Wenn am Main das Kommando „Mannschaft stößt ab“ zu hören ist und sich daraufhin vier Mädchen mit Kopftüchern in ihre Rollsitze sinken lassen – dann ist wieder ein Boot des „STAR“-Teams der Rudergemeinschaft Olympos Würzburg unterwegs. Über 70 Flüchtlinge haben inzwischen auf diese Weise das Rudern und natürlich auch das Schwimmen gelernt. Bei der Verleihung des Integrationspreises der Regierung von Unterfranken in der Würzburger Residenz lobte Regierungspräsident Paul Beinhofer das Engagement des Rudervereins als „vorbildliches Projekt, um Mitbürger mit Migrationshintergrund zu unterstützen“.
Dabei sind die Ruderer selber noch auf der Suche nach einer Unterkunft. Nach der Neugründung des Vereins als drittem Würzburger Ruderclub im Juli 2015 stehen die inzwischen etwa 150 Vereinsmitglieder noch immer ohne eigenes Bootshaus da, ohne Clubhaus, Umkleiden oder Toiletten. Anfangs hatte der Verein nicht einmal Boote. Erst dadurch, dass sie beim benachbarten Akademischen Ruderclub (ARCW) untergekommen sind, hat sich die Situation entspannt. Eine Dauerlösung ist das nicht.
Vielleicht ist es auch diese Erfahrung der Unbehaustheit, die eine Kerngruppe von etwa 20 Ruderern dazu gebracht hat, ganz nach dem Vereinsmotto „Rudern für alle“ auch Menschen ins Boot zu holen, die ansonsten wohl kaum den Weg in die Mergentheimer Straße zu den Ruderern gefunden hätten. Bereits kurz nach der Gründung haben sie eine „Pararuder“-Gruppe für Menschen mit Behinderung und einen wöchentlichen Ruderkurs für minderjährige Flüchtlinge ins Leben gerufen. Darüber hinaus unterstützen die Vereinsmitglieder ihre „Ruderfreunde“ auch bei Behördengängen, bei der Ausbildung oder bei Problemen in der Schule.
„Als Mannschaftssport ist das Rudern bestens geeignet, Teamgeist und Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln und so die Grundlage für eine gelingende Integration zu legen“, beschreibt Vorsitzende Cornelia Drewitzki den Grundgedanken. Die Kunstpädagogin an der Universität Würzburg weiß, wovon sie redet: Sie gehörte zum Deutschlandachter der Frauen und weiß, dass, um Erfolg zu haben, alle ihre Ruder im gleichen Takt schlagen müssen.
Um die Sprachhürden zu überwinden, hat Bernd Fleischmann einen Ruder-„Crashkurs“, eigens für die Flüchtlinge entwickelt: „Bei einem Ball wissen die Kinder sofort, was zu tun ist, beim Rudern ist das anders“, hat er beobachtet, auch er Deutschlandachter-erfahren und nun für die Ausbildung zuständig. Bevor es auf den Fluss gehe, müsse normalerweise allerlei erklärt werden. Eine nicht ganz einfache Aufgabe bei dem Ruderer-Fachchinesisch und bei jungen Menschen, in deren Kultur das Schwimmen keine Grundfertigkeit darstellt.
Fleischmann geht darum den ersten Kontakt mit den Booten anders an: Alle üben anfangs zusammen am Ufer und rudern in der Luft. Das klappt nicht auf Anhieb. Dafür wird schon jetzt viel gelacht. Später im Mannschaftsboot ist immer ein erfahrener Ruderer dabei. Die Jungsportler müssten dann nur noch seine Bewegungen nachmachen. Das Rudergelände an einem ruhigen Altarm des Mains sei dafür ideal geeignet. „Nach der oft traumatischen Flucht über das Mittelmeer sollen die Kinder und Jugendlichen wieder einen positiven Zugang zum Wasser gewinnen“, erklärt Fleischmann. Als „Rudern lernen in einer Stunde“ möchte er das Konzept in die Breitensport-Ausbildung übernehmen.
Doch wie geht es weiter? Die Olympos-Ruderer dürfen sich über 2500 Euro Preisgeld freuen. Dies hilft, um die jungen Ruderer möglichst auch dauerhaft an den Verein zu binden und damit die nötigen Übungsleiter zu bezahlen. Doch das wichtigste fehlt noch immer: Ein Gelände zum Trainieren und ein Bootshaus. „Es ist wunderbar, dass unsere Arbeit so rasch auch öffentlich anerkannt wird“, kommentiert Fleischmann den Preis für den noch jungen, rasch wachsenden Verein denn auch etwas zwiespältig. „Aber so kann es natürlich nicht weitergehen.“