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WÜRZBURG
Gewählt: Arzneipflanze des Jahres 2015
Johanniskraut       -  Johanniskraut ist Arzneipflanze des Jahres 2015.
Foto: Dr. Heike Will | Johanniskraut ist Arzneipflanze des Jahres 2015.
Redaktion
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:00 Uhr
Hypericum perforatum, das Echte Johanniskraut, ist Arzneipflanze des Jahres 2015. Mit dem Johanniskraut, auch „Tüpfel-Johanniskraut“ genannt, wählt der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg eine Pflanze, die sowohl traditionell als auch aktuell von großer Bedeutung in der Pflanzenheilkunde ist. Sowohl ihre Inhaltsstoffe, als auch ihre Anwendungen sind vielfältig. So ist das Johanniskraut eine hochinteressante aber auch etwas „schwierige“ Arzneipflanze mit großem Potenzial.
Noch vor 15 Jahren galt Johanniskraut als die am besten untersuchte Arzneipflanze, sagt Dr. Johannes Mayer.

Dennoch konnten die Wirkungsmechanismen bislang nicht vollständig geklärt werden. Die intensive Forschung dauert noch an. Die wichtigsten Wirkstoffe sind die rot färbenden Hypericine mit antiviralem Potential, die für die stimmungsaufhellende Wirkung ebenso zur Diskussionen stehen wie das antibakterielle Hyperforin (ein Phloroglucinderivat), Xanthone und entzündungshemmende Flavonoide.  Ebenso sind adstringierende Gerbstoffe vom Catechintyp und ätherisches Öl enthalten.  Die farbigen Hypericine werden in speziellen Drüsen, den Hypericindrüsen, gespeichert und sind als dunkelgefärbte Punkte gut auf den Blüten-, Kelch- und Laubblättern zu erkennen.

Verwendet werden nur die zur Blütezeit geernteten Triebspitzen. Reich an Wirkstoffen sind vor allem die Blütenknospen, die geöffneten Blüten und die noch grünen Kapseln. Der Anteil an Stängeln dagegen sollte möglichst gering sein. 

Zahlreiche Wirkungsmechanismen von Johanniskrautextrakten wurden bei innerlicher Anwendung entdeckt: Spezielle Botenstoffe im Nervensystem (Neurotransmitter) bleiben länger und in höherer Zahl verfügbar. Neurotransmitter  übertragen an den Verknüpfungsstellen der Nervenzellen (Synapsen) Informationen bzw. Reize. Dazu zählen Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, GABA (Gamma-Aminobuttersäure) und L-Glutamat.

Die Neurotransmitterzahl in den Synapsen steigt an, und die Reizübertragung wird verbessert, da klassische Abschaltwege wie der enzymatische Abbau der Neurotransmitter oder die Wiederaufnahme aus dem Spalt in die Synapse gehemmt werden. Die Erhöhung der Menge an verfügbaren Neurotransmittern ist auch ein entscheidendes Prinzip der klassischen Antidepressiva, woraus eine stimmungsaufhellende Wirkung resultiert.

Daneben steigern Inhaltstoffe des Johanniskrautes die nächtliche Ausschüttung von Melatonin, ein aus Serotonin gebildetes Hormon mit schlafanstoßender Wirkung, das an einem gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt ist. Hypericin verbessert zudem die Ausnutzung des Lichtes, also die Lichtempfindlichkeit (Photosensibilität), was zur stimmungsaufhellenden Wirkung beitragen kann. Unter Umständen kann dies bei sehr hellhäutigen Personen zu einer Licht-Überempfindlichkeit führen, wobei eine ausgeprägte Phototoxizität bislang nur bei Weidetieren beschrieben wurde.

Die erhöhte Verfügbarkeit von Neurotransmittern, von Melatonin in der Nacht und die erhöhte Ausnutzung des Lichtes sind vor allem bei depressiven Verstimmungen therapeutisch sehr interessant. Deshalb wurde Johanniskraut auf Grund von einschlägigen klinischen Studien bei leichten bis mittelschweren depressiven Verstimmungen Depressionen zugelassen, ebenso bei psychovegetativen Störungen, Angstzuständen und nervöser Unruhe. Ebenfalls sinnvoll ist der Einsatz bei Winterdepression, Schlafstörungen aufgrund von leichten Depressionen und bei entsprechenden Symptomen während der Wechseljahre.

Neben den Johanniskrautextrakten (einschließlich Tee) spielt in der Phytotherapie das Johanniskrautöl – wegen seiner typischen Färbung auch „Rotöl“ genannt – eine große Rolle. Die Flavonoide wie auch das Hypericin sollen  entzündungshemmend sein, für Hypericin wurden zudem antivirale Effekte nachgewiesen. Hyperforin wirkt antibakteriell, es ist aber relativ instabil ist und wird mit der Zeit abgebaut.

