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Gerbrunn
Gerbrunn: Warum die Tafel vorerst schließt
Das Geschäft war zuletzt nicht mehr rentabel: zu groß der Aufwand, für zu wenige Familien. Der Tafelladen in der Gerbrunner Hauptstraße schließt und bleibt vorerst leer.
Die Gerbrunner Tafel bleibt vorerst geschlossen. Im Bild: Brigitte Ritz-Darkow, Leiterin der Ausgabestelle Gerbrunn, einen Tag vor der Schließung - bei der letzten Ausgabe.
Foto: Johannes Kiefer | Die Gerbrunner Tafel bleibt vorerst geschlossen. Im Bild: Brigitte Ritz-Darkow, Leiterin der Ausgabestelle Gerbrunn, einen Tag vor der Schließung - bei der letzten Ausgabe.
Maria Lisa Schiavone
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:43 Uhr

Nach elf Jahren ist Schluss. Die Tafel in Gerbrunn ist seit dem 30. September geschlossen und bleibt es vorerst auch. Denn immer weniger Bedürftige wollen ihre Lebensmittel in Gerbrunn abholen. Am vergangenen Dienstag öffnete der Tafelladen an der alten Feuerwehrwache zum letzten Mal.

Der letzte Tag der Gerbrunner Tafel 

Es ist halb drei Uhr. Die drei ehrenamtlichen Helferinnen stehen mit Maske und Gesichtsschutz hinter dem L-förmigen Tresen und sortieren die Lebensmittel in den Kisten, aber eigentlich warten sie nur auf den nächsten Kunden. Eine der Kisten ist voller Brötchen, Stangen und Hörnchen. In den Gemüse- und Obstkisten sind noch Karotten, Rettich, Paprika, Trauben und anderes Obst. Heute bleiben die Kisten voll, wie schon in vielen Wochen zuvor auch.

"Zu Beginn kamen über 100 Personen plus Kinder hierher", sagt die Leiterin der Gerbrunner Ausgabestelle, Brigitte Ritz-Darkow. Doch in den vergangenen vier Jahren ist die Zahl der Tafel-Bezieher in Gerbrunn gesunken. Aktuell sind nur noch 13 Familien bei der Gerbrunner Ausgabestelle registriert. Doch nicht alle Familien kaufen auch jede Woche ein. Und so standen die drei ehrenamtlichen Helferinnen oftmals stundenlang im Laden, um zu warten.

Einige Bezieher waren bereits da, "zwei Familien fehlen theoretisch noch, aber ob sie kommen, wissen wir nicht", sagt Brigitte Ritz-Darkow. "Das ist schade", bedauert einer der Kunden die Schließung der Tafel. "Die Helfer wussten sogar, welche Lebensmittel man bevorzugt."

"Da wir nicht so viele Kunden haben wie in anderen Ausgabestellen, war es immer sehr familiär", bestätigt Brigitte Ritz-Darkow. Seit der Eröffnung der Gerbrunner Tafel vor elf Jahren ist sie dort ehrenamtlich tätig. Sie hat die Anfangsjahre in den Kellerräumen in der alten Feuerwache miterlebt und den Neubau des Tafelladens vor vier Jahren. Die Schließung kann sie nachvollziehen: "Man muss bedenken, was für ein Aufwand dahinter steckt. Die Fahrer holen morgens die Ware bei den Supermärkten ab. Wir Ehrenamtliche sind gegen Mittag da, um die Kisten auszuladen und die Ware auszusortieren. Dann bereiten wir die Ausgabe vor. Die übrig gebliebenen Lebensmittel werden zur Ausgabestelle in der Zellerau gebracht. Das ist auch ein Aufwand für die Gemeinde."

"Da wir nicht so viele Kunden haben wie in anderen Ausgabestellen, war es immer sehr familiär."
Brigitte Ritz-Darkow, Leiterin der Ausgabestelle Gerbrunn, über die Schließung 

Viele Familien sind an diesem Tag nicht gekommen. Gerade mal acht von den 13 berechtigten Haushalten waren zum letzten Mal im Tafelladen. 

Bezieher müssen auf andere Ausgabestellen ausweichen

Die Familien werden auch weiterhin von der Tafel versorgt, nur eben nicht mehr in Gerbrunn, sondern in den innerstädtischen Ausgabestellen Würzburgs. Brigitte Ritz-Darkow sieht darin kein Problem: "Unsere Bezieher sind alle gut zu Fuß. Wir haben hier zum Glück keine Kunden mit Gehbehinderungen oder anderen körperlichen Einschränkungen, die auf unsere Ausgabestelle angewiesen sind."

Von den bedürftigen Haushalten wohnt nur eine Familie in Gerbrunn. Alle anderen Familien kommen aus den Randbezirken der Stadt, "diese können auch zu den Ausgabestellen in der Beethovenstraße oder in die Zellerau fahren, da sie ja ohnehin auch nach Gerbrunn fahren mussten", sagt Andreas Mensing, Vorstandsvorsitzender der Tafel Würzburg. 

