilettantisch mit der Kuchengabel durchgeführten Fisch-Obduktion und mit den Fingern zwischen den Zähnen hervor gezogenen Gräten.

Brei löst alle Probleme

Das geht aber noch viel schlimmer. In einem gut besuchten Restaurant zum Beispiel, wo gelegentlich verzweifelte Esser von frischen Forellen den ganzen Gräten-Kram einfach mit grimmiger Entschlossenheit zerkauen, weil sie nicht unangenehm auffallen wollen.

Das Böse kann aber auch in so harmlos daher kommenden Gerichten wie Penne in Tomatensoße lauern. Penne, doofe kurze und leider runde Nudeln, widersetzen sich nämlich gern der Aufspießung mit der Gabel. Die todesmutigen Versuche der Esser münden häufig im unabsichtlichen Abfeuern ölig-feuchter Nudelgeschosse, die unter der Gabel hervor flutschen. Am besten beraten ist noch derjenige, der die Größe besitzt, die Penne mit dem Löffel in den Mund zu schaufeln.

Da ich den VHS-Kurs "Unfallfreie Nahrungsaufnahme für Jedermann" leider noch nicht ausfindig machen konnte, kaufe ich mir vielleicht einen Pürierstab. Einfach alles zu Brei zerschreddern, Löffel her, auf geht's. Endlich Ruhe.

Glosse: Essen lernen für Fortgeschrittene
Foto: Käuzle
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Claudia Schuhmann
Brot
Dilettantismus
Esskultur
Honig
Katastrophengebiete
Kolumne s Käuzle
Makrelen
Nudeln und Pasta
Risotto
Räucherfisch
Suppen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top