Das Johanniskrautöl kann sowohl innerlich als auch äußerlich eingesetzt werden. Innerlich bei   Verdauungsbeschwerden, die mit entzündlichen Prozessen einhergehen wie Magen-Darmschleimhaut-Entzündungen. Äußerlich zur Behandlung und Nachbehandlung von Schnitt- und Schürfwunden sowie bei stumpfen Verletzungen wie Prellungen, Zerrungen, Verstauchungen, daneben auch Verbrennungen 1. Grades, Sonnenbrand und Muskelschmerzen (Myalgien).

Auch bei Nervenschmerzen (Neuralgien), Hexenschuss, Ischias, Gürtelrose und rheumatischen Beschwerden sowie  Bettnässen wird Johanniskrautöl begleitend in der Erfahrungsheilkunde eingesetzt. Außerdem eignet sich das „Rotöl“ zur Pflege trockener Haut.

Wahrscheinlich werde das Echte Johanniskraut noch weiter von sich reden machen, so Johannes Mayer in der Mitteilung des Studienkreises. Spezielle Extrakte werden bei Alzheimer getestet, aber auch für die Therapie bestimmter Krebsarten. So werden Verfahren mit isoliertem Hypericin in der Krebstherapie erforscht. Da Hypericin sich an krebsartigen Zellen sammelt, wird es als Indikator und Photosensibilisator für Krebszellen eingesetzt. Bei der Bestrahlung mit einem bestimmten Lichtspektrum bildet der Photosensibilisator Sauerstoffradikale, welche die Krebszellen abtöten können. Zudem werden Verfahren untersucht, um mit Hypericin hochresistente Bakterien abzutöten.

In jüngster Zeit kam es zu kontroversen Diskussionen über die Arzneipflanze. Ende der 1990er Jahre wurde festgestellt, dass Johanniskraut zu einem verstärkten Abbau anderer Arzneistoffe führt, in dem es das wichtigste Arzneimittel abbauende Enzym (CYP 3A4) in seiner Wirkung verstärkt. Bei der Kombination von Johanniskraut mit einigen anderen Arzneimitteln kann es einige Zeit nach Therapiebeginn zu starken Wirkverlusten und nach Absetzen dagegen zu therapeutisch gefährlichem Ansteigen der anderen Arzneimittel kommen. Deshalb wurden hochdosierte Johanniskrautpräparate 2003 der Apothekenpflicht unterstellt. Nur niedrig dosierte Mittel, sowie der Tee und das Rotöl blieben davon ausgenommen. 

Hochdosierte Johanniskrautpräparate mit einer Tagesdosis ab 600 mg  weisen Wechselwirkungen mit einigen Arzneistoffen im Bereich der Antidepressiva, der Immunsupressiva oder Anti-HIV-Mitteln auf, ebenso sind Herzmittel wie Digoxin, Blutgerinnungshemmer vom Cumarintyp und vermutlich auch das bronchienerweiternde Mittel Theophyllin betroffen.  Ebenso ist nicht auszuschließen, dass die Wirksamkeit von hormonellen Verhütungsmitteln beeinträchtigt wird.

Bei der alleinigen Einnahme auch hochdosierter Johanniskrautmittel ist die Verträglichkeit gut und ganz erheblich besser als bei anderen Antidepressiva. Eine ausgeprägte Phototoxizität wurde bisher nur bei Weidetieren beschrieben, mit den für Menschen eingesetzten therapeutischen Dosen sind ernste Symptome der Phototoxizität nicht zu erwarten.

Geschichte: In der Antike wurden verschiedene Johanniskrautarten in der Heilkunde verwendet, vor allem bei Brandwunden, Ischias, Harnwegs- und Menstruationsbeschwerden. Im Mittelalter konzentrierte sich die Anwendung auf Hypericum perforatum, das Echte Johanniskraut. Im ältesten erhaltenen Dokument der mittelalterlichen Klostermedizin, dem ‚Lorscher Arzneibuch‘ aus dem letzten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts, wird Hypericum erstmals zur Behandlung von „Melancholie“ genannt,  „Melancholie“ kann depressive Verstimmung bezeichnen. Daneben galt Johanniskraut auch als ein Mittel gegen Magenschmerzen und Leberschwäche.

