Bayernweit ist dies bislang einzigartig: Städte und Gemeinden im Landkreis Würzburg, die Flüchtlinge beherbergen, bekommen in diesem Jahr einen finanziellen Ausgleich. Die anderen gehen leer aus. Mit großer Mehrheit hat der Kreistag am Freitag diese freiwillige Leistung beschlossen, die den Kreis zwei Millionen Euro kosten wird.
In Rottendorf sind im Moment keine Flüchtling untergebracht. In Giebelstadt sind es 70. Beide Gemeinden haben ähnlich viele Einwohner. Während sich in Rottendorf die politisch Verantwortlichen keine Gedanken darüber machen müssen, wie sie zusätzliche Krippen-, Kindergarten oder Schulplätze schaffen und finanzieren, schlägt diese Frage in Giebelstadt sehr wohl auf.
Mit einer „Integrationspauschale“, wie sie der Kreisverband des Bayerischen Gemeindetages nennt, soll diese Benachteiligung nun ausgeglichen werden. Giebelstadt beispielsweise würde pro Quartal einen Ausgleich von 250 Euro pro Unterbringungsplatz bekommen. Also 70 000 Euro pro Jahr, bliebe es bei den 70 Plätzen. Kreisvorsitzender Thomas Eberth (CSU) und einige andere Bürgermeister hatten dies so vorgeschlagen.
Ob der Berechnungsmodus allerdings so bleibt, ist unklar. Der Kreisausschuss wird jetzt über die Details beraten und sie dann auch beschließen.
Johann Keller, Geschäftsführer des Bayerischen Landkreistages, kannte dieses Modell bislang noch nicht, sagt er auf Nachfrage dieser Zeitung. Bayernweit ist der Landkreis Würzburg damit der erste, der seine Kommunen freiwillig bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen finanziell unterstützt.
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Getragen wird der Antrag des Bayerischen Gemeindetages von fast allen Fraktionen im Kreistag. Nur die Republikaner unterstützten ihn nicht. Ihr Sprecher Berthold Seifert forderte gar, der Landkreis möge überhaupt keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Landrat Eberhard Nuß ließ darüber aber nicht abstimmen, weil es nicht Sache des Kreistages sei, diese Entscheidung zu treffen.
Gerhard Meißner schreibt zum Thema: Der falsche Weg
„Mir ist bewusst, dass vor allem durch die Förderung der Gemeinden für die Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern die freiwilligen Leistungen des Landkreises Würzburg spürbar steigen“, sagte Nuß in seiner Haushaltsrede. Und die Redebeiträge der jeweiligen Fraktionssprecher vermitteln diesen Einklang.
Manfred Ländner (CSU) stellte fest, dass die „Bewältigung der Herausforderungen, die Flüchtlingsunterkünfte in den Gemeinden mit sich bringen, auch finanzielle Ressourcen binden“. Zuvor bedankte sich Ländner bei den vielen ehren- und hauptamtlichen Helfern, die in den vergangenen Tagen weit mehr getan haben als ihre Pflicht. „Es war und ist eine großartige Gemeinschaftsleistung, die unsere Gesellschaft erbringt“, so der Landtagsabgeordnete.
Stefan Wolfshörndl sprach für die SPD. Als Gerbrunner Bürgermeister – eine Gemeinde, die noch keine Flüchtlinge aufgenommen hat – wehrt er sich gegen den Vorwurf, dass er oder andere „sich wegducken“ würden. „Es gibt auf der einen Seite seit Jahren Wohnraumknappheit, auf der anderen Seite Leerstand und Entwicklungspotenzial auch außerhalb von Neubaugebieten.“ Daher habe die SPD-Fraktion auch eine Wohnungsbaukonferenz auf Landkreisebene beantragt. Auch darüber soll in der nächsten Sitzung des Kreisausschusses diskutiert werden.
Wolfshörndl stellte aber auch klar, dass es einen Ausgleich für Gemeinden wie Veitshöchheim geben müsse, die bereits Integrationsleistungen erbringen – auch wenn diese dem Landkreis nicht angerechnet werden. In Veitshöchheim gibt es eine Notunterkunft der Regierung von Unterfranken in der Balthasar-Neumann-Kaserne mit 450 Plätzen. Das Kasernengebäude liegt auf dem Gebiet der Stadt Würzburg. Die Betreuung der Flüchtlinge haben aber Helfer aus Veitshöchheim übernommen. Ebenso würde es demnächst Gerbrunn ergehen, wenn im Hubland die Gemeinschaftsunterkunft gebaut ist, so Wolfshörndl.
Hans Fiederling UWG/FW betonte, dass mit dem Betrag von 1000 Euro je Flüchtling und Jahr „zwar kein Kindergartenplatz oder kein neues Klassenzimmer errichtet werden kann“. Es könne diesen Gemeinden aber helfen, ihre Aufgaben zu erfüllen und sei eine Anerkennung ihres Engagements.
Karen Heußner (Bündnis 90/Die Grünen) forderte, die Integrationspauschale erst einmal auf 2016 zu begrenzen und sie dann auf den Prüfstand zu stellen. Sie wünscht sich mehr Solidarität unter den Kommunen. „Eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge ist noch nicht gelungen“, sagte sie und hofft, dass sich durch die finanzielle Unterstützung des Landkreises nun mehr Gemeinden eingeladen fühlen, Flüchtlinge aufzunehmen.
Ursprünglich hatten die Grünen vorgeschlagen, dass nicht der Landkreis sondern die Gemeinden für den Ausgleich sorgen. Kommunen, die keine Flüchtlinge aufnehmen, sollten einen bestimmten Betrag einzahlen, der dann anteilsmäßig an alle Städte und Gemeinden im Landkreis Würzburg ausgezahlt wird, die Flüchtlinge aufgenommen haben. „Das ist aber rechtlich schwierig umzusetzen“, räumte Heußner ein. Außerdem sahen die Grünen im Kreistag keine Mehrheit für ihren Vorschlag.
Thomas Eberth ist mit der Entscheidung des Kreistages zufrieden. „Das ist nun eine saubere und gute Lösung für alle Gemeinden“, sagte er nach der Sitzung. Für ihn steht aber im Vordergrund, dass alle Flüchtlinge im Landkreis den gleichen Status haben. Damit möchte er verhindern, dass obdachlose, bereits anerkannte Asylbewerber, den Gemeinden auf der Tasche liegen. Sie sollen so lange in der Unterkunft bleiben können, bis sie eine Wohnung haben. „Denn das ist das eigentliche Problem. Bei drohender Obdachlosigkeit sind die Gemeinden zuständig – und die können das nicht stemmen.“