Der junge Tenor Roberto Ortiz sprüht nur so vor Neugierde und Mitteilungsdrang. Aufgewachsen in der Millionenstadt Mexico City, feiert er seinen 30. Geburtstag nun fast 10 000 Kilometer entfernt der Heimat, denn er ist seit dieser Spielzeit neu am Mainfranken Theater in Würzburg.
Als Kleinkind sei er hyperaktiv gewesen, habe sich sogar selbst Schlaflieder gesungen. Seine Mutter versuchte ihn mit Karate und Taekwondo in Balance zu bringen, doch erst die Anmeldung in einem Kinderchor zeigte die erwünschten Nebenwirkungen: Nach der ersten Probe war der junge Sänger wie ausgeknockt. Roberto blieb diesem Chor lange treu, sang später Barockmusik, Chansons und Zeitgenössisches.
Nach einem Gesangsstudium an der Musikhochschule seiner Heimatstadt folgte er dem Rat einer schottischen Dozentin und verließ sein Land, um an der Royal Academy of Music in London weiterzustudieren. Lange Zeit widmete er sich nur dem Liedgesang, da er seiner Stimme Zeit und Raum für Entwicklungen geben wollte. Dadurch habe er viele Stimmfarben gefunden, die ihm nun für die Oper ebenso nützlich seien wie für alle anderen Stile.
In Deutschland war Ortiz bereits Mitglied der Opernstudios Stuttgart und Zürich. Innerhalb Europas erscheint Ortiz Deutschland nicht nur als „das beste Land für Ausländer“, sondern auch als Vorreiter in Sachen Kultur: „In Mexiko City gibt es nur fünf Opern pro Jahr, und das für 20 Millionen Einwohner. Leider ist die mexikanische Regierung nicht bereit, Kultur in angemessener Weise zu fördern.“ Viele Opernhäuser würden hier deshalb vor allem für folkloristische Veranstaltungen genutzt.
Trotz dieses Mangels bringt Ortizs Heimatland unzählige ausgezeichnete Tenöre hervor, die – vielfach ohne professionelle Ausbildung – zu singen verstehen. Auf 70 Tenöre kämen da vielleicht drei Baritone und ein Bass. Ortiz führt dieses erstaunliche Potenzial unter anderem auf die Mariachi-Tradition zurück, eine typisch mexikanische Volksmusikformation, in der häufig Sänger mitwirken und die das Land prägt. Zwischen den Jahren 1920 und 1960 seien an mexikanischen Opernhäusern regelmäßig die Größten der Großen zu Gast gewesen – Maria Callas war nur eine von vielen. Auch etliche Puccini-Opern Giacomo seien nach ihrer italienischen Uraufführung sofort nach Mexiko importiert worden.
Am Mainfranken Theater ist Roberto Ortiz nun in Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ als Edelmann Belmonte zu hören (Premiere: 27. November), ab Januar schlüpft er zudem in die Rolle als Ismaele in Verdis „Nabucco“.