Von der Beliebtheit des Johanniskrauts zeugen die vielen Namen, die von dieser Pflanze überliefert sind, wie etwa Blutkraut, Frauenkraut, Gartheil, Hartenaue, Herrgottsblut, Jesuswundenkraut, Johannisblut, Johanniswurz, Konradskraut, Mannskraft, Teufelsflucht, Tüpfel-Hartheu, Tüpfel-Johanniskraut, Unserer Frauen Bettstroh, Wundkraut usw. Die Benennung Johanniskraut ist auf die Zeit der beginnenden Blüte um den St. Johannistag (24. Juni) herum zurückzuführen.

Botanik: Die Familie der Johanniskrautgewächse, zu Deutsch auch Hartheu-Gewächse genannt – besteht aus drei Gattungen und umfasst weltweit etwa 400 Arten.  In Deutschland ist nur die Gattung Hypericum Johanniskraut mit neun Arten heimisch. Von diesen neun Arten wird nur eine arzneilich verwendet, das Echte Johanniskraut( Hypericum perforatum). Das Echte Johanniskraut ist ausdauernd und erreicht meist eine Höhe zwischen 15 und 30 cm, kann aber auch bis zu einen Meter hoch wachsen. Der aufrechte Stängel ist durchgehend zweikantig und innen mit Mark gefüllt (nicht hohl). Damit unterscheidet sich das Echte Johanniskraut von anderen Johanniskrautarten.

Die Blätter scheinen von winzigen Löchern durchzogen zu sein, daher der botanische Name „perforatum“ (= durchlöchert, perforiert). In Wirklichkeit handelt sich jedoch um durchsichtige Öldrüsen, die auch andere Hypericum-Arten besitzen, und damit kein Alleinstellungsmerkmal des Echten Johanniskrauts sind.
 
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Kommentare
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  • T. N.
    Zitat von MP
    das wichtigste Arzneimittel abbauende Enzym

    ...ist und bleibt CYP 3A4. Warum werden Korrekturhinweise trotz Belegen ignoriert - selbst dann, wenn sie von einem der Verfasser der ursprünglichen Meldung stammen?

    Noch einmal:
    http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2014/10/07/johanniskraut-das-pflanzliche-antidepressivum/13999.html
    http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=54508

    Und die originale Meldung im kompletten Wortlaut:
    http://klostermedizin.de/index.php/heilpflanzen/arzneipflanze-des-jahres/59-arzneipflanze-des-jahres-2015-echtes-johanniskraut-hypericum-perforatum

    Einfach anklicken und nach 3A4 suchen sowie Gegenprobe auf 4A4.
    Ihr schafft das! zwinkern
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  • L. M.
    Lieber Lonicerus,

    wir haben am heutigen Abend leider nicht mehr die Kapazitäten, den Fall zu prüfen.
    Wir, die Online-Redaktion, werden das morgen an die betreffende Redaktion weiterleiten.
    Vielen Dank für die Hinweise und Ihr Verständnis.

    Mit freundlichen Grüßen und einen schönen Abend,

    Lara Meißner, Redakteurin
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  • T. N.
    Liebe Frau Meißner,

    viel zu prüfen gibt es da nicht, das ist schlicht und ergreifend ein Tippfehler, der in den von mir angegebenen Links zur selben Meldung (!) nicht vorkommt. Ein Blick in die Wikipedia oder alternativ eine kurze Google-Recherche bestätigen das auch. CYP 4A4 hat sehr wenige Treffer, weil dieses Enzym kaum Bedeutung hat, CYP 3A4 ist hingegen überaus wichtig. Das zu verifizieren dauert 2 bis 3 Minuten.

    Wo ein Wille, da auch ein Weg! zwinkern
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  • L. M.
    Hallo Lonicerus,

    haben wir geändert.

    Danke.

    Lara Meißner
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  • T. N.
    Zitat von MP
    Ende der 1990er Jahre wurde festgestellt, dass Johanniskraut zu einem verstärkten Abbau anderer Arzneistoffe führt, in dem es das wichtigste Arzneimittel abbauende Enzym (CYP 4A4) in seiner Wirkung verstärkt.

    Das richtige Enzym ist CYP 3A4, vgl.
    http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2014/10/07/johanniskraut-das-pflanzliche-antidepressivum/13999.html
    http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=54508
    und
    http://klostermedizin.de/index.php/heilpflanzen/arzneipflanze-des-jahres/59-arzneipflanze-des-jahres-2015-echtes-johanniskraut-hypericum-perforatum

    Außerdem:
    https://de.wikipedia.org/wiki/CYP_3A4
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  • T. N.
    Das Arzneimittel abbauende Enzym ist CYP 3A4 und nicht wie angegeben CYP 4A4. zwinkern
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