Gerda Böning feiert an diesem Montag ihren 102. Geburtstag. Sie ist die älteste der Nachfahren des neben Caspar David Friedrich bedeutenden Künstlers der Romantik, Philipp Otto Runge (1777-1810). Und sie sieht ihm ähnlich, sagt Gerda Bönings Sohn, der langjährige Vizepräsident der Uni und renommierte Psychiater und Suchtexperte, Professor Dr. Jobst Böning.
„Meine Mutter hat die typische Runge-Nase und Runge-Grübchen im Gesicht.“ Sie sind in den Selbstbildnissen des Malers zu sehen, ebenso in den Porträts seiner großen Familie, die ihre Wurzeln im vorpommerschen Wolgast hat.
Runge hatte lediglich 33 Jahre Zeit, seine ganzheitlichen Vorstellungen von Kunst, Natur und Kosmos zu verwirklichen, ehe er am 2. Dezember 1810 an Tuberkulose starb. Seine Ururnichte kann dagegen auf ein bewegtes und sehr viel längeres Leben zurückblicken und erfreute sich dank ihrer robusten Konstitution zeitlebens guter Gesundheit. „An ihrem 100. und 101. Geburtstag war sie noch sehr rüstig und die einzige, die im Matthias-Claudius-Heim, wo sie liebevoll betreut wird, keine Medikamente benötigte“, so Jobst Böning.
Mittlerweile werden die Momente seltener, in denen sie aktiv am Leben teilnimmt. Deshalb wird sie an ihrem Geburtstag nur ihre Familie empfangen.
1910 kam Gerda Böning, geborene Runge, im damals westpreußischen und heute polnischen Thorn als Tochter eines Offiziers und königlichen Distriktkommissars zur Welt. Sie verlor ihn früh, er fiel 1914 im Ersten Weltkrieg. In Thorn und später in Potsdam besuchte Gerda Böning das Lyzeum, die höhere Töchterschule. An der Handels- und Gewerbeschule legte sie ihr Fachabitur ab und arbeitete anschließend in der Kranken- und Säuglingspflege sowie sozialen Fürsorge.
Mit ihrem Mann zog Gerda Böning nach der Hochzeit 1934 ins pommersche Steinberg. Er verwaltete dort das gleichnamige Rittergut, das sich in Besitz seiner Familie befand. 1945 flohen die Bönings westwärts und ließen sich im westfälischen Anholt und ab 1956 im niedersächsischen Braunschweig nieder. Seit 2007 lebt Gerda Böning in Würzburg im Matthias-Claudius-Heim der Diakonie.
Gerda Böning entstammt der Linie von Carl Hermann Runge. „Er war der Lieblingsbruder von Philipp Otto und kümmerte sich nach dessen frühen Tod um den Nachlass“, erzählt Jobst Böning. „Carl“ soll auch das letzte Wort gewesen sein, das der Künstler vor seinem Tod sagte. Insgesamt gab es elf Runge-Geschwister. Philipp Otto war das neunte, Carl Hermann das zehnte Kind der Familie.
Die Runges haben schon immer ihre Familiengeschichte gepflegt. Familiensekretäre und –sekretärinnen schrieben und schreiben die Geschichte auf, aktualisieren die Stammbäume der verschiedenen genealogischen Äste. Sie reichen bis ins Jahr 1605 zurück.
Noch heute trifft sich die Familie alle zwei Jahre dort, wo es Bezüge zur Familienhistorie gibt. Die Runge-Nachfahren waren auch schon in Würzburg zu Gast, dem Lebensmittelpunkt von Jobst Böning. Die nächste Zusammenkunft wird in diesem Jahr in Saarbrücken sein. Zu den besonderen Ereignissen zählte 2010 das Treffen in Hamburg anlässlich des 200. Todestages des berühmten Vorfahren Philipp Otto Runge, erzählt Jobst Böning. Dort stand natürlich ein Besuch in der Kunsthalle auf dem Programm, in der die viel beachtete Ausstellung „Kosmos Runge – Der Morgen der Romantik“ zu sehen war.
Auch Gerda Böning hat viele Jahre an diesen Treffen teilgenommen und die mehrere hundert Personen zählende Großfamilie zusammengehalten. Zu ihrem engsten Familienkreis gehören fünf Kinder, sieben Enkel und zwölf Urenkel.