Zu wenig Kunden in Gerbrunn

Die Entscheidung zur Schließung liegt bei der Würzburger Tafel: "Logistisch ist die Schließung für uns von Vorteil, aber das hätten wir nie gemacht, wenn es großen Andrang gegeben hätte", so der Vorstandsvorsitzende. Ausschlaggebend war die kontinuierlich sinkende Zahl der Bezieher in Gerbrunn. Immer weniger Menschen hätten sich für die Ausgabestelle registriert, "da war es naheliegend, die Tafel zu schließen und sich auf die anderen Ausgabestellen zu konzentrieren." 

"Logistisch ist die Schließung für uns von Vorteil, aber das hätten wir nie gemacht, wenn es einen großen Andrang gegeben hätte."
Andreas Mensing, Vorstandsvorsitzender der Tafel Würzburg, über die Schließung in Gerbrunn

Die Ausgabestelle in Gerbrunn sei für viele Familien nur schwer zu erreichen, erklärt Mensing. "Wenn sich jemand bei der Tafel neu anmeldet, fragen wir nach dessen Wohnort und legen dann gemeinsam fest, welche Ausgabestelle am günstigsten wäre. Für die meisten ist Gerbrunn zu abgelegen."

Der Tafelladen in Gerbrunn in der Hauptstraße hat seinen Betrieb zum 30. September eingestellt. 
Foto: Johannes Kiefer | Der Tafelladen in Gerbrunn in der Hauptstraße hat seinen Betrieb zum 30. September eingestellt. 

Schließung ist nachvollziehbar

Leicht fällt die Schließung keinem, weder der Tafel noch der Gemeinde. Noch vor einigen Jahren hat die Gerbrunner Gemeinde die Alte Feuerwehr saniert und den Tafelladen neu gebaut. Dennoch hat Bürgermeister Stefan Wolfshörndl Verständnis für die Entscheidung: "Bei rückläufigen Kundenzahlen kann ich die Tafel verstehen - dass Aufwand und Ausgabe nicht mehr in Relation zueinander stehen." Andreas Mensing weiß das zu schätzen: "Die Gemeinde ist uns immer entgegen gekommen". 

Die Kunden der Gerbrunner Tafel müssen nun auf eine der fünf weiteren Ausgabestellen der Würzburger Tafel ausweichen. Sei es in der Zellerau, der Altstadt, in Heidingsfeld, Grombühl oder am Heuchelhof. Das hat auch Vorteile: "In den Hauptausgabestellen gibt es von allem größere Mengen, und auch die Auswahl an Produkten ist größer. In Gerbrunn gab es zwar immer genug Backwaren, dafür hatten wir aber weniger Kühlprodukte wie Fleisch, Käse oder Wurst", sagt Mensing.

Wunsch nach einer neuen Ausgabestelle am Hubland  

Ganz ausgeschlossen ist eine Wiedereröffnung der Gerbrunner Tafel nicht. "Sollten wieder mehr als 25 Familien Bedarf haben, wäre eine Wiedereröffnung rentabel. Wenn sich bei den kommenden Registrierungen herausstellen würde, dass für die Bezieher die Ausgabestelle Gerbrunn in Frage käme, würden wir uns das wieder überlegen", sagt der Vorsitzende der Tafel Würzburg. Auch von Seiten der Gemeinde wäre dies möglich, wie Bürgermeister Wolfshörndl gegenüber der Redaktion erklärt: "Wir stehen sofort wieder für eine Öffnung zur Verfügung, die Räume werden auch nicht anderweitig genutzt."

Der Bedarf nach weiteren Ausgabestellen in Würzburg sei da, nur eben nicht in Gerbrunn. Andreas Mensing würde eine zusätzliche Ausgabestelle lieber am Hubland einrichten wollen: "Ich würde gerne mit der Stadt Würzburg ins Gespräch kommen, ob es für uns am Hubland eine Räumlichkeit gäbe. Dort leben einige der Familien, die bei uns beziehen. Zudem holen wir dort sowieso auch von zwei Supermärkten die Ware ab."

 
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  • Funkenstern
    Man muss es dann halt vor Ort hinbringen, wenn keiner mehr kommen mag. Ironie aus.
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  • marent1@hotmail.de
    Naja, Gerbnrunn war schon immer als "Millionärsdorf" benannt worden. Sehr viel arme Menschen können sich den Wohnraum dort nicht leisten, denke ich. Vielleicht könnte man das Tafelangebot ja an die Kirchengemeinden o.ä. andocken, damit es nicht gänzlich verloren geht....
    Das war ein toller Laden, danke all den Engagierten! Vielleicht könnte es ein niederschwelliger Treff o.ä. werden?
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  • Einwohner
    Ist doch ein gutes Zeichen wenn es weniger Bedarf für eine Tafel gibt.
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