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HEUCHELHOF
Gerichte mit Geschichte
Bearbeitet von Lena Berger
 |  aktualisiert: 08.08.2016 03:27 Uhr

Diesmal schwingt der 17-jährige Esseyas aus Eritrea den Kochlöffel in der gut ausgestatteten Küche im Spielhaus am Heuchelhof. Seine Beiköche: rund 20 Jugendliche, darunter unbegleitete Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien, dem Iran und anderen Ländern sowie deutsche Schüler. Sie alle sind an auf Initiative des Vereins „Da sind wir“ zusammen gekommen, um gemeinsam zu kochen und zu essen – und es werden noch weitere Kochabende folgen.

In Kooperation mit der Ökokiste Schwarzach ist ein Kochbuch mit dem Titel „Gerichte mit Geschichte“ geplant, heißt es in einer Pressemitteilung. Darin werden sich neben den Rezepten Geschichten aus den jeweiligen Ländern finden, Porträts über die Flüchtlinge und Texte über ihre Schicksale und Erfahrungen.

Während seine Beiköche Berge von Zwiebeln und Tomaten für die Hackfleischsoße schnippeln, backt Esseyas aus dem drei Tage gegorenen Mais- und Weizenmehl-Teig große Fladenbrote in zwei Pfannen aus: Heute steht „Injera“ auf der Speisekarte, ein typisches eritreisches Gericht, das Esseyas Mutter in seiner Heimat oft für die Familie kochte. „Er hat das schon ein paar Mal in der Wohngruppe gekocht, in der ich zusammen mit drei anderen Flüchtlingen wohne“, erzählt Nabi, der dem Treiben von einem Sofa aus zusieht.

„Hat gut geschmeckt“, fügt er lächelnd hinzu.

Familie musste fliehen

Der 17-jährige Afghane ist seit Oktober 2014 in Deutschland. Mit 12 Jahren floh er in den Iran, wo er sich alleine durchschlug. Am liebsten würde er einen Käsekuchen backen, den er erstmals in Würzburg gebacken hat und heute besonders gut kann. „Oder vielleicht koche ich Bolani, das sind gefüllte Teigtaschen“.

Mahsa (fast 18 Jahre alt) ist aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Heute lebt sie mit ihrem Bruder und ihrer Mutter, die als Christin im Iran verfolgt wurde, in Heidingsfeld. Eine Schwester mussten sie im Iran zurücklassen, der Vater ist in Schweden. „Eigentlich wollten wir zu ihm, aber wir wurden in Deutschland festgesetzt und durften nicht weiter“, sagt sie. Zusammen mit Jalil (auch aus dem Iran und ebenfalls fast 18) wird sie Berberitzen-Reis mit Hähnchen kochen, ein traditionell persisches Gericht.

Neben ihnen sitzt Hoshank (18), der seit 15 Monaten bei Judith Aßländer wohnt: Zusammen mit Kerstin Portula hat sie den Verein „Da sind wir“ gegründet, um im Rahmen des Projektes „Integration auf Augenhöhe“ jugendlichen Flüchtlingen und Nicht-Flüchtlingen den Raum zu geben, sich kennenzulernen und Freundschaften zu schließen.

„Eines Tages hieß es: Wer mag, kann nachher in die Turnhalle gehen, da stellen euch zwei Leute so ein Flüchtlingsprojekt vor“, erzählt Feli, damals Zehntklässlerin des Siebold-Gymnasiums. „Wir sind da natürlich alle hin, weil man dann nicht zum Unterricht musste. Judith und ihr Mann Johannes erzählten von den Schicksalen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge hier in Würzburg und luden uns zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten mit ihnen ein.“

Jugendliche sehen sich regelmäßig

An den ersten gemeinsamen Aktionen wie Kanufahren oder Kochen nahmen etwa 50 Schüler teil. „Dann wurden es weniger, es kamen aber auch wieder neue dazu und so hat sich heute ein fester Kern gefunden“, ergänzt Jasmin (17). Im Winter sei es schwierig gewesen, sich regelmäßig zu treffen, doch jetzt sehe man sich wieder zwei Mal in der Woche, in den Ferien auch außerhalb des Vereins auf Eigeninitiative. „Das Kochbuch ist ein tolles Projekt, das gibt dem ganzen eine Richtung, ein gemeinsames Ziel, das wir erreichen wollen“, freut sich Feli.

Inzwischen haben sich die meisten Beiköche nach draußen begeben und bolzen mit einem Ball. Zwischen ihren Füßen wuselt der jüngste Sohn von Judith Aßländer herum, der bei den Aktionen immer dabei ist und sich sichtlich wohl fühlt unter seinen vielen Freunden. „Es ist wirklich erstaunlich, mit welchem Eifer sich die Jungs hier an die Herdplatten schwingen“, lächelt Kerstin Portula. „Nicht umsonst gibt es Deutschlandweit inzwischen viele ähnliche Projekte mit Flüchtlingen: Die Koch- und Esskultur verrät unglaublich viel über einen Menschen und sein Land, ohne, dass ein Wort gesprochen wurde.

Und für die Flüchtlinge ist es ein Stück Heimat, das sie hier leben und erinnern können, im geschützten Rahmen.“

Mehr Kochbücher produzieren

Wenn das Kochbuch „Gerichte mit Geschichte“ wie geplant im Herbst zum jährlichen großen Hoffest der Ökokiste Schwarzach in kleiner Auflage veröffentlicht wird, werden alle Beteiligten stolz auf ihren Einsatz sein können und viele schöne Erinnerungen in Händen halten.

Der Druck dieser ersten Auflage wird von der Ökoland GmbH Nord im Rahmen des „Das DankÖ-Projekt – Integration gemeinsam gestalten“ finanziell unterstützt. „Gerne würden wir weitere Exemplare des Kochbuchs in größerer Zahl produzieren lassen, aber dafür bräuchten wir mehr finanzielle Mittel“, fügt Kerstin Portula hinzu. „Aber wir sind zuversichtlich, dass sich da eine Lösung finden wird.“

 
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