In einer Sondersitzung am Montag Abend hat der Gemeinderat die Ausweisung eines 41 Hektar großen Sondergebiets für den Bau von Windkraftanlagen beschlossen. Die vier Rotoren, die die beiden Windkraft-Unternehmen Abo-Wind und Juwi an der Gemarkungsgrenze errichten wollen, sind nur rund 1,2 Kilometer vom Nachbardorf Strüth entfernt. Dort ist man wenig erbaut über die Tauberrettersheimer Pläne.
Eine pikante Note erhält das Thema zusätzlich durch die Tatsache, dass Bürgermeister Hermann Öchsner und drei der acht Gemeinderäte persönlich von dem Vorhaben betroffen sind. Bei einem ersten Anlauf vor wenigen Tagen war der Gemeinderat deshalb nicht beschlussfähig. Erst nachdem die Fläche des zweiten Bürgermeisters Paul Wunderlich aus dem Gebiet herausgenommen wurde, konnte der Rat eine gültige Entscheidung fassen.
Am vergangenen Freitag erst hatte Paul Wunderlich davon erfahren, dass sein Acker nicht mehr zum Windkraftgebiet gehören sollte. Mächtig geärgert habe er sich darüber, erklärte er in der Gemeinderatssitzung. Schließlich winken den Grundbesitzern hohe jährliche Pachten. Weil Bürgermeister Hermann Öchsner weiterhin befangen ist, fiel Paul Wunderlich als dessen Stellvertreter nun die Aufgabe zu, die Beratung im Gemeinderat zu leiten.
Die Gemeinde soll von den Windrädern profitieren. Eine jährliche Entschädigung von 20 000 Euro für Wege und Kabeltrassen stehe im Raum, so Wunderlich. Und da sei noch Luft nach oben. Allerdings stehen dem Vorhaben von vielen Seiten Bedenken entgegen.
2004 hatten die Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft – Röttingen, Bieberehren, Riedenheim und Tauberrettersheim – einen gemeinsamen Flächennutzungsplan für die Windkraft erlassen. Darin enthalten ist bislang nur eine Fläche im Riedenheimer Ortsteil Stalldorf, auf der bereits Windräder stehen. In den übrigen Gemarkungsflächen schließt der Flächennutzungsplan Windkraft aus.
Das Landratsamt vertritt die Auffassung, dass dieser gemeinsame Flächennutzungsplan erst aufgehoben werden muss, bevor Tauberrettersheim einen neuen aufstellen kann. Die übrigen VG-Gemeinden haben dies abgelehnt und pochen darauf, dass der gemeinsame Flächennutzungsplan fortgeschrieben werden soll.
Doch den potenziellen Bauherrn würde das zu lange dauern. Weil sich die Vergütung für Windstrom ab 2017 grundlegend ändert, sollen die Anlagen spätestens bis Ende 2016 genehmigt sein. Ein sportliches Ziel, dem sich der Tauberrettersheimer Gemeinderat mit seiner Entscheidung nun zunächst gebeugt hat.
Auf Tauberrettersheim waren die Windkraft-Unternehmen aufmerksam geworden, weil der Regionalplan das Gebiet als Vorbehaltsfläche für die Windkraft ausweist. Unter dem Kürzel WK 33 zieht sich der rund 400 Meter breite Streifen entlang der Tauberrettersheimer Gemarkung und dem Röttinger Stadtteil Strüth bis zur Landesgrenze nach Baden-Württemberg.
Auch in Strüth hatte man sich nach Bekanntwerden des Regionalplans mit der Windkraft beschäftigt, so der Landwirt und Röttinger Stadtrat Albrecht Haag. In Gesprächen und Versammlungen war versucht worden, ein Modell zu finden, nach dem alle Strüther an den Einnahmen aus der Windkraft profitieren sollten. Als dies misslang und Bedenken wegen zusätzlicher Belästigungen laut wurden, verwarf man das Vorhaben, so Haag weiter. Westlich von Strüth, auf der Gemarkung des Weikersheimer Ortsteils Nassau, stehen bereits Windräder.
Das geplante Windkraftgebiet rückt nun südlich bis auf rund 1,2 Kilometer an die Strüther Wohnbebauung heran. Bei üblichen Anlagenhöhen von 200 Metern würde damit die so genannte 10 H-Regel deutlich unterschritten. Nach dieser Regel sollte der Abstand zu Wohngebäuden mindestens der zehnfachen Höhe entsprechen .
Grundsätzlich könnten Anlagen trotzdem genehmigt werden, so die Leiterin der Umweltabteilung am Landratsamt, Eva-Maria Löffler. Das örtliche Planungsrecht stehe über der pauschalen 10 H-Regel. Im Rahmen des Verfahrens müssten die Nachbargemeinden aber gehört und ihre Interessen soweit wie möglich berücksichtigt werden.
Mit dem Aufstellungsbeschluss schaffe der Tauberrettersheimer Gemeinderat noch lange keine vollendeten Tatsachen, betont zweiter Bürgermeister Paul Wunderlich. Mehrfach während des Verfahrens hätten die Nachbargemeinden und betroffene Anlieger die Möglichkeit, Bedenken und Einwände vorzubringen. „Wenn wir merken, dass der Widerstand zu groß wird, können wir immer noch aussteigen“, so Wunderlich.
An seinen Ausführungen wurde deutlich, dass das Thema auch in Tauberrettersheim Zündstoff birgt. Um dem Gerücht entgegenzutreten, Gemeinderäte hätten sich im Rahmen der Flurbereinigung einen Vorteil verschafft, stellte Wunderlich fest, dass die Neuzuteilung der Flächen bereits 2008 erfolgt sei. Das Vorhaltegebiet für die Windkraft sei erst 2013 bekanntgemacht worden.
Als persönlich Betroffene hatten sich Bürgermeister Hermann Öchsner sowie die Gemeinderäte Christa Raupp, Edmund Raupp und Martin Nörpel an der Beratung nicht beteiligt und waren demonstrativ vom Ratstisch abgerückt. Die übrigen fünf Ratsmitglieder stimmen geschlossen für die Aufstellung des Flächennutzungsplans.
Die Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft Röttingen sitzen dadurch jetzt zwischen den Stühlen. Sie müssen den Beschluss des Tauberrettersheimer Gemeinderats umsetzen und gleichzeitig die Interessen der übrigen VG-Mitglieder wahrnehmen, die sich gegen diesen Alleingang ausgesprochen haben.