Nach dem Vorbild der interaktiven Erzählcafés hat sich das Kultur Forum „Alte Kirche Waldbüttelbrunn“ einer neuen Herausforderung gestellt, und das mit viel Erfolg. Richtig vorstellen konnten sich nur wenige Besucher etwas unter dem Veranstaltungstitel „Wenn alle Brünnlein fließen … wie es früher war.
Für das Organisationsteam um Siegfried Hutzel war es ein spannender Versuch – eine Mischung aus Brücken schlagen zwischen den Generationen und Erinnerung durch Geschichten aus der Geschichte. Das Konzept ging auf. Erzähler, Moderatoren und Zuhörer erlebten einen kurzweiligen Sonntagsausklang.
Vier Waldbüttelbrunner Urgesteine, Ella Bäumler (80), Altbürgermeister Alfred Endres (63), Erich Lutz (81) und Jürgen Steinmetz (63) plauderten aus dem Nähkästchen. Spannende, witzige aber auch nachdenkliche Geschichten aus der Jugend. Gerti Bildl und Angelika Becker moderierten sympathisch und gaben dem Gesprächsverlauf die Richtung. Das war nicht immer leicht, denn erst mal im Redefluss, gab eine Geschichte die Steilvorlage zur nächsten. Plaudern, singen, zuhören – das war die Marschrichtung an diesem Sonntagnachmittag.
Mundart und Prosa von Reineldis Roth und Leonard Frank, Heiteres und Wissenswertes aus der Chronik, wurden gemixt mit viel Mimik und Gestik, von Rosi Szabo und Ralph Gerlich vorgetragen. Mitsingen konnten die Zuhörer bei den Volksliedern zum Mitsingen. Mit tollen Stimmen und der wunderbaren Akustik der Alten Kirche wagte sich das Publikum sogar an einen Kanon. Instrumental begleitet wurde deis von Renate Drach (Flöten), Birgit Hutzel (Akkordeon) und Hermann Tzschaschel (Gitarre).
Erlebte Geschichte vorzutragen, Erinnerungen wachzuhalten und die Möglichkeit, Parallelen ins Hier und Jetzt zu ziehen: Ella Bäumler hat den Zweiten Weltkrieg als Kind miterlebt, die Nachkriegsjahre als junge Erwachsene. Der Vater im Krieg vermisst, die Schwester im letzten Kriegsjahr gestorben, musste sie sich mit der Mutter und einer Rente von 54 Mark monatlich durchschlagen. Sie berichtet von den Lebensverhältnissen, von den Flüchtlingen, die nach dem Luftangriff auf Würzburg nach Waldbüttelbrunn strömten. Sie besaßen nichts außer dem, was sie auf der Haut trugen und den Kindern an der Hand. „Wir mussten zusammenrücken, es war halt so.“
Jeder Quadratmeter wurde im Dorf mit Flüchtlingen belegt. Oft blieb dem Hausbesitzer nur ein Zimmer, der Rest wurde geteilt. Die Gemeinde stellte den Flüchtlingen aus Würzburg und später aus dem Sudetenland kleine Grundstücke zur Verfügung, damit sie Obst und Gemüse anbauen konnten. „Wir wurden Meister im Organisieren. Kaufen konnten wir nicht viel. Was wir brauchten, mussten wir selbst herstellen.“ Bäumler erinnert sich noch gut an kaputte Schuhe, die ihre Mutter aus alten Autoreifen gearbeitet hatte.
Erich Lutz hatte viele alten Fotos mitgebracht. Der langjährige DJK-Vorsitzender erzählte seine Erinnerungen aus der Kindheit und Jugend sowie die Geschichte seine Vereins. „Da standen in den Vorgärten im Dorf keine Blumen, auf jedem Quadratzentimeter Garten wurde Gemüse und Obst angebaut“, erzählte er. „Wir waren alle Selbstversorger.“
„Wir waren glücklich“, sagte Altbürgermeister Alfred Endres, „obwohl uns die Lehrer damals das Leben schwermachten. Ich erinnere mich an einen Lehrer, der hieß Schreck und war ein Schreck. Jeden Tag hätte es Schläge gegeben – von pädagogischer Erziehung weit entfernt.“ Züchtigung und Strenge erlebten die Nachkriegskinder und machte sie erfinderisch. „Strafarbeit gab es sowieso,“ erinnert sich Endres, oft entschied er sich, lieber eine Tracht Prügel abzuholen als Stundenlang sinnlose Sätze ins Schreibheft zu schreiben.
Jürgen Steinmetz war Mitbegründer der Ortsgruppe Bundnaturschutz. Mülltrennung und Dorfbegrünung waren seine Themen, damals spinnert, heute Lebensstandard. „Wir haben viel gelacht und waren frei.“ In den Ferien, erinnert sich Endres, sei er morgens aus dem Haus und erst abends wieder heimgekommen. „Die Eltern hatten nicht viel Zeit, um die Kinder nach ihren Erlebnissen zu fragen und wir Kinder haben dicht gehalten.“ Heute, im Handy-Zeitalter undenkbar.