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WÜRZBURG
Gespräch mit Thomas Schmelter über den Würzburger Friedenspreis
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 26.04.2023 22:03 Uhr

Täglich wird irgendwo auf der Welt Blut vergossen. Nicht selten sind deutsche Soldaten mitten dabei – etwa in Afghanistan oder am Horn von Afrika. Deutschland wolle mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, heißt es. Thomas Schmelter, einer der Gründer des Würzburger Friedenspreises, lehnt Militäreinsätze generell ab. Wir sprachen mit dem Friedensaktivisten im Vorfeld der 20. Friedenspreisverleihung am Sonntag, 20. Juli, im Mainfranken Theater.

Frage: Wenn Sie mitbekommen, dass im nahen Veitshöchheim mal wieder eine Truppenübung stattfindet, was empfinden Sie dann?

Thomas Schmelter: Ich muss dann daran denken, dass die Geschichte der Bundesrepublik eine Geschichte der Remilitarisierung ist. Das erfolgte in vielen Phasen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es die Haltung: Wir wollen nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen! Dann wurde die Bundeswehr gegründet. Dann gab es plötzlich Atomwaffen. Nach der Wende hätte es eine Gelegenheit gegeben, sich mehr um Abrüstung zu kümmern. Diese Chance wurde vertan. Jetzt werden Soldaten in alle Welt geschickt.

Wie kamen Sie auf die Idee, vorbildliche Menschen oder Initiativen, die im weitesten Sinne Friedensarbeit in der Region leisten, mit einem Preis auszuzeichnen?

Thomas Schmelter: Die Idee entstand 1995, als sich ganz Würzburg mit dem Gedenken an den 50. Jahrestag der Zerstörung beschäftigte. Wir von der Friedensinitiative Ökopax haben uns gefragt: Wenn man wirklich ernst nimmt, was zu diesem Anlass immer gesagt wird, also dass nie wieder Krieg sein soll, dann sollten auch wir Bürger etwas tun, um ein friedliches Zusammenleben zu fördern. Und zwar auf der lokalen Ebene. So kamen wir auf die Idee, Aktivitäten für ein friedliches Zusammenleben zu würdigen.

Am Ostermarsch, wo man für Frieden auf die Straße geht, nehmen nicht mehr allzu viele Menschen teil. Die Verleihung des Friedenspreises hingegen zieht stets zahlreiche Bürger ins Theaterfoyer. Ist das für Sie ein Widerspruch?

Thomas Schmelter: Frieden hat verschiedene Facetten. Das Kernanliegen des Ostermarsches ist antimilitaristisch. Ostermarschierer protestieren gegen Militäreinsätze. Aber Bedingungen für Frieden zu schaffen und Gewalt zu verhindern, das geht weit darüber hinaus. Da geht es um unsere natürlichen Lebensgrundlagen, um Ernährungsfragen, um Integration sowie um Kampf gegen Rechtsradikalismus. Dies sind Themen des Friedenspreises.

Welche Bedeutung hat der Friedenspreis für Sie angesichts der alltäglichen Gewalt in unserer Gesellschaft? Ist er ein Tropfen auf dem heißen Stein? Oder doch mehr?

Thomas Schmelter: Es ist ein Merkmal des Würzburger Friedenspreises, dass er Initiativen aus der Region in den Blick nimmt – Gruppen oder Einzelpersonen. Wir sind in all den Jahren immer wieder erstaunt gewesen, wie viel wirksame Graswurzelarbeit es hinsichtlich eines friedlichen Zusammenlebens gibt. Und ich glaube schon, dass das Engagement unserer Preisträger hier in der Region gewaltmindernd wirkt. Aber natürlich können sie das Problem der Gewalt in unserer Gesellschaft nicht an der Wurzel packen.

Als Sie 1995 den ersten Friedenspreis verliehen, war Sarajevo noch belagert. Fünf Jahre später tobte der Bürgerkrieg in Sierra Leone, 2005 gab es kriegerische Auseinandersetzungen in Dafur, 2010 war der Krieg in Afghanistan immer noch in vollem Gange. Wie wirken die unablässigen Kriegsmeldungen auf Sie? Macht das wütend?

Thomas Schmelter: Natürlich stehen mir die Haare zu Berge. Aber man muss auch sehen, dass das, was wir über Kriege zu lesen bekommen, eine Frage der Berichterstattung ist. Der international anerkannte Friedensforscher Johann Galtung veröffentlichte vor einigen Jahren ein Buch, in dem er 40 internationale Konflikte benannte, die gewaltfrei gelöst wurden. Von diesen Konflikten und ihrer Lösung allerdings liest man kaum etwas.

Der Würzburger Friedenspreis wird am Sonntag, 20. Juli, 11 Uhr, zum 20. Mal verliehen. In diesem Jahr erhält ihn der katholische Hochschulpfarrer Burkhard Hose – für seinen Einsatz gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung. Die Bürger sind eingeladen zur Preisverleihung „bei Sekt und Selters“ ins Mainfranken Theater Würzburg. Mehr: www.wuerzburger-friedenspreis.de

 
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