
Revierförster Wolfgang Schölch mag die gepflegte Unordnung. Im Ochsenfurter Forst hat er Gelegenheit, diese Vorliebe in die Tat umzusetzen. Es geht darum, einer artenreichen Flora und Fauna Lebensräume zu bieten, auch wenn sich Schölch dabei gegen manches Vorurteil durchsetzen muss. Eine neun Hektar große Abteilung im Forst hat sich der Revierförster als erstes vorgenommen, um dort mit Biotopbäumen, gezielt zurückgelassenem Totholz und kleinen Tümpeln die ökologische Qualität zu verbessern.
Efeu schadet Bäumen nicht
Wolfgang Schölch macht auf eine stattliche Eiche aufmerksam, deren Stamm dicht mit Efeu bewachsen ist. Viele meinen, die Kletterpflanze schade den Bäumen, sagt er. Das sei aber falsch. Der Efeu nutze den Stamm lediglich als Kletterhilfe und kralle sich mit seinen Haftwurzeln an der rissigen Borke fest, ohne ihm dabei Wasser oder Nährstoffe zu entziehen. Mit seiner späten Blüte im September spende der Kletterer stattdesen selbst im späten Jahr Bienen und Schmetterlingen noch Nahrung. Der Baum selbst ist Lebensraum für eine Vielzahl von Insekten und Vögeln. Sogar kleine Fledermausarten finden in den Spalten der Rinde tagsüber ein geschütztes Schlafquartier.

Mit einem Stammdurchmesser von 80 Zentimetern ist diese Eiche der stärkste unter den 60 Biotopbäumen, die der Revierförster markiert und kartiert hat. Trotzdem würde der Baum auf dem Holzmarkt keinen guten Preis erzielen, sagt Schölch. Schon in vier Metern Höhe tritt der erste starke Ast aus dem Stamm; ein Zeichen der Mittelwaldwirtschaft, wie sie im Ochsenfurter Forst jahrhundertelang zur Brennholzgewinnung betrieben wurde.
Die Holzpreise sind eingebrochen
Aber auch mit hoch gewachsenen, makellosen Stämmen aus dem Hochwald sei derzeit kaum ein Geschäft zu machen. Nach den Trockenschäden aus den vergangenen Hitzesommern müsse in vielen Teilen Deutschlands so viel Holz eingeschlagen werden, dass der Markt übersättigt ist und die Preise in den Keller gerutscht sind. Für Wolfgang Schölch ein Grund mehr, die Gelegenheit zugunsten des Naturschutzes zu nutzen.
"Wir waren sehr offen dafür", sagt Bürgermeister Peter Juks. Schließlich sei der Forst das beliebteste Naherholungsgebiet der Ochsenfurter. "Man muss Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Freizeitwert in Einklang bringen", so Juks weiter, wobei es mit dem wirtschaftlichen Nutzen des rund 125 Hektar großen Ochsenfurter Forsts so eine Sache ist. Die Einnahmen aus der Holzernte reichen in den meisten Jahren gerade so aus, um die Pflegekosten zu decken.

Eine alte Birke hat die letzten Stürme nicht überlebt. Sie liegt mit empor gereckten Wurzeln quer im Wald, während sich das Moos ihren Stamm erobert. An anderer Stelle ist ein mächtiger Ast abgebrochen und hat einen Baumtorso zurückgelassen, dessen Holz langsam vermorscht. Zwei Beispiele für Totholz, von dem sich Revierförster Schölch mehr im Ochsenfurter Forst wünscht.
Das tote Holz ist ein Dorado für eine Vielzahl von Insekten und deren Larven, die wiederum vielen Vögeln Nahrung bieten. Mit dem landläufigen Vorurteil, Totholz fördere den Schädlingsbefall, will Förster Wolfgang Schölch aufräumen. Im Gegenteil: Mit potenziellen Schädlingen vermehren sich auch deren Fressfeinde. Eine artenreiche Fauna halte sich so selbst im Gleichgewicht. "Wir erhöhen das Artenspektrum", sagt Schölch, "den Schädlingsdruck kann man gegenüber den Vorteilen vernachlässigen." Erst wenn ein Schädling, etwa der Borkenkäfer, überhand nehmen sollte, muss der Mensch eingreifen.

20 solcher Totholzbäume hat Wolfgang Schölch in dem neun Hektar großen Waldabteil ausgemacht. Sie stehen abseits der Wege. "Wir wollen schließlich keine Bäume schützen, die zu einem Sicherheitsrisiko für Spaziergänger werden können", sagt Schölch. Wie die Biotopbäume sind auch sie mit einer blauen Welle markiert und mit einer Nummer versehen. Jeder einzelne Standort ist per GPS vermessen und lässt sich so auch für die Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde jederzeit auffinden.
Geld für den Naturschutz
Für Gerhard Englert, den Vorstand des städtischen Kommunalunternehmens KSO, sind Biotopbäume und Totholz nichts Neues. Schon Schölchs Vorgänger wussten um deren Wert. Seit 2005 erhält die Stadt dazu sogar Geld aus einem staatlichen Förderprogramm. Je nach Größe bis zu 195 Euro gibt es pro Baum. Rund 10 000 Euro kommen so für die neun Hektar große Waldfläche zusammen. In den kommenden Jahren möchte sich Wolfgang Schölch deshalb weitere Abschnitte des Forsts vornehmen.

Amphibien wie der seltenen Gelbbauchunke ein Revier zu geben, ist ein weiteres Ziel, das der Förster verfolgt. Der knapp fünf Zentimeter lange Froschlurch hat seinen Namen vom leuchtend gelb gefleckten Bauch, den er bei drohender Gefahr warnend seinen potenziellen Feinden entgegen reckt. Bis zu 30 Jahre können Gelbbauchunken alt werden, sagt der Förster. Um sich zu vermehren, brauchen sie allerdings kleine Tümpel, in denen sich der Nachwuchs über einen Zeitraum von sechs Wochen ungestört entwickeln kann.
Lebensraum für Libellen und Gelbbauchunken
Dafür reichen sogar schon Pfützen, wie sie sich in der verdichteten Fahrspur landwirtschaftlicher Maschinen bilden. Doch im sandreichen Boden des Forsts sind die Stellen rar, an denen das Wasser ausreichend lange gehalten wird. An einigen lehmigen Stellen haben Mitarbeiter des Bauhofs deshalb mit dem Bagger flache Kuhlen ausgehoben, in denen sich Regenwasser über einen längeren Zeitraum sammeln kann. Nicht nur Unken, sondern auch Libellen könnten davon profitieren, so Schölch.
Bei den Spaziergängern, die reichlich im Forst unterwegs sind, will der Revierförster Verständnis für eine naturnahe Waldbewirtschaftung wecken. "Wir sollten uns umgewöhnen und wegkommen von der Vorstellung von einem aufgeräumten Wald", sagt er. KSO-Mitarbeiter Dirk Rohracker unterstützt den Appell, zumal er obendrein den Waldarbeitern manche Arbeit erspart.
Man hört immer nur die Einstellung von Herrn Schölch !
Sicher nicht so aufgeräumt und "ordentlich", wie man sich die sog. Baumäcker herkömmlich so vorstellt, aber sicher - s. Biodiversität - artenreicher und ökologisch wertvoller, was auch unseren Kindern und Enkeln zu gute kommen wird.