Zeitzeugen erinnern sich noch gut an diese und ähnliche Vorgänge auf dem Giebelstadter Flugplatz. Dokumentiert sind sie in den historischen Recherchen zu den Altlastengutachten. Zwischen 1963 und 1999 waren auf dem Giebelstadter Flugplatz nicht nur amerikanische Transport- und Kampfhubschrauber stationiert, auch eine Stellung für HAWK- und Patriot-Raketen zur Flugabwehr befand sich auf dem Gelände.
Rücksicht auf die Umwelt haben die Amerikaner bei ihren Manövern damals wenig genommen. Obwohl sie durchaus in der Lage dazu gewesen wären. Die Dieselleitungen hätten die Soldaten auch von der mobilen Raketenstellung abschrauben können, statt sie einfach zu kappen. Letzteres ging aber schneller und mitten im Ost-West-Konflikt hätte das Einsatzszenario, feindliche Flieger greifen an, täglich Realität werden können.
Der Kalte Krieg hat seine Spuren im Erdreich hinterlassen. Durch den auslaufenden Diesel ist das Grundwasser hier stark verunreinigt. Auch Kühlmittel für Generatoren hat den Boden kontaminiert. Die Schadstoffkonzentrationen überschreiten dabei die so genannten Stufe-2-Werte, teilt Martin Günder vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg mit. Im Klartext bedeute dies, dass bei Überschreitungen dieser schadstoffbezogenen Schwellen regelmäßige Sanierungsmaßnahmen zur Beseitigung der Grundwasserverunreinigungen erforderlich sind.
Bekannt ist die Verunreinigung am Giebelstadter Flugplatz längst. Die Amerikaner haben 2007 bereits an der HAWK-Stellung Boden ausgetauscht. Ohne messbaren Erfolg. Gefährliche Stoffe sickerten weiter ins Erdreich. Das Wasserwirtschaftsamt schreibt dazu: „Der Boden im Bereich der HAWK-Side ist tiefgründig, also bis in den Grundwasserschwankungsbereich mit den Schadstoffen MKW (Mineralölkohlenwasserstoffe), BTEX (leichtflüchtige aromatische Kohlenwasserwasserstoffe, wie beispielsweise Benzol, Toluol) und PAK (Summe der polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe) verunreinigt.“ Die gleichen Schadstoffe würden sich auch im Grundwasser wiederfinden.
Wegen ihrer geringen Dichte als Wasser befinden sich die Mineralölkohlenwasserstoffe als Ölfilm auf der Grundwasserschicht. Ein Liter Öl kann beispielsweise eine Million Liter Grundwasser verseuchen, das somit als Trinkwasser nicht mehr verwendet werden kann.
Was die Belastung der Grundwasserschicht auf dem Giebelstadter Flugplatz für die menschliche Gesundheit bedeutet, kann das Wasserwirtschaftsamt nicht bewerten. „Denn der belastete Grundwasserkörper wird nicht für Trinkwasserzwecke genutzt“, sagt Martin Günder.
Seit Jahren plant der heutige Eigentümer des Giebelstadter Flugplatzes, das ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Bauamt eine Sanierung der großen HAWK-Stellung. „Eine Verzögerung ergab sich durch erforderliche Abstimmungen mit den Fachbehörden“, begründet die Bima. Hinter den Kulissen der zuständigen Ämter sollen sich aber nach Informationen dieser Zeitung Gutachter über den Umfang der Sanierung, auch über ihre Art und Weise gestritten haben, um Kosten zu sparen. Denn ein Bodenaustausch in dieser Dimension, wie er für die ehemalige HAWK-Batterie vorgesehen ist, kostet Geld. „1,2 Millionen Euro, brutto“, sagt Otto Mayr, Leiter des Portfoliomanagement Bayern bei der Bima in München.
5440 Kubikmeter Boden sollen auf der belasteten Fläche (350 Quadratmeter) ausgetauscht werden. Etwa 1970 Kubikmeter davon stufen die Gutachter der Bima als wiedereinbaufähiges Material ein. Ein Viertel der Kosten entfällt auf die Entsorgung des kontaminierten Erdreiches, erklärt die Bima-Sprecherin.
Gerade werden in einem ziemlich aufwendigen Verfahren jede Menge Löcher im Bereich der ehemaligen Raketenstellung in den Boden gebohrt, um nach möglichen Kampfmitteln zu suchen. Denn der Flugplatz Giebelstadt wurde während des Zweiten Weltkrieges massiv bombardiert. Etwa jede zehnte Bombe, so schätzen Experten, ist nicht explodiert.
Für die Bima ist mit dem Bodenaustausch im Bereich der HAWK-Site die Altlastenbeseitigung auf dem Giebelstadter Flugplatz komplett abgeschlossen, teilt eine Sprecherin der Bundesanstalt mit. Insgesamt habe der Bund dann 2,5 Millionen Euro für die Räumung von Kampfmitteln und für die Altlastensanierung auf dem 255 Hektar großen Areal ausgegeben. Die Amerikaner beteiligen sich nicht an den Kosten. Ob die Bima allerdings dann aus dem Schneider ist, wie sie meint, ist offen. Denn auf dem Flugplatz gibt es im Mittel- und Nordteil noch weitere kontaminierte Flächen, von denen eine schädliche Veränderung des Bodens und des Grundwassers ausgehen könnte. Darunter auch ein Müll- und Brandplatz. Hier laufen noch Boden- und Grundwassererkundungsmaßnahmen, so Günder.
„Ob und in welchem Umfang in diesem Bereich Sanierungsmaßnahmen notwendig werden, kann derzeit noch nicht beurteilt werden“, widerspricht der Sachbearbeiter im Wasserwirtschaftsamt der optimistischen Darstellung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.
HAWK-Raketenstellungen
Schnelle, tief fliegende feindliche Flugzeuge, die die so genannte Radarkeule unterfliegen konnten, wurden im Kalten Krieg zur Gefahr. Mit dem Raketensystem Nike konnten seit den 1950-er Jahren hoch und schnell fliegende Flugkörper zwar zuverlässig geortet und abgefangen werden, doch für bodennahe Flugzeuge gab es keine Verteidigungsmöglichkeit. Um diese „Raketenlücke“zu schließen, installierte die US-Army das mobile Lenkflugkörpersystem HAWK; einige europäische Armeen zogen später nach. In Fachkreisen umstritten ist die Entstehung des Namens HAWK. Einige sehen den Habicht (engl. Hawk) im Namen abgebildet, der ebenso wie die gleichnamige Rakete in der Lage ist, das Ziel beziehungsweise die Beute zu überhöhen und darauf herabzustürzen. Der Begriff HAWK könnte aber auch auf die Abkürzung des Satzes „Homing all The Way Killer“ zurückzuführen sein. Denn das englische Wort „homing“ bedeutet im englischen Militärjargon nicht nur „heimkehrend, heimwärts gerichtet“, es steht vor allem für „zielsuchend“. Schließlich war es das „Homing Guidance Control“-Lenksystem, welches den Flugkörper nach dem Start gleichsam von selbst ins Ziel lenken konnte.
In Soldatenkreisen hieß HAWK auch Holiday an Weekend Killer oder auch Haufen Arbeit Wenig Kohle. Denn die Soldaten (Hawkies genannt) hatten Schichten, die zwischen 48 und 72 Stunden lang waren. Auch über das Wochenende hatten sie ihren Dienst an der HAWK-Batterie zu leisten. Zwischen 2001 und 2005 wurden sämtliche HAWK-Systeme mit ihrer nunmehr auch veralteten Technik außer Dienst gestellt. Es wurde durch das moderne Patriot-System abgelöst. Was die Hawkies betrifft, so war vielen von ihnen kein langes Leben vergönnt. Zu Hunderten starben sie in den Jahren nach ihrem Dienst an der Raketenstellung an Krebs. Es wird angenommen, dass die Erkrankungen durch Röntgen-Strahlung, die von den diversen Radargeräten in den Einsatzstellungen ausging, ausgelöst wurden. Text